Sonntag, 25. März 2018

„Handelskrieg“ und Europas sektorale Finanzierungssalden


US Präsident Donald Trump hat zunächst Zölle auf Stahl- und Aluminium-Produkte angedroht und dann weitere Aktionen v.a. gegen China angekündigt.

Obwohl die Mainstream-Medien vor diesem Hintergrund von einem bevorstehenden „Handelskrieg“ reden, geht es in erster Linie nicht um den Handel per se, sondern um die Grössenordnung von Defiziten und Überschüssen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Während die US-Wirtschaft seit Jahren anhaltend hohe Defizite im Aussenhandel aufweist, präsentiert Europa Überschüsse. 

Und die Wirtschaftspolitik der EU ist allem Anschein nach daran orientiert, Überschüsse weiter auszubauen. 

Denn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt keine Gelegenheit aus, dem Rest der EU nahezulegen, hart daran zu arbeiten, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, nach dem Motto „If we can do it, why can’t you?“.

Und wie wir wissen, ist Wettbewerbsfähigkeit ein relatives Konzept ist, sodass der Gewinn des einen der Verlust des anderen ist.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie es um die sektoralen Finanzierungssalden (Ersparnisse minus Investitionen) bestellt ist. 

In der deutschen Wirtschaft, die ja Europas grösste Volkswirtschaft ist, haben die privaten Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand einen positiven Saldo. Das heisst, dass sie viel mehr sparen als sie ausgeben.


Die Sektorbilanzen (Finanzierungssaldos) der deutschen Wirtschaft, private Haushalte, Unternehmen und der Staat sind im Plus, während einzig das Ausland im Defizit ist, Graph: Bundesbank Monatsbericht März 2018


Damit aber die Rechnung aufgeht, muss sich ein Sektor verschulden, weil die Wirtschaft sonst kollabiert. Das ist das Ausland. Siehe da: Die USA weisen ein Leistungsbilanz-Defizit auf, d.h., dass sie Netto-Ersparnisse des Auslandes absorbieren. Wohlgemerkt; die Schulden des einen sind die Ersparnisse des anderen. Jeder gesparte Cent des einen ist die Verbindlichkeit des anderen. Und für Investitionen sind keine Ersparnisse erforderlich.

Inzwischen ist der gesamte Unternehmenssektor im Euroraum Netto-Sparer geworden, wie in den von der Deutschen Bundesbank am Mittwoch veröffentlichten anschaulichen Abbildungen deutlich zu sehen ist. 

Das permanente Defizit im Aussenhandel ist daher der Ausgangspunkt des amerikanischen Standpunktes. Die USA und der Euro-Raum befinden sich in unterschiedlichen Situationen. Ein Leistungsbilanzüberschuss bedeutet, dass ein Land seine Arbeitslosigkeit exportiert.


Netto-Ersparnis der nichtfinanziellen Unternehmen in Deutschland, Graph: Bundesbank Monatsbericht März 2018


„Die deutschen nicht-finanziellen Unternehmen treten in ihrer Gesamtheit seit mehr als einem Jahrzehnt als Nettokreditgeber auf“, bemerkt die Deutsche Bundesbank im Monatsbericht März 2018.

Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die deutschen Unternehmen sind seit mehr als 10 Jahren Netto-Sparer

Was nicht überraschen kann, ist der Beitrag dieser Entwicklung zum Aufbau des hohen deutschen Leistungsbilanzüberschusses.

Der Finanzierungssaldo der deutschen Wirtschaft gegenüber der übrigen Welt ist seit Beginn der letzten Dekade stark angestiegen: Seit 2011 im Durchschnitt über 6% des BIP, wie die Deutsche Bundesbank weiter unterstreicht.

Unternehmensersparnis ist aber nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern mittlerweile auch ein europäisches, da Berlin und Brüssel dem Rest der EU mit „fiscal compact“, „debt break“ und „balanced structural budget“ unumwunden „Gürtel-enger-schnallen“-Politik verordnen.

Wichtig ist, sich die nonchalante Betonung der Verfasser des Monatsberichtes zu vergegenwärtigen: die seit dem Jahr 1999 trendmässig gestiegene Ersparnis der Unternehmen in Deutschland ist zum grössten Teil auf den abnehmenden Beitrag der Arbeitnehmerentgelte zurückzuführen.

Gemeint ist die in Deutschland vorherrschende Lohnzurückhaltung

Die Deutsche Bundesbank wird aber dann deutlich und hält fest, dass „sich die Lohnmoderation in Deutschland deutlich in einem rückläufigen Beitrag der Arbeitnehmerentgelte zu den Aufwendungen niederschlug“.

Das bedeutet im Klartext, dass es der deutschen Wirtschaft an Nachfrage mangelt. Denn wenn der Lohn nicht stimmt, verläuft die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schleppend. Warum sollen die Unternehmen investieren, wenn es keine Nachfrage nach ihren Waren und Dienstleistungen gibt.

Fazit: Der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank bekräftigt die Ansicht, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss in dieser Grössenordnung im Wesentlichen auf die Lohnmoderation zurückzuführen ist und die von der EU verfolgte neo-merkantilistische Wirtschaftskonzeption ein Fehlschlag bedeutet. 

Weiter kann aus den Ausführungen der Deutschen Bundesbank geschlossen werden, dass die exportorientierte Wirtschaftspolitik auch für das niedrige Zinsniveau verantwortlich ist. Der Vorwurf an die EZB, mit der ultra-lockeren Geldpolitik, die Zinsen „künstlichniedrig zu halten, und damit die Sparer vor den Kopf zu stossen, ist daher absurd.


Die deutsche Wirtschaft spart zu viel und investiert zu wenig, Graph: Bundesbank Monatsbericht März 2018


PS: Eswar Prasad hebt in einem aktuellen Gespräch mit Brookings Institution hervor, dass die Handelsdefizite eines Landes nicht so sehr von der Handelspolitik bestimmt werden, sondern von makroökonomischen Massnahmen, die dazu beitragen, wie viel die Wirtschaft eines Landes spart und investiert.

Exkurs

Die Nettoersparnis des Unternehmenssektors wird als einbehaltende Gewinne nah Abzug von Steuern und Hinzurechnung von Nettotransfers definiert. Bei der Bruttoersparnis werden zusätzlich noch Abschreibungen hinzugezählt (Quelle: Deutsche Bundesbank, März 2018).






Keine Kommentare: