Donnerstag, 14. Oktober 2010

Wer verursacht „Währungskriege“?

Die Welt steht am Rande einer bösen Auseinandersetzung über die Wechselkurse, welche auf die Handelspolitik überzugreifen droht, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Who Caused the Currency War?“) in Project Syndicate. Amerika flirtet mit Protektionismus. Brasilien, Thailand und Südkorea stellen Überlegungen über die Erinführung von Kapitalkontrollen an.  Die öffentliche Unterstützung für die wirtschaftliche Globalisierung wird beeinträchtigt: Anti-Ausländer-Stimmung steigt fast überall. Der ehem. Chefökonom des IWF hebt dabei drei Aspekte hervor: (1) Nach konventioneller Sicht betrifft China die Hauptschuld. Die Schwere der heutigen Situation ist aber in erster Linie auf Europas Weigerung, die globale wirtschaftliche Governance zu reformieren, zurückzuführen, welche sich durch anhaltende politische Misswirtschaft und Selbstbetrug in den USA verschärft hat, erklärt Johnson. China trägt sicherlich eine gewisse Verantwortung.


China’s Fremdwährungsreserven, Graph: Bloomberg.com


Aber (2) der IWF müsste auf Länder mit unterbewerteten Währungen Druck ausüben, ihre Währungen aufwerten zu lassen. Die Realität ist jedoch, dass der IWF keine Macht über China (oder einem anderen Land mit Leistungsbilanzüberschuss) hat, hält Johnson fest. Leider ist der IWF mehr als schuldig. IWF’s Umgang mit der Finanzkrise in Asien in den Jahren 1997-98 hat Schwellenländer mit mittlerem Einkommen vergrämt. Und sie glauben immer noch, dass der IWF ihre Interessen nicht vertritt. Hier spielen die Westeuropäer eine wichtige Rolle, hebt der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor hervor. Weil sie im IWF-Vorstand überrepräsentiert sind und sich trotz aller Bitten, sich weigern, Sitze an Schwellenländer zu vergeben. Als Ergebnis versuchen Schwellenländer, sicherzustellen, dass sie benötigte finanzielle Hilfe durch den IWF vermeiden, indem sie zunehmend China’s Führung folgen, dass auch sie Leistungbilanzsüberschüsse erwirtschaften. (3) Eine grosse Verantwortung für die heutigen globalen Gefahren lastet ferner auf den USA, argumentiert Johnson weiter, und zwar aus drei Gründen: (a) Die meisten Schwellenländer fühlen sich unter Druck, ihre Währungen durch die wachsenden Kapitalzuflüsse aufwerten zu lassen. (b) Die USA weisen in den vergangenen 10 Jahren ein rekordhohes Leistungsbilanzdefizit auf, weil die politische Elite in den USA mit übermässigem Konsum recht gut zurechtkam. Diese Defizite erleichtern die Überschüsse in den Schwellenländern, wie z.B. in China. Denn der internationale Handel ist ein Nullsummenspiel. Weist ein Land Defizit auf, hat das andere einen Überschuss. (c) Der Netto-Kapitalfluss von den Schwellenländern in die USA bedeutet, dass die Schwellenländer einen Überschuss und die USA ein Defizit in der Leistungsbilanz aufweisen. Der Kapitalfluss aus Schwellenländern in die Schwellenländer wird aber durch die Grossbanken staatlich gestützt, sowohl in den USA als auch in Europa. Aus Sicht der internationalen Investoren sind Banken, die als TBTF gelten, die perfekten Orte, um die Reserven zu parken, solange der Staat solvent bleibt. Was machen aber die Banken mit diesen Mitteln? Die Banken haben in den 1970er Jahren die Überschüsse aus sog. „recycling of oil“ in Lateinamerika, Polen und Rumänien als Darlehen weitergereicht. Die Folge: Die Schuldenkrise von 1982. Nun erleben wir etwas Ähnliches, erklärt Johnson, und zwar in einem grösseren Massstab. Die Banken und andere Finanzinstitute haben allen Grund, die Risiken abzuwälzen. Bei Zahl gewinnen Banken. Bei Kopf verlieren Steuerzahler.

Fazit: Das grosse Problem ist, dass das weltweite Finanzsystem im Kern instabil geworden ist. Die rücksichtslose Risikobereitschaft führt zu grossen Kollateralschäden, fasst Johnson zusammen.

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