Dienstag, 21. November 2017

Es gibt kein Inflationsrätsel – weder in den USA noch in Europa


Mario Draghi hat an Montag in seinem Referat in Brüssel gesagt, dass der zugrundeliegende Inflationsdruck in Europa nach wie vor verhalten ist, da die Schwäche im Arbeitsmarkt noch immer anhält.

Der Rückgang der Arbeitslosenquote, die wir in den vergangenen Monaten beobachtet haben, brauche laut EZB-Präsident noch Zeit, sich in ein dynamischeres Lohnwachstum umsetzen zu lassen.

M.a.W. ist die Inflation niedrig, weil die Löhne niedrig sind. Was wir dabei aber auch nicht vergessen dürfen, ist die Tatsache, dass die Unterbeschäftigung im Euroraum mit 18% doppelt so hoch ist wie die offizielle Arbeitslosenquote.

Das bedeutet im Grunde genommen, dass die Wirtschaft unterhalb des Potenzialwachstums läuft: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist geringer als der potenzielle Output. 

Wenn das tatsächliche Wirtschaftswachstum geringer ist als das potenzielle Wirtschaftswachstum, bleibt ein Teil der Produktivitätskapazität ungenutzt, was wiederum durch brachliegendes Kapital (Investitionslücke) und die hohe Unterbeschäftigung reflektiert wird.


US Phillips Kurve mit Niedrig- und Hoch-Inflation, Graph: Joseph E. Gagnon, PIIE, Nov 17, 2017.


Wenn die Wirtschaft über dem Potenzial läuft, steigt die Inflation und wenn die Wirtschaft unter dem Potenzial läuft, sinkt die Inflation, schreibt Joseph E. Gagnon in einem Blog-Eintrag im Zusammenhang mit Phillips Kurve.

Im linken Panel der Abbildung gibt es einige Hinweise auf eine positive Beziehung (zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit), wenn die Wirtschaft über dem „potenziellen Niveau der Beschäftigung“ ist, wobei die Beobachtungen in der Anzahl wenig sind, so Gagnon.

Was aber klar ist, dass die positive Steigung verschwindet, wenn die Wirtschaft „unter der potenziellen Beschäftigung“ läuft, wegen der abwärtsgerichteten Lohn- und Preisrigidität, unterstreicht Gagnon als Schlussfolgerung.


Preisentwicklung und Lohnstückkosten (unit labor costs) in Deutschland, Graph: Makroskop, Nov 16, 2017.


Im Euroraum ist als Fazit festzuhalten, dass Disinflation und Lohnmoderation angesichts des von Berlin geförderten merkantilistischen Exportüberschuss-Ansatzes („If we can do it, why can’t you?“) unvermeidbar sind.

Setzen Brüssel und Berlin weiter auf Haushaltskonsolidierung und Fiscal Austerity, ist zu fragen, wie die Nachfrageschwäche sich überwinden lässt?

Wer soll die hergestellten Güter kaufen, wenn die Löhne so niedrig sind? Und woher soll dann die Inflation, die ja weitgehend durch die Entwicklung der Lohnstückkosten bestimmt wird, kommen?



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