Donnerstag, 19. März 2015

Wirtschaftspolitische Konzeption hinter den Niedrigzinsen

Martin Wolf geht in seiner Kolumne („Strong currents that keep interest rates down“) am Dienstag in FT auf das Phänomen der Niedrigzinsen ein.

Die ultra-niedrigen Zinsen sind nicht ein Komplott der Zentralbanken, sondern eine Folge der kontraktiven Kräfte in der Weltwirtschaft, schreibt Chef-Kommentator der Financial Times aus London.

Diejenigen, die auf einen Anstieg der Zinsen wetten und einen ungeordenten Rückzug aus den Anleihemärkten erwarten, werden bitter enttäuscht sein. Denn die historisch niedrigen Zinsen dürften noch eine ganze Weile bestehen bleiben, so Wolf.

Als die plausibelste Erklärung für die Niedrigzinsen nennt der britische Ökonom (1) eine Flut von Einsparungen (glut of savings) und (2) ein Mangel an guten Investitionsprojekten.

Was im Artikel leider nicht ausschliesslich erwähnt wird, sind Nullzinsgrenze (zero lower bound) und Fiscal Austerity. Für die Austeritätspolitik ist v.a. die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik (supply-side economics) verantwortlich, die über dem Euro-Raum wie ein Damoklesschwert hängt.


USA versus Euro-Raum, Realzinsen (gemessen an inflationsgeschützten Staatsanleihen) und Inflationserwartungen, Graph: Martin Wolf in FT


Die Ideologie stammt aus der Österreichischen Schule (Austrian economics): Das Motto lautet: Der Staat ist das Problem – Der Markt ist die Lösung. Austrians à la Friedrich Hayek, Ludwig von Mises und Josep Schumpeter vertreten die Meinung, dass Liberalismus sich am besten nicht durch mehr Umverteilung und Staatsverwaltung, sondern durch den kompletten Rückzug des Staates aus seiner Rolle in der Wirtschaft verteidigen lässt.

Die Doktrin von Liquidationism warnt vor jeglichen Massnahmen, die die „Arbeit“ von Rezessionen und/oder Depression verhindern könnten, die Fäulnis aus dem System zu reinigen. Das heisst, dass eine Erhöhung der Staatsausgaben nicht notwendig seien, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, weil die Erholung der Wirtschaft von sich aus käme. Das Leiden in einer Depression ist demnach gut und etwas Natürliches. Nichts sollte dagegen unternommen werden.

Wenn die Arbeitsmärkte oben darauf „liberalisiert“ werden, durch Lohnmoderation und Sozialabbau, kann man sich nicht wundern, wenn die Einkommenssituation der einfachen Bürgen sich verschlechtert und die private Nachfrage bachab geht, und Unternehmen wegen Absatzeinbussen nicht investieren.

Denn fallende Preise schmälern die Gewinnerwartungen und fördern das Hamstern. Was besonders schlimm ist, dass sich die reale Last der Schulden erhöht. Die Verhinderung von Disinflation bzw. Deflation erfordert daher öffentliche Investitionen. Dies bedeutet der Verzicht auf die Austeritätspolitik. Die Politik ist aber dazu nicht bereit.

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