Buchbesprechung:
Perry Mehrling: “The New Lombard Street ”. How the Fed Became the Dealer of Last Resort. Princeton University Press, Princeton & Oxford , 2011.
In seinem 1873 veröffentlichten Buch „Lombard Street: A Description of the Money Market“ beschreibt Walter Bagehot die Funktionsweise der Aktivitäten am Geldmarkt. Der britische Ökonom, der zugleich die Wochenzeitschrift „The Economist“ herausgegeben hat, erklärt in seinem klassischen Werk, warum die Zentralbanken als „lender of last resort“ agieren müssen, um in einem taumelnden Kreditsystem die Liquidität zu sichern. Sein Buch legt die Grundsätze fest, die dazu beigetragen haben, die Rolle der modernen Zentralbanken zu definieren, insbesondere in Krisenzeiten.
Die jüngste globale Finanzkrise hat jedoch unvorhersehbare Herausforderungen aufgedeckt. Perry Mehrling zeigt in diesem Zusammenhang die neuen Prinzipien auf, die notwendig sind, um die Instabilität der heutigen Märkte anzugehen und das Finanzsystem neu aufzubauen. Der rote Faden dieses anspruchvollen Buches ist die im allgemeinen anerkannte kritische Funktion einer Zentralbank als „lender of last resort“, welche Bagehot kurz mit dem geflügelten Diktum „lend freely at a high rate, on good collateral“ zusammenfasst hatte.
Mehrling, der an der Columbia University Wirtschaftswissenschaften lehrt, argumentiert, dass es sich bei der Finanzkrise nicht um eine Subprime-Mortgage-Krise oder sogar eine Schatten Bankensystem-Krise handelt, sondern um eine Krise eines ganzen marktbasierten Kreditsystems, welches seit 1970 aufgebaut worden ist. Er vertritt die Meinung, dass wir, wenn wir nicht darüber nachdenken, wie das Schatten Bankensystem funktioniert hat, nicht verstehen können, was falsch gelaufen ist, als es fehlschlug. Deshalb zeichnet Mehrling aufgrund von mehreren T-Konto-Darstellungen nach, wie das Kreditsystem bislang funktioniert hat, mit der Betonung, dass die Rolle „dealer of last resort“ genau so wie die Rolle „lender of last resort“ eine von Natur aus eine öffentliche Funktion ist. Wie der Verlauf der Krise aber gezeigt hat, war diese Rolle von Schatten Banken (d.h. SIVs, Conduits usw.) und Investment Banken ausgeübt worden. Die Fed hat jedoch vor dem Ausbruch einer Eskalation der Krise die Rolle von inzwischen gescheiterten Marktteilnehmern wie Lehman und AIG im Shadow Banking System übernommen, mit dem Unterschied, dass sie mit viel weniger Leverage gearbeitet und einen höheren Preis für ihre Funktion gefordert hat, so wie im Sinne von Bagehots Konzept, weshalb der Autor die neue Rolle der Fed als „dealer of last resort“ bezeichnet.
Das stark konzentrierte Buch ist informativ und bietet einen tiefen, sachlichen Einblick in die praktische Rolle, die die US-Notenbank in den vergangenen drei Jahren aktiv gespielt hat, um die Krise zu bewältigen, aber es ist nicht einfach zu lesen. Eher fachkundige Leser dürften sich angesprochen fühlen.
Wer aber dieses erkenntnisreiche Buch liest, wird die drei wichtigsten Phasen der Finanzkrise und die einzelnen (technischen) Massnahmen, die die Fed etappenweise getroffen hat, besser verstehen: (1) Herbst 2007: Der Zusammenbruch des ABCP-Marktes (asset-backed commercial paper). Der Ausbau der Finanzierung des Repo-Marktes fängt in dieser Phase einen grossen Teil des Ausfalls auf. (2) März 2008: Der Zusammenbruch von Bear Stearns. Der Einsturz des Repo-Marktes. Die Fed erweitert ihre Rolle „lender of last resort“, um die Händler direkt zu unterstützen, durch PDFC und TSLF. (3) September 2008: Der Zusammenbruch von Lehman und AIG . Die Fed erweitert ihre Rolle als „lender of last resort“ noch weiter. Die Einführung von liquditiy swap lines mit ausländischen Banken, was praktisch eine Ausdehnung der Kreditvergabe über die „Discount Window“ ins Ausland bedeutet. In dem Moment hat die Fed den einstürzenden Interbankengeldmarkt (wo sich Banken kurzfristig refinanzieren) auf ihre eigene Bilanz übernommen, weshalb die Bilanzsumme der Notenbank sich ausgedehnt hat.
Während Ben Bernanke heute über Credit Easing (Kreditvergabe durch die Fed) redet, reden seine Kritiker über Quantitative Easing (Kreditaufnahme durch die Fed), indem sie eine weitgehend irrelevante Debatte vor der Krise über die relative Bedeutung des Kreditkanals (credit channel) und des Geldkanals (money channel) in der Transmission der geldpolitischen Impulse wiederbeleben, so der Autor.
1 Kommentar:
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