Buchbesprechung
Mervyn King: Das Ende der Alchemie – Banken, Geld und die Zukunft der Weltwirtschaft, FinanzBuch Verlag, München, 2017
Die modernen Zentralbanken in den grössten Volkswirtschaften der Welt bieten seit 2008 die grössten geldpolitischen Anreize, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln. Aber die Erholung der Wirtschaft entwickelt sich schleppend.
Warum? Welche Faktoren sind es, die so eine hartnäckige Phase mit niedriger Nachfrage und schwachen Wachstum hervorrufen? Mervyn King sucht mit diesem Buch eine Antwort darauf.
Diagnosen unter Verwendung von Begriffen wie „Bilanzrezession“ und „säkulare Stagnation“ beschreiben nur Symptome, aber keine Ursachen, schreibt King von Anfang an:
„Dass die Weltwirtschaft so schwer wieder zu beleben ist, ist die Folge desselben Ungleichgewichts, das der Krise zugrunde lag“, so der Autor.
Mit Ungleichgewicht beschreibt der ehemalige BoE-Chef die signifikanten Unterschiede z.B. in den Handelsbilanzen: hier die hohen Überschüsse, dort die hohen Defizite. Oder die Unterschiede in Sachen Ausgaben zwischen den Ländern: hier auf einem untragbar hohen Niveau, dort auf einem untragbar niedrigen Niveau.
Die Ungleichgewichte entstehen, weil die privaten Haushalte und die Politik sich bei Entscheidungen in Bezug auf den Konsum und die Investitionen von der „Stabilitätsheuristik“ lenken lassen und damit dazu beitragen, dass die Balance zwischen Ausgaben und Ersparnisse gestört und das Niveau der Vermögenspreise verzerrt wird, erklärt King.
Die zwei Lehrmeinungen, die keynesianische und die neoklassische haben seiner Ansicht nach beide Vor- und Nachteile. Der gemeinsame Schwachpunkt sei, dass sie sich mit dem Wirtschaftsmodell der „Sachen“ beschäftigen: sie fokussieren sich auf die „Gesamtausgaben (Gesamtnachfrage), statt dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es die Vielfalt der Dinge ist, die Haushalte kaufen können, die Probleme bei der Koordination der Ausgabenplanung in der Wirtschaft aufwirft“.
Ein Stichwort, das King oft vorträgt, lautet „radikale Ungewissheit“ („alles Mögliche kann passieren“). Es bedeutet, dass viele der Märkte, auf denen sich die Preise bewegen können, um ins Gleichgewicht zu kommen, schlicht nicht existieren.
Jede Krise verläuft nach ihrem eigenen Muster. Keine gleicht der anderen. Auch ihre Ursachen unterscheiden sich, betont King mit Nachdruck. Die Fragilität des Bankensystems habe zum Ausbruch der Finanzkrise von 2008 zweifelsohne beigetragen. Aber der Auslöser sei das gewaltige makroökonomische Ungleichgewicht.
Die Verschuldung ist die Folge, nicht die Ursache der Probleme, die zur Krise führten, fügt der Autor im selben Atem hinzu. Die eigentlichen Ursachen für den Anstieg der Verschuldung waren seiner Meinung nach die „Ersparnisschwemme“ und die Reaktionen westlicher Zentralbanken darauf, die einen Rückgang der Realzinsen zur Folge hatten.
King kann sich alles in Allem mit einer aktiven Stabilitätspolitik nicht anfreunden. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass er die meisten Ideen von Keynes und Minsky entschieden zurückweist, obwohl er Keynes des Öfteren zitiert.
Seine Begründung: weil man damit Gefahr laufe, mit geld- und fiskalpolitischen Anreizen, das der Krise vorausgegangenen Ungleichgewicht wiederherstellen zu wollen, obwohl eine Entwicklung hin zu einem neuen Gleichgewicht erforderlich sei.
Bemerkenswert ist, dass der Autor sich dabei auf die Selbstheilungskräfte der Märkte verlässt. „Kurzfristig heizen keynesianische Anreize den Konsum an. Doch langfristig muss die Politik in den USA und im Vereinigten Königreich eine Abkehr von Ausgaben im Inland und eine Hinwendung zum Export bewirken“, so das Fazit des Autors.
Mervyn King war von 2003 bis 2013 Gouverneur der Bank of England (BoE) und ist derzeit Professor für Wirtschaft und Recht an der New York University und Professor für Wirtschaft an der London School of Economics.
In diesem Buch liefert er im Allgemeinen eine Reihe lesenswerte Inputs in Sachen Geldwesen in ideengeschichtlicher Hinsicht.
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