Samstag, 14. April 2018

Europas Spardiktat lastet auch auf dem Aktienmarkt


Das ist eine bemerkenswerte Abbildung, die zeigt, dass Europa die einzige Region ist, in der EPS (Gewinn je Aktie) nicht annähernd ein Allzeithoch erreicht hat und derzeit 20% niedriger liegt als vor 10 Jahren.

Worauf ist die Entwicklung zurückzuführen?

Die Antwort ist offensichtlich: fiscal austerity, der fiskalpolitische Sparkurs, und zwar in diversen Formen wie „fiscal compact“ „balanced structural budget“, „debt brake“ (Schuldenbremse) und „schwarze Null“-Politik.

So lässt sich auch die anhaltende Stagnation in Europa erklären. 

Es fehlt an Nachfrage. Aber die EU-Behörden sehen lediglich Strukturfehler und schlagen Strukturreformen vor, d.h. Massnahmen auf der Angebotsseite.

Was die EMU im Grunde genommen fordert, ist, dass alle Mitgliedsstaaten ihrer Produktivität entsprechend leben, d.h. weder über ihre Verhältnisse noch unter ihren Verhältnissen.

Deswegen gilt es, das gemeinsam festgestellte und von der EZB angestrebte Inflationsziel von rund 2 Prozent, einzuhalten.


Gewinn je Aktie (EPS) in Europa, Graph: Morgan Stanley


Es ist zugleich ein offenes Geheimnis, dass alle im Euroraum versuchen zu sparen: nicht nur die privaten Haushalte, sondern mittlerweile auch die Unternehmen. Und die öffentliche Hand; der Staat macht ja schwarze Null.

Der Punkt ist, für die Ersparnisse Schuldner zu finden. Sonst gehen die Ersparnisse sozusagen verloren. Die deutsche Lösung ist, dass das Ausland sich verschuldet.

Was aber nicht geht, ist, dass manche Länder über Jahre hinweg Überschüsse erzielen, während andere Ländern über Jahre hinweg Defizite erwirtschaften.

Sonst kommt es zu einem „Handelskrieg“, womit die Brisanz der gegenwärtigen Debatte auf beiden Seiten des Atlantiks angeschnitten wäre.

Wer unter seinen Verhältnissen lebt, hält die Löhne niedrig, um einen Preisvorteil gegenüber anderen Staaten zu erzielen.

Die anhaltende Lohnschwäche ist eines der wichtigsten Merkmale der Wirtschaft. Die trostlose Entwicklung des Lebensstandards und die Unzufriedenheit der Öffentlichkeit für das System erklären sich damit. 

Und das ist auch für die Geldpolitik entscheidend, da der rasche Anstieg der Gehälter der beste Indikator für die zukünftige Inflation ist, wie Chris Giles in einem lesenswerten Artikel ("Why weak wage growth matters for the monetary policy") bei FT in Erinnerung ruft. 

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die EZB hinter den meisten anderen Zentralbanken zurückbleibt, wenn es darum geht, mit der Normalisierung (Straffung) der Geldpolitik zu beginnen.

Die Future-Märkte preisen die erste Zinserhöhung durch die EZB erst Mitte 2019 ein.


Enttäuschende Hard- und Soft-Data im Euroraum, Graph: PictetWM, Apr 13, 2018


Wenn wir die aktuelle Kluft zwischen dem nominalen BIP-Wachstum und der Anleiherenditen vergleichen, deutet dies darauf hin, dass die EZB wohl die expansivste geldpolitische Ausrichtung einer Zentralbank betreibt, bemerken Volkswirte von Morgan Stanley in einer am Freitag vorgelegten Analyse. 


Die EZB bleibt hinter den meisten anderen Zentralbanken zurück, was die Normalisierung der Geldpolitik betrifft, Graph: Morgan Stanley


Wenn alle Haushalte ihre Ausgaben kürzen, sinkt der gesamtwirtschaftliche Verbrauch und damit auch die Nachfrage nach Arbeitskräften.

Es ist ein Trugschluss, Staaten wie Haushalte oder Unternehmen zu betrachten, als ob sie mit gleichen Budget-Beschränkungen konfrontiert wären. 

Staaten kommen durch die Ausgabe von Anleihen an das benötigte Geld. Wenn alle Länder gleichzeitig auf fiscal austerity setzen, geht es allen schlechter.

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