Sonntag, 23. August 2020

COVID-19 und „K“-Erholung

Die Mehrzahl der Ökonomen ging bis vor kurzem davon aus, dass die Erholung der Wirtschaft von der Coronavirus-Krise in „V“-Form erfolgen würde. 

Das heisst, dass einem steilen Absturz eine rasche Erholung folgen würde. 

Da die Ausbreitung der Pandemie inzwischen nicht unterbunden werden konnte und nach der Wiedereröffnung (reopening) der Geschäfte weltweit neue Virus-Infektionen verzeichnet werden, kehrt nun Ernüchterung ein.

Unterdessen ist von einer „K“-Erholung die Rede, gut für die Fachleute und schlecht für alle anderen (*). 

Zum Hintergrund: S&P 500 Index hat am Dienstag mit 3,397 Punkten einen neuen Spitzenwert erreicht. Und am folgenden Tag wurde Apple am Aktienmarkt als erstes US-Unternehmen mit mehr als 2‘000 Mrd. USD bewertet. 

Während manche Politiker mit dem Aktienmarkt als Beweis dafür werben, dass die Wirtschaft sich vom Corona-Virus erholt hat, ist es eine bittere Tatsache, dass 173‘000 Amerikaner an der Pandemie gestorben sind und die Anzahl der Arbeitslosen, die eine staatliche Unterstützung erhalten, sich auf 28 Mio. beläuft.

Das bedeutet, dass die Wirtschaft sich für Millionen von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz nicht zurückbekamen, nicht so gut anfühlt. Zudem wurde das Arbeitslosengeld gekürzt. Die im März beschlossene Zusatzleistung von 600 USD per Woche ist ausgelaufen.

Apple markiert eine Marktkapitalisierung im Wert von mehr als 2‘000 Mrd. USD als erstes US-Unternehmen in der Börsengeschichte, Graph: FT, Aug 20, 2020 


Die Realwirtschaft ist im Gegensatz zu den Finanzmärkten immer noch in einem schrecklichen Zustand, wie Paul Krugman in seiner Kolumne bei NYTimes unterstreicht. 


Bis 1975 erreichte der so genannte Misery-Index, die Summe aus Inflations- und Arbeitslosenquote, 19,9 %, bevor er 1980 mit 22 % seinen Höchststand erreichte - Aber der Misery-Index für 2020 ist auf dem besten Weg, der höchste in den USA seit fast 9 Jahren zu werden, Graph: Bloomberg, Aug 16, 2020 


Der wöchentliche Index der Fed New York deutet darauf hin, dass die Wirtschaft, auch wenn sie ihren Tiefpunkt vor einigen Monaten verlassen hat, immer noch so tief deprimiert ist wie zu keinem Zeitpunkt während der GFC von 2008-2009.


Die Vergütung von CEOs stieg 2019 um 14% auf 21,2mio; CEOs verdienen jetzt 320-mal so viel wie typische Arbeitnehmer, Graph: Larry Mishel, EPI, Economic Policy Institute 

Exorbitante CEO-Gehälter (320x) tragen wesentlich zur steigenden Ungleichheit bei. CEOs erhalten mehr aufgrund ihrer Macht, die Vergütung festzulegen, und nicht, weil sie die Produktivität steigern oder über spezifische, stark nachgefragte Fähigkeiten verfügen.


WSJ berichtet, dass fast 20% der Amerikaner mit Kindern zu Hause per Ende letzten Monats sich nicht leisten konnten, ihren Kindern genügend Nahrung zu geben, gegenüber fast 17% Anfang Juni. 



Die Anzahl der Erwachsenen mit Kindern zu Hause, die sich nicht leisten können, ihre Kinder genügend zu ernähren, ist in den USA angestiegen, Graph: WSJ, Aug 17, 2020 


Die Wahrheit ist, dass die Aktienkurse im historischen Hinblick an den Zustand der Wirtschaft nie eng gekoppelt waren.

Der jüngste Aufschwung im Aktienmarkt wurde weitgehend von einer kleinen Anzahl von Technologie-Giganten vorangetrieben. Und die Marktwerte dieser Unternehmen haben sehr wenig mit ihren aktuellen Gewinnen zu tun, geschweige denn mit dem Zustand der Wirtschaft im Allgemeinen, wie Krugman weiter hervorhebt.

Stattdessen dreht sich bei ihnen alles um die Wahrnehmung der Investoren über die ziemlich ferne Zukunft. 


Bis zum 17. August haben rekordverdächtige 45 Unternehmen mit Vermögenswerten von jeweils mehr als 1 Billion Dollar Insolvenz nach Kapitel 11 beantragt - im Vergleich zu 38 im gleichen Zeitraum des Jahres 2009 während der Tiefen der GFC und mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr (18 im Vergleichszeitraum), Graph: FT, Aug 22, 2020 



(*) steigende Aktienbewertungen und Wachstum des individuellen Wohlstands an der Spitze, fallende Einkommen und sich vertiefende Schmerzen am unteren Ende.


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