Donnerstag, 6. Februar 2020

Zombie-Ideen in Deutschland

Eine Zombie-Idee ist ein Glaube oder eine Lehre, die wiederholt als falsch erwiesen wurde, sich jedoch weigert, zu sterben. 

Stattdessen tummelt sie weiter und frisst das Gehirn der Menschen, wie Paul Krugman in seiner Kolumne bei NYTimes unterhaltsam darlegt.

Der ultimative Zombie in der amerikanischen Politik ist die Behauptung, dass sich Steuersenkungen amortisieren; eine Behauptung, die sich in den letzten 40 Jahren immer wieder als falsch erwiesen hat.

Es gibt aber auch andere Zombies, wie z.B. die Verleugnung des Klimawandels, die gegenwärtig im politischen Diskurs eine fast ebenso grosse Rolle spielt.

Die „Voodoo Ökonomie“ ist laut Krugman innerhalb der Republikanischen Partei unterdessen zu einer unbestreitbaren Doktrin geworden. Die Steuersenkungen von Trump 2017 wurden mit der Behauptung gefördert, dass das Haushaltsdefizit damit verringert würde. Ganz im Gegenteil: Das Defizit ist vorhersehbar tatsächlich explodiert und übersteigt jetzt 1‘000 Mrd. pro Jahr.

Zombie-Ideen gibt es aber auch auf dieser Seite des Atlantiks. Zum Beispiel in Deutschland. Die Konzepte von „Schuldenbremse“ und „Schwarze Null“ zählen dazu. Die öfters vorgetragenen Zombie-Ideen sind in zwei Sätzen kurz zusammengefasst: „Wir müssen einen ausgeglichenen Haushalt haben“. Die „Arbeitslosigkeit ist strukturell“.


Deutschlands Ersparnisse: In Deutschland werden nach Angaben von HSBC rund 40% des Vermögens der privaten Haushalte unter einer Matratze, in Geldbörsen oder bei der Bank gehalten, Graph: FT, Febr 05, 2020, FTAlphaville.


Nachdem Ausbruch der GFC 2008-2009 wurden Millionen von Menschen im Euroraum aufgrund der unzureichenden Nachfrage arbeitslos geworden. Ein Problem, das durch die erhöhten Ausgaben der öffentlichen Hand hätte angepackt werden können, z.B. durch Investitionen in die Infrastruktur, den Umweltschutz und die Bildung.

Stattdessen erklärten die Verfechter der Zombie-Ideen, dass die fortgeschrittene Technologie Arbeitsplätze beseitige und/oder den europäischen Arbeitnehmern die Fähigkeiten fehlen („skills gap“), um in der modernen Wirtschaft produktiv zu sein. Auch der Aspekt „der demographische Trend“ wurde dabei immer wieder aufgezählt, um die Behauptung, dass die hohe Arbeitslosigkeit strukturell sei, zu rechtfertigen.

Dabei ist die Arbeitslosigkeit ein Nachfrageproblem, das leicht gelöst werden kann, indem die Staatsausgaben erhöht und mehr Geld gedruckt wird.

Doch für die Anhänger der Fiscal Austerity ist das Haushaltsdefizit offensichtlich unser grösstes Problem, nicht die Massenarbeitslosigkeit. 

Wichtig ist jedenfalls, dass die hohe Arbeitslosigkeit niemals strukturell bedingt war, und dass die politischen Entscheidungsträger sie so lange anhalten liessen, war eine grosse Tragödie, wie Krugman es zum Ausdruck bringt.


Die globalen Leistungsbilanzsalden im Jahr 2019, Graph: Ifo-Institut, Febr 2020 
Deutschland: $293Mrd., 7,6% des BIP, Japan: $194Mrd., 3,8% des BIP und China: $138Mrd., 1,3% des BIP
PS: Die EU hält max 6% für langfristig tragfähig. Das heisst, dass Berlin derzeit gegen die EU-Regel verstösst.


Staatsschulden sind niemandes Last, schreiben Rudi Bachmann und Christian Bayer in einem lesenswerten Gast-Beitrag bei der faznet in diesem Zusammenhang.

Die Autoren bemerken, dass die „Schwarze Null“ jede Generation jedes Jahr etwa 600 EUR je Einwohner kostet. „Schwarze Null“ und „Schuldenbremse“ führen zu einer weiteren Verknappung von sicheren und liquiden Sparanlagen und verschärfen so das Niedrigzins-Problem.

Im Euroraum ist seit zehn Jahren trotz der sehr niedrigen Zinsen keine nennenswerte Inflation zu beobachten. Wenn der Unternehmenssektor es nicht tut (und stattdessen selbst liquide Anlageformen nachfragt), ist es die Aufgabe des Staates (als „lender of last resort“), sichere und liquide Sparanlagen zur Verfügung zu stellen, wenn Sparer beim gegebenen Angebot hauptsächlich an sicheren Anlageformen interessiert sind.

Der private Sektor ist heute allem Anschein nach bereit, den Staat für die sichere Liquidität zu entlohnen, wie Bachmann und Bayer weiter unterstreichen.

Man denke an die negativen Renditen der deutschen Staatsanleihen: mit 5 Jahren: -0,60% und 10 Jahren: -0,37%.

Doch dem Staat werden durch die „Schwarze Null“-Politik die Hände gebunden. Dabei ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht unumstritten, dass die öffentliche Hand zur Normalisierung eingreifen kann. Denn jedem Sparer steht schliesslich ein Schuldner gegenüber. 



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