Samstag, 8. Dezember 2018

The Lies We Were Told


Buchbesprechung:

Simon Wren-Lewis: The Lies We Were Told – Politics, Economics, Austerity and Brexit, Bristol University Press, UK, October 2018.

Der schlechte Standard der öffentlichen Debatte über die Sparpolitik (fiscal austerity) war ein Hauptmotiv, weshalb Simon Wren-Lewis Ende 2011 angefangen hat, zu bloggen, wie er selbst erklärt.

Was er damit meint, ist die einseitige und unausgewogene Berichterstattung in den Mainstream-Medien über fundamentale makroökonomische Zusammenhänge.

Dafür prägt der britische Ökonom den Begriff „Mediamacro“. Die „Mediamacro“ spricht beispielsweise von einer „boomenden Wirtschaft“, während die Wirtschaft im historischen Vergleich eine ausserordentlich schwache Phase durchläuft. 

Ferner stellt die „Mediamacro“ Haushaltsdefizite stets in den Mittelpunkt, anstelle von Lebensstandards von Menschen. Die Frage zum Beispiel, warum Haushaltsdefizite ein wichtigeres Problem darstellen sollen als Massenarbeitslosigkeit, bleibt unbeantwortet.

Die Mediamacro war beispielsweise der entscheidende Faktor hinter dem Erfolg der konservativen Partei in Grossbritannien, v.a. was die Wahl von 2015 betrifft.


Keiner der von Experten in seinem Bereich verwendeten ökonomischen Modelle stützen die wirtschaftspolitischen Massnahmen der Gegenwart, argumentiert Wren-Lewis. 

Fachkenntnisse und Wissen finden weder bei den Entscheidungsträgern noch bei den Medien Gehör, klagt er weiter. Sein Anliegen ist deshalb, den „Micro-Macro“-Kontext so darzustellen, dass die meisten seiner Blog-Beiträge auch von Nicht-Ökonomen gelesen werden.

Der emeritierte Wirtschaftsprofessor an der Universität Oxford erläutert mit Nachdruck insbesondere, warum wir uns über Haushaltsdefizite keine Sorgen zu machen brauchen, wenn die Wirtschaft in einer Rezession steckt.

Es ist Econ 101, so der Autor, dass die Annahme, dass der Einsatz der Fiskalpolitik in einer Wirtschaft in Liquiditätsfalle nicht erforderlich ist, falsch ist. Die Volkswirtschaftslehre zeigt uns, dass Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen kurzfristig das Wirtschaftswachstum reduzieren.

Es gibt keine theoretische Plausibilität und keinen empirischen Beweis dafür, dass „expansionary austerity“ funktioniert. Fiscal Austerity verringert das Wachstum fast sicher. Period.

Fiskalische Austerität ist immer ein Glücksspiel, dass die Wirtschaft stark genug sei, um die negativen Auswirkungen von Ausgabenkürzungen wegzustecken. Das ist aber ein Unding.

Ziel ist es, die Grösse des Staates dauerhaft zu reduzieren, unterstreicht Wren-Lewis wiederholt. Das „Schuldenproblem“ werde von vielen auf der rechten Seite des politischen Spektrums als „nützliche Deckung“ verwendet, um den öffentlichen Sektor zurückzudrängen bzw. zu verkleinern. 

Der Glaube, dass das Angebot seine eigene Nachfrage schaffe, ist offensichtlich falsch. Dass fiscal austerity Vertrauen stärke, ist zudem zirkuläres Argument.

Es war die Krise der Eurozone, die es dem ordo-liberalen deutschen Einfluss ermöglichte, einen rigorosen Sparkurs in der Eurozone durchzusetzen. Die im Anschluss erfolgte zweite Rezession ist auch darauf zurückzuführen, legt Wren-Lewis dar. 

Fazit: Die GFC (global financial crisis) war ohne Zweifel ein sehr wichtiges Ereignis an sich. Aber sie hätte sicherlich nicht zu fiscal austerity führen müssen.

Kreditaufnahme ist kein derber Ausdruck, wenn es v.a. um lebenswichtige Investitionen geht. Schuldenaufnahme für Investitionen zeigt, dass man in Bezug auf die Zukunft optimistisch und bereitwillig ist, Dinge zu verbessern. 

Es bedeutet, der Realwirtschaft, Jobs und Löhnen den Vorrang vor einer Besessenheit mit der Staatsverschuldung zu geben. Mit praktisch Null-Zinsen ist es der pure Wahnsinn, nicht beträchtliche Investitionen zu tätigen.

Ein mit intellektueller Redlichkeit geschriebenes, erfrischendes Buch, kurz und bündig, unbedingt lesenswert.


Simon Wren-Lewis: The Lies We Were Told, Bristol University Press, Oct 2018




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