Samstag, 29. August 2020

Was ist die niedrigste Arbeitslosenquote?

Jerome Powell, der Chef der amerikanischen Notenbank hat am Donnerstag die Neuausrichtung der US-Geldpolitik angekündigt.

Es handelt sich dabei um einen neuen Ansatz im Hinblick auf die Inflation. Genannt wird es „average inflation targeting“.

Die Fed will zulassen, dass die Inflation einige Jahre höher als 2% laufen kann, falls die Teuerungsrate davor deutlich niedriger lag. Ein Überschiessen über eine längere Zeitperiode ist daher gestattet. Der Zielwert von 2% soll im Durchschnitt angestrebt werden.

Begründung: das anhaltend schwache Wirtschaftswachstum, die träge Konsumnachfrage und die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit.

Die neue Form der Geldpolitik hat zugleich eine Signalwirkung in Richtung Politik: Vollbeschäftigung würde den Arbeitnehmern ein gutes Gefühl geben, die Ungleichheit bekämpfen und den Populismus abschrecken.

Janet Yellen und Jared Bernstein schreiben in diesem Sinne in einem Meinungsartikel bei NYTimes diese Woche, dass die Wirtschaft mehr fiskalische Ausgaben braucht, um Neueinstellungen zu unterstützen, wenn die Arbeitslosigkeit außergewöhnlich hoch und die Inflation historisch niedrig ist, wie beides jetzt der Fall ist.



Erstmalige und fortgesetzte Arbeitslosenansprüche am US-Arbeitsmarkt, Graph: BofA, Aug 2020


Klar ist, dass die Fed die Geldpolitik (deckt den Tisch) macht und der Kongress die Fiskalpolitk (bringt die Gäste herein) gestaltet.

Auf diese Weise bilden sie einen starken Doppelschlag gegen die Stagnation:

Die Fed sorgt dafür, dass das Kreditumfeld das Wachstum unterstützt; der Kongress und der Präsident sorgen dafür, dass Familien und Unternehmen genügend Geld in der Tasche haben, argumentieren die ehemalige Fed-Chefin und der ehemalige Chief Economist und Economic Adviser für den Vizepräsidenten Joe Biden in der Obama-Administration.


US-Notenbank unterbietet das Inflationsziel (2%) seit 2012, Graph: Bloomberg, Aug 28, 2020


Powell hat kürzlich betont, dass die Fed "Kreditvergabe-, nicht Ausgabekompetenzen" hat: Die Fed kann keine Schecks an Haushalte ausstellen, die Arbeitslosenunterstützung erhöhen, Zwangsräumungen aussetzen oder kleinen Unternehmen, die kurz vor der Schließung stehen, Zuschüsse gewähren. Dies sind Aufgaben für den Kongress und für die Trump-Administration.

Was ist aber die niedrigste Arbeitslosenquote, die die US-Wirtschaft aufrechterhalten kann?

Die Fed liefert darauf auf der eigenen Webseite die folgende Antwort

Angesichts der dynamischen Natur der Wirtschaft ist es nicht möglich, genau zu wissen, wie tief die Arbeitslosenquote nachhaltig sinken kann, ohne eine übermäßige Inflation zu verursachen. 


Der effektive Fed Funds Satz (EFFR), Graph: NYTimes, Aug 28, 2020.

Der EFFR wird als Volumen-gewichteter Median der gemeldeten Übernachttransaktionen (over night) mit Fed Funds Rate berechnet.

Das niedrigste Niveau der Arbeitslosigkeit, das die Wirtschaft aufrechterhalten kann, ändert sich im Laufe der Zeit, wenn sich der Arbeitsmarkt verändert. 

Zum Beispiel können Arbeitgeber neue Wege bei der Suche nach Arbeitnehmern und Arbeitnehmer neue Wege bei der Arbeitssuche beschreiten. 

Selbst in guten Zeiten wird eine gesunde, dynamische Wirtschaft zumindest einen gewissen Grad an Arbeitslosigkeit aufweisen, wenn Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wechseln und wenn neue Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt eintreten.

Aus all diesen Gründen wird sich die Fed bei der Beurteilung der Frage, wie weit die Wirtschaft vom Beschäftigungsmaximum entfernt ist, auf ein breites Spektrum von Informationen über den Arbeitsmarkt stützen und sich nicht zu sehr auf eine einzige Schätzung einer nachhaltigen längerfristigen Arbeitslosenquote verlassen. 


US Inflationserwartungen, gemessen an US Breakeven-Sätzen für 10 Jahre, Graph: FT, Aug 28, 2020. 


Darüber hinaus ist das FOMC bestrebt, sein Ziel der maximalen Beschäftigung zu verfolgen, so dass eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit ohne Anzeichen einer höheren Inflation oder anderer Risiken an sich kein Grund zur politischen Besorgnis ist.

Fazit: Arbeitsmarkt ist kein Markt. Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt sind nicht voneinander unabhängig. Die Arbeitslosenquote ist eine enge und ungenügende Metrik, um die tatsächliche Flaute (slack) am Arbeitsmarkt zu messen.

Der neue Ansatz „average inflation targeting“ soll vor diesem Hintergrund nicht überbewertet werden. Die Fed reagiert auf den wirtschaftlichen Wandel; Fed-Chef Powell holt die Realität nach.






1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Naja, man könnte auch zur Auffassung gelangen, dass zunächst einmal fiskalische Hilfsmassnahmen "for Mainstream" (siehe USA - einige verdienen damit mehr als mit Arbeit und Lohn, wird berichtet) in grossem Massstab gestartet werden (sprich "Helicopter Money"), was dann effektiv die Inflation anheizt (vorausgesetzt "the shit doesn't hit the fan" - sonst gebe es zuerst mal noch einen "deflationären Kollaps" sagen die einen...). Die ist ja bisher trot QE 1-4 ausgeblieben (nimmt man die Inflation gewisser Asset Klassen aus).


All das Geplauder der FED.... Fakt ist doch:

1. Die Schulden der Staaten sind überproportional zum Wirtschaftswachstum gewachsen.
2. Die Schulden sind auch nach einem Ende des Covid-19 Schocks noch da.
3. Darüber, ob diese Schuldenberge tragbar sind (immer mit Verweis auf Japan), scheiden sich die Geister.
4. Falls nicht, stellt sich die Frage, wie das Wachstum des Schuldenberges in Rel. zur Wirtschaft wieder umkehrbar ist:
Lösung:
4.1. Überprp. Wirtschaftswachstum in den nächsten 30 Jahren (who knows; angesichts der demographischen Entwicklung bin ich skeptisch).
4.2. Weginflationieren (meine Erwartung).
4.3. Reset (& Chaos) - welcher Politiker will das schon in seiner Amtszeit haben?

Also Weginlfationieren. Problem: Die notenbanken hätten den Auftrag, für Geldwertstabilität zu sorgen. Also mal kurz the folks vorwarnen.

Ich verstehe Powell so:

Listen folks, es wird in Zukunft längere Zeit mal über 2% Inflation geben, (wir "modulieren aber die Zinskurve", sprich setzen den Zinsmarkt ausser Funktion und generieren negative (Spar)zinsen) und die Begründung dazu ist: Arbeitslosenrate senken (wir haben ja mit den Covid- Massnahmen vorgesorgt *), dass mögl. viele arbeitslos werden).

*) https://www.youtube.com/watch?v=yXyEKkB2qSc&feature=emb_logo

Die Under-class wirds gut finden (Helicopter money), die Upper Class schlürft einen Manhatten Sour auf der Megayacht (und guckt sich die Kurse der Goldminenaktien an) und die Middle Class sowie das arme Grossmütterchen, welches vom Ersparten einen Zustupf erwartet, ist finanziell am Ende am Ende.

Ich finde es immerhin nett, dass Powell das Volk darauf einstimmt, Yellen die Regierungen ungeschminkt auffordert, mehr Geld unters Volk zu bringen (und zugibt, dass die Notenbanken mit ihrem Latein am Ende sind) ...

https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/506018/Ehemalige-Chefin-der-Fed-Die-Zentralbanken-sind-mit-ihrem-Latein-am-Ende-die-Regierungen-muessen-sofort-uebernehmen



Schaut Euch den Goldpreis in den nächsten Jahren an - er ist ein Indikator für stressige Zeiten.

Hang Loose
D. W.

PS: jeder darf natürlich seine eigene Interpretation von Powell's Speach behalten...

offensichtlich ist lediglich, dass die Zentral- und Notenbanken in den letzten 10 Jahren "das Problem" offensichtlich nicht gelöst haben (trotz "bester Konjunktur") - wieso sollten sie jetzt erfolgreich sein? Die Umstände sind dramatisch schlechter als 2008/2009