Mittwoch, 12. Februar 2020

Wechselkurse und Anleihemärkte: Wo ist der sichere Hafen?


Der US-Dollar ist z.Z. der ultimative sichere Hafen, schreibt Mike Mackenzie in seiner Kolumne bei FT und präsentiert die folgende Abbildung.

Wir sehen, dass sogar der Yen und der Schweizer Franken, die (in Krisenzeiten) weltweit als sichere Anlage gelten, gegenüber dem Greenback, der Reservewährung im Jahresvergleich hinterherhinken.

Auch John Authers schlägt in seiner Kolumne bei Bloomberg in die gleiche Kerbe: 

Wenn Sie einen sicheren Hafen suchen, um sich vor den möglichen negativen Auswirkungen des Coronavirus auf die Finanzmärkte zu schützen, sind Sie mit dem Euro sicherlich nicht gut bedient, mit dem US-Dollar aber wahrscheinlich besser aufgehoben.

Wie die zweite Abbildung zeigt, scheint die amerikanische Währung in der Tat am wenigsten von den gegenwärtigen Schwierigkeiten tangiert zu werden. 

Allem Anschein nach wird der USD tatsächlich als den offensichtlich sicheren Hafen wahrgenommen.


US-Dollars absolute Herrschaft seit Jahresbeginn unter G10 Ländern, Graph: Mike Mackenzie, FT, Febr 11, 2020 

Denn über die fundamentalen Gründe hinaus gibt es auch den technischen Aspekt, dass der EURO inzwischen zu einer hoch attraktiven Währung für die Finanzierung von Carry Trades geworden ist.


Export-Anteile am BIP nach China und Asien (EM; emerging markets), Graph: John Authers, Bloomberg Opinion, Febr 11, 2020


Es geht bei Carry Trades darum, dass die Spekulanten einen Kredit in einer Währung mit niedrigen Zinssätzen aufnehmen und das geborgte Geld in einer Währung mit höheren Zinssätzen anlegen, um die Differenz einzusacken, genannt „carry“.


Devisenhändler nehmen für „carry trades“ EUR Kredit auf, Graph: John Authers, Bloomberg Opinion, Febr 11, 2020


Wenn von „carry trades“ die Rede ist, kommt einem automatisch der japanische Yen (JPY) in den Sinn, der traditionell als Refinanzierungswährung für spekulative Wetten eingesetzt wird.

Jetzt aber funktioniert der EUR mit negativen Zinssätzen offensichtlich noch besser als der JPY. Authers nennt dabei ein konkretes Beispiel. In den letzten fünf Jahren war der EUR eine weitaus rentablere Finanzierungswährung für diejenigen, die das geliehene Geld in mexikanischen Pesos „parken“ wollten. 

Wenn eine Währung für die Finanzierung von Carry-Trades populär wird, gerät sie gewöhnlich unter Abwärtsdruck.

Vor diesem Hintergrund erscheint der USD aus Sicht der Devisenhändler sehr attraktiv, zumal US-Treasury Bonds mehr Zinsen anbieten als German Bunds.

Doch der Rendite-Spread zwischen den amerikanischen und deutschen Staatsanleihen mit vergleichbaren Laufzeiten ist in den vergangenen Monaten geschrumpft, wie man der folgenden Abbildung entnehmen kann.


Der Rendite-Spread zwischen US-Treasury Bonds and German Bunds, Graph: John Authers, Bloomberg Opinion, Febr 11, 2020 

Da es sich dabei um einen entscheidenden Faktor für den Wechselkurs handelt, wäre zu erwarten gewesen, dass die abnehmende Rendite-Differenz zu Lasten des US-Dollar ausgelegt worden wäre. 

Denn die Währung mit höheren Zinssätzen müsste theoretisch zur Schwäche neigen. Doch es kam anderes als gedacht. Obwohl die Rendite-Differenz zwischen dem USD und dem EUR seit Ende 2018 abnahm, hat sich der USD weiter gestärkt, sprich: aufgewertet.

Bemerkenswert ist, dass die US Notenbank nach Angaben der Fed Funds Futures mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% die Zinsen mindestens einmal dieses Jahr senken wird, während die EZB stillsteht.

Was zudem auffällt, ist, dass die USD-Stärke zugleich auch im direkten Widerspruch zu dem Druck, der von den Anleihenmärkten herkommt, steht.

Die amerikanische Zinsstrukturkurve (yield curve) flirtet nämlich erneut mit einer breit angelegten Inversion, was wiederum die Angst der Wall Street vor dem weiteren Verlauf der US-Wirtschaft wiederaufleben lässt.

Es gibt in diesem Zusammenhang eine weitere Vorstellung, die angesichts der zunehmenden Bedrohung durch das Coronavirus durchaus Sinn macht, wie Bloomberg berichtet: Das Signal könnte mehr über den Zustand der Weltwirtschaft aussagen als über den US-Konjunkturzyklus.

Schliesslich machen die US-Treasury Bonds inzwischen mehr als die Hälfte der sicheren Geldanlagen (haven assets) weltweit aus. Und der Anteil hat sich sogar seit der GFC 2008-2009 verdoppelt.

Das erschwert alles, wenn der Rendite-Unterschied (yield spread) zwischen den langfristigen und kurzfristigen Anlagen umkehrt (invertiert). 


UST Zinsstruktur-Kurve (3m10y), Graph: Bloomberg, Febr 11, 2020


Die US-Zinsstrukturkurve, die bisher als einen verlässlichen Rezessionsindikator für die US-Wirtschaft betrachtet wurde, scheint sich heute als Barometer für das Verhalten der Investoren, die weltweit nach Deckung suchen, zu erweisen.

Das heisst im Klartext, dass die Inversion der Zinskurve im aktuellen Umfeld der Wirtschaft globale Wachstumsprobleme reflektiert und nicht wirklich das widerspiegelt, was in den USA vor sich geht.

Wenn die Rendite einer Staatsanleihe mit 10 Jahren Laufzeit niedriger ist als die einer mit 3 Monaten Laufzeit, deutet dies darauf hin, dass die Anleger in einem Jahrzehnt ein pessimistisches Bild von Wachstum (schwach) und Inflation (niedrig) haben.

Morgan Stanley erinnert die Anleger daran, dass die finanziellen Vermögenswerte in diesem Zyklus jährlich um 15%+ gestiegen sind, während die Wirtschaft nominal um etwa 4% und inflationsbereinigt um 2,2% gewachsen ist.


Chicago Fed National Financial Conditions Index, Graph: Morgan Stanley, Febr 10, 2020

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