Eine nachfrageorientierte Konjunkturpolitik spielt in Deutschland seit dem Ende der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982 keine Rolle mehr, schreibt die SZ.
Die populäre Ansicht, dass Konjunkturprogramme (*) unwirksam seien, muss inzwischen als widerlegt gelten, so der Bericht weiter.
Die SZ deutet dabei v.a. auf eine neue Studie (Fiscal Stimulus and Fiscal Sustainability) von Alan Auerbach und Yuriy Gorodnichenko von August 2017 hin.
Die beiden Verfasser des Papers vertreten die Ansicht, dass eine fiskalische Stimulierung dazu beitragen kann, Rezessionen zu bekämpfen.
Wenn aber die beiden Autoren die Frage untersuchen, ob es einen fiskalischen Spielraum zur Bekämpfung einer Rezession gibt, bleiben sie dem ökonomischen Mainstream-Denken verhaftet, wie Günther Grunert in einem lesenswerten Eintrag im Blog Makroskop kritisch dazu bemerkt.
Denn es kommt laut Autoren auf die finanziellen Ressourcen an. Grunert hingegen sagt, dass der Staat, der seine eigene, souveräne Währung emittiert, keinerlei Beschränkungen finanzieller Art unterliegt.
Fiscal Stimulus, Paper, Graph: Alan Auerbach und Yuriy Gorodnichenko in: Fiscal Stimulus and Fiscal Sustainability, August 2017.
Deshalb hat das gegenwärtige Niveau der Staatsverschuldung keinen Einfluss auf seine Fähigkeit, in der Zukunft Ausgaben zu tätigen: Fiscal Stimulus funktioniert in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft und kann sogar die fiskalische Tragfähigkeit verbessern.
Entscheidend ist die Verfügbarkeit realer Ressourcen, so Grunert. Solange reale Ressourcen vorhanden sind, kann der Staat sie erwerben und einer produktive Verwendung zuführen.
Was dabei zu vermeiden ist aber, dass die nominalen Ausgaben das Wachstum der wirtschaftlichen Produktivitätskapazität nicht übersteigen, weil sonst Inflation droht.
Wichtig ist, im Auge zu behalten, dass in der neoliberalen Wirtschaftskonzeption in Sachen „fiskalischer Spielraum“ fälschlicherweise angenommen wird, dass dem Staat „das Geld ausgehen“ kann.
Als Fazit hält Grunert fest, dass der Staat mit einer souveränen Währung über unbegrenzte finanzielle Ressourcen verfügt, aber sie nur nutzen kann, „wenn entsprechende reale Ressourcen zum Verkauf in dieser Währung vorhanden sind“.
Das Problem mit der Fiskalpolitik ist, dass wir selten so etwas beobachten, das wie ein kontrolliertes Experiment aussieht, erklärt Paul Krugman in einem Video-Beitrag von voxeu.
Da Fiskalpolitik im Wesentlichen auf Ereignisse reagiert, wird damit laut Krugman eher die Reaktion als die Ursache gemessen. Der Austeritätswahn in der Eurozone bringt uns aber einem kontrollierten Experiment näher.
Wir haben gemäss dem keynesianischen Modell einen Multiplikatoreffekt von rund 1,5. Wenn Ereignisse passieren, zeigt die Regressionsanalyse, dass sich der Multiplikator tatsächlich auf 1,5 beläuft. Die Sicht, dass die Fiskalpolitik so oder so keine Rolle spielt, wurde daher längst widerlegt. Auerbach und Gorodnichenko bieten dabei nichts Neues an.
M.a.W. waren die Krise und die Folgen nicht so unverständlich wie öfters der Eindruck vermittelt wird: Die Sicht der „Liquiditätsfalle“ hat Recht gehabt. Die monetaristische Sicht hat völlig versagt. Der Anstieg (**) der Notenbankgeldmenge (monetary base) aufgrund der unkonventionellen Massnahmen an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) hat keine Inflation ausgelöst.
(*) Treasury View ist die Ansicht, dass erhöhte Staatsausgaben die Wirtschaft nicht ankurbeln können und Einschnitte bei Staatsausgaben keinen Schaden anrichten können.
(**) In der Schweiz ist die Notenbankgeldmenge nach der Finanzkrise von 2008 um das 10-fache gestiegen. Die Inflation ist nicht durch die Decke geschossen. Ganz im Gegenteil: Die SNB hat nach Kräften viel unternehmen müssen, um die Deflation zu bekämpfen. Und das Problem ist noch heute nicht ganz verschwunden. Der BIP-Deflator in der Schweiz ist negativ.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen