Prof. Dr. Sven Reinecke ist Dozent für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen (HSG) und Leiter des Kompetenzzentrums "Marketing Performance Management" am dortigen Institut für Marketing und Handel
Die Bahnhofstrasse blutet. Anleger sind wie traumatisiert. Sparer kommen sich verloren vor. Kundenzufriedenheit ist abhanden gekommen. Was lief in der Finanzbranche falsch?
Kundenzufriedenheit bedeutet, dass die Kundenerwartungen aus Sicht der Kunden deutlich übertroffen werden. Ein Problem ist sicherlich das Erwartungsmanagement - eine sichere Eigenkapitalrendite von 25 % ist einfach langfristig nicht realistisch. Ein "Overpromising" rächt sich immer dann, wenn die Ergebnisse überprüft werden können. Im Gegensatz beispielsweise zu Vertrauensleistungen wie bei Anwälten und Ärzten lässt sich ein Finanzergebnis überprüfen. Interessant ist aus Marketingsicht, dass Kunden sich - trotz aller Anstrengungen - nicht wirklich binden lassen, wie das Beispiel UBS zeigt.
Welches Marketing-Rettungspaket würden Sie vorschlagen?
Das wichtigste ist eine solide Grundleistung. Damit kann das Vertrauen in die Finanzmärkte allmählich wieder aufgebaut werden. Bis das Markenvertrauen in gewisse Grossbanken aber wieder aufgebaut ist, das wird noch Jahrzehnte dauern - leider.
Warum gibt es im Bankensektor einen Zielkonflikt zwischen Entschädigungspolitik (Bonus) und Öffentlichkeitsarbeit (PR)?
Ein Grundproblem ist, dass im Private Banking die Kunden eher Beziehungen zu den Anlageberater als zu den Banken aufgebaut haben. Persönliche Beziehungen sind viel stärker als jene zu anonymen Organisationen. Um die besten Kunden zu binden, versucht man daher, die besten Mitarbeiter zu halten, unter anderem mit Boni. Als "ungerechtfertigte Boni" wahrgenommene Vergütungen wirken sich heutzutage wiederum negativ auf die Reputation aus. Ob allerdings die Gewährung von Boni sich tatsächlich auf das Kundenverhalten auswirkt, kann ich nicht abschätzen - dies müsste man empirisch untersuchen.
Vielen Dank.
Prof. Dr. Sven Reinecke ist Dozent für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen (HSG) und Leiter des Kompetenzzentrums "Marketing Performance Management" am dortigen Institut für Marketing und Handel.
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