Sonntag, 23. Mai 2010

Warum libertäre Alternative zu Regulierung nichts taugt

Paul Krugman denkt über den Ölteppich an der Golf-Küste nach und erinnert sich an eine Aussage von Milton Friedman in einem Interview, dass es keine Notwendigkeit für eine Regulierung für Produktsicherheit gibt, weil Unternehmen wüssten, wenn sie Schaden verursachen, dass sie dafür büssen müssen, so Friedman.

Interviewer: Also das Deliktsrecht erfasst eine Menge von dieser...
Friedman: Absolut, absolut...


Inzwischen in der realen Welt: Im Zuge der katastrophalen Ölpest an der Golf-Küste blockierte Senatorin Lisa Murkowski einen Gesetzentwurf, wonach die maximale Haftung für Ölgesellschaften angehoben würde, infolge eines Ölteppichs aus einer erbärmlichen Summe von 75 Mio. $ auf 10 Mrd. $. Der republikanische Gesetzgeber sagte, vorgestellt durch den Senator Robert Menendez, dass es Öllgesellschaften wegen der steigenden Kosten der Ölförderung ungerecht wehtun würde.

Libertäre Kreise ("libertarianism") in den USA vertreten in diesen Tagen die Meinung, dass es keiner staatlichen Regulierung bedarf. Das Deliktrecht reiche aus. Die Politiker werden aber in der Praxis immer einen Weg finden, vor den Mächtigen einen Schutzschild zu spannen, argumentiert Krugman, wie das Beispiel von 75 Mio. $ Deckelung für Ölgesellschaften als Schadenzahlung nach einem Ölteppich zeigt. In der Praxis ist es so, dass nur die Armen und Machtlosen gehalten werden, Standards einzuhalten. Wenn es um grosse Kohle- oder Öl-Unternehmen geht, siehe schwerfahrlässige Fälle von Massey und BP, dann heisst es, dass „manchmal halt Unfälle passieren“.

Krugman erklärt weiter, warum die libertäre Alternative zur Regulierung in der Praxis nicht funktioniert. „Nehmen Sie einfach das Deliktsrecht, um die Menschen dazu zu bewegen, für den Schaden, den sie verursacht haben, aufzukommen“, schreibt er. „Wenn es hart auf hart kommt, werden die Politiker die Reichen und die Mächtigen davor schützen, die Kosten zu übernehmen“ Manche Gegner behaupten aber, ob man nicht aus demselben Grund annehmen soll, dass die Regulierung auch nicht funktioniert? „Nun, die Regulierung funktioniert dort nachweislich, wo das Deliktsrecht nicht funktioniert. Betrachten Sie die ökologische Frage: Die Täter von Ölteppich zahlen nie den Grossteil der Kosten. Aber in Wirklichkeit haben Umweltvorschriften dazu geführt, dass die Luft und das Wasser viel sauberer geworden sind“, so Krugman. Als Beispiele sind Smog von Los Angeles oder das Schicksal von Lake Erie erwähnenswert. Warum funktioniert also die Regulierung? „Wenn Umweltverschmutzer das System ex post nach einer Katastrophe kaufen könnten, warum schaffen sie es nicht, die Regulierung ex ante zu korrumpieren?“, hält Krugman fest. „Aber eins, was wir aus der Reagan Ära nicht vergessen dürfen, ist die Bedeutung und die Tugend einer dezidierten Bürokratie: Wenn Sie professionelle Regierungsstellen haben, die ihren Job tun und diesen mit Respekt behandeln, ist die Arbeit oft auch erledigt“, legt Nobelpreisträger dar. Auf der anderen Seite: „Wenn Sie die Bürokratie entwerten und erniedrigen, dann wird sie einen „heckuva job“ (heck of a job*) tun. Das ist aber nicht der Weg, wie es sein sollte“, hält Krugman als Fazit fest.

* Heck of a job“: Umgangssprachlich; Es heisst „komplett beschissen“. Aus dem berüchtigten Kommentar von Präsident George W. Bush zu Michael Brown, dem FEMA-Chef während der Hurrikan Katrina-Katastrophe: „Brownie, you’re doing a heck of job“, sagte Bush damals. Gewöhnlich ironisch gemeint, um zu zeigen, dass jemands Selbsttäuschung im krassen Widerspruch zu den bekannten und leicht beobachteten Tatsachen steht.

Schweiz: Trimmed Mean Inflation bleibt unverändert

Die Trimmed Mean Inflation verläuft in der Schweiz im Mai mit 0,7% den dritten Monat in Folge unverändert, wie das von der SNB am Freitag vorgelegten Statistische Monatsheft Mai zeigt. Die Kerninflation setzt andererseits ihren abwärtsgerichteten Trend fort: 0,3%. Die Kernrate spiegelt die Preisentwicklung ohne Nahrung, Getränke, Tabak, Saisonprodukte, Energie und Treibstoffe wider. Bei der Berechnung der Trimmed Mean Inflation (Methode des getrimmten Mittelwertes) schliesst die SNB die Güter mit den stärksten Preisschwankungen nach oben und unten (je 15%) aus dem Landesindex der Konsumentenpreise aus.


Schweiz: Konsumentenpreise und Kerninflation, Graph: SNB, Statistisches Monatsheft Mai 2010




Fazit: Die Inflation stellt für die Schweiz derzeit keine Gefahr dar. Ganz im Gegenteil besteht angesichts der Talfahrt der Gemeinschaftswährung Deflationsrisiko. Wertet sich der Euro weiter ab, dürfte eine übermässige Aufwertung des Schweizer Frankens deflationäre Tendenzen aufflammen lassen. Aufgrund der Aufwertung des Schweizer Frankens werden die Einfuhren billiger. Fangen Verbraucher und Unternehmen an, in Erwartung sich auf einen anhaltenden Rückgang der Preise einzustellen, dann kann es zu einer gesamtwirtschaftlichen Fehlentwicklung kommen: Wirtschaftsakteure würden vermehrt Geld horten. Die Konsumausgaben würden gekürzt, weil alle auf noch tiefere Preise in Zukunf hoffen. Zugleich würden sich angesichts der höheren Realzinsen Investitionstätigkeiten zurückbilden. Da der teure Franken das Exportgeschäft beeinträchtigen würde, würden die tieferen Konsumausgaben und Investitionen zu einem Rückgang des BIP führen und folglich die Arbeitslosigkeit ansteigen lassen.

Samstag, 22. Mai 2010

US-Finanzmarktreform: Im Mittelpunkt steht Kapital

Der Senat hat einen umfassenden Gesetzentwurf verabschiedet. Es geht erstens um eine strenge Bankenregulierung und zweitens um eine stärkere Aufsichtsrolle der US-Notenbank. Der Reformplan des Senats (eine gute und kurze Zusammenfassung hier in FTD) muss jetzt mit der Vorlage des Repräsentantenhauses in Einklang gebracht werden. Was ist von dem Gesetzesentwurf zu halten? Für die eine Denkschule (vertreten durch z.B. Simon Johnson und James Kwak), die TBTF bekämpft, ist er „nicht gut genug“. Für die andere Denkschule (vertreten durch z.B. Paul Krugman), die das Schatten Bankensystem abschaffen will, ist er „nicht schlecht“. Der Vollständigkeit halber ist auch die dritte Denkschule zu erwähnen. Der Standpunkt der Finanz-Oligarchie ist allgemein hinlänglich bekannt: Gewinne privatisieren, und Verluste von der Öffentlichkeit tragen lassen.

Der Reformplan des Senats bleibt geflissentlich vage über Eigenkapitalanforderungen, kritisiert James Kwak in einem lesenswerten Essay („The Mystery of Capital“) in Baseline Scenario. Der Entwurf enthält beispielsweise keine harte Deckelung des Verschuldungsgrads (leverage). Das ist, was die Regierung will. Aus zwei Gründen: Die Regulierungsbehörden brauchen Flexibilität, um (1) nötige Eigenkapitalanforderungen anzupassen, und (2) um ein einheitliches internationales Abkommen auszuhandeln. Es gibt eine Sache, die umstritten genug ist, argumentiert Kwak, um die Aufmerksamkeit der Lobbyisten zu wecken: Eine Klausel, die die republikanische Senatorin Susan Collins (siehe Collins Amendment) durchsetzte. Mike Konczal hat kürzlich darüber geschrieben. Die wichtigste Bestimmung ist, unabhängig von den Eigenkapitalanforderungen für die von der FDIC gedeckten Institutionen (Banken), dass sie auch für systemrelevante Finanzinstitute gelten, einschliesslich der Holdinggesellschaften. Frau Collins will Banken mit einer Bilanzsumme von mehr als 250 Mrd. $ zu höheren Eigenkapitalquoten verpflichten.

Die Fed, das US-Schatzamt und die Wall Street sind vehement dagegen. Sheila Bair, die Chefin der FDIC ist dafür. Sie argumentiert, dass Bank-Holdinggesellschaften nicht in der Lage sein sollten, sich der Vorschriften, die für deren Tochtergesellschaften gelten, zu entziehen. Sie will aber Banken mit Einlagengeschäft nicht regulieren. Das ist jedoch irrelevant, wie Kwak zu Recht moniert. Da der Zusammenbruch einer Bank-Holdinggesellschaft ein Durcheinander quer durch alle Banken mit Einlagengeschäft auslösen würde. Die wahre Bedrohung für die Banken ist, wie Konczal darauf hinweist, dass es für sie schwerer wird, sich auf der Ebene der Holdinggesellschaften in Sachen „Financial Engineering“ zu engagieren, um Eigenkapitalanforderungen zu umgehen. Die Regierung ist von der Idee nicht begeistert, weil sie die Meinung vertritt, dass solche Regeln international ausgehandelt werden und daher nicht vom US-Kongress festgelegt werden sollten. Kurzum: Die Regierung stellt sich auf internationaler Ebene auf die Seite der Banken.

Die Collins-Klausel will grundsätzliche Eigenkapitalanforderungen einfacher gestalten, mit der Option der Hinzufügung von mehr komplexen Anforderungen an die Spitze. Die Gegner hingegen wollen Behörden so viel wie möglich Ermessensspielraum einräumen. Die Bestimmung eines festen Bodens für die Anforderungen ist richtig, findet Kwak. Weil man sich sonst mit „Diskretion“ und „Komplexität“ selbst täuscht, indem man sich einbildet, etwas messen zu können, was inhärent unmessbar ist, erklärt Kwak. Was meint er damit?

Bank-Kapital kann nicht gemessen werden. So hatte einst Steve Randy Waldman das Ganze kurz formuliert, und zwar aus praktischen und erkenntnistheoretischen Gründen. Auf der praktischen Seite zeigt der Blick auf Lehman auf, dass die Bank, bevor sie richtig zusammengebrochen ist, auf dem Papier gut ausgesehen hat. Ein paar Tage später hatte Lehman jedoch ein negatives Kapital (negative equity) von mind. 20 Mrd. $. Hier ist die erkenntnistheoretische Seite: „Kapital existiert in der Welt nicht. Es ist für die Sinne nicht zugänglich. Wenn wir von einer Bank oder einem Unternehmen reden, die/der so viel Kapital hat, dann modellieren wir ihre/seine Vermögenswerte (assets) und Verbindlichkeiten (liablities) und Contingent Positionen. Und wir kommen auf eine Zahl. Es gibt leider kein eindeutiges „wahres“ Modell, um Bank-Kapital zu messen. Selbst gestützt auf die GAAP-Regeln mit allen anderen regulatorischen Anforderungen müssen Tausende von Schätzungen und willkürliche Annahmen getroffen werden, um die Kapital-Position einer Bank zu berechnen. Es gibt nur einen breiten, mehrdimensionalen „Raum“ von vertrettbaren Modellen, mit denen das Kapital berechnet werden kann. Wenn wir das Kapital „messen“, dann wählen wir ein Modell und berechnen. Wenn wir nach dem Zufallsprinzip unter den potenziellen Modellen wählen, dann würden wir eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des Kapitals generieren. Diese Verteilung wäre sehr breit, sodass negative Werte für grosse, komplexe Banken wahrscheinlich moderat wären, im Vergleich zu den tatsächlich gemeldeten positiven Werten. Angesichts der Heterogenität der realen Welt kann also kein Modell für alle Banken („one-size-fits-all“) gesetztlich legitimiert werden. Wir können nicht beide haben, innovative Banken und sinnvolle Bemessungsmassnahmen für das zu regulierenden Kapital“, schreibt Waldman. Das ist ein Punkt, der oft verloren geht, bemerkt Kwak. Die Leute reden über das Kapital wie Dämme, die gegen die Flut schützen, erklärt er. „Es ist aber ein Deich, den man nicht sehen und messen kann. Man kann es nur vermuten“, so Kwak. „Kapital is probabilistisch, und nur so weit zuverlässig, wie Ihre Fähigkeit zulässt, diese Wahrscheinlichkeit zu beurteilen“.

Wie lautet nun die Schlussfolgerung: Waldman ist der Ansicht, dass wir die Banken entweder vereinfachen müssen, um sie zu den traditionellen Ansätzen zugänglich zu machen, oder wir kommen mit fähigeren Ansätzen, um die Banken der schönen neuen Welt des Bankwesens zu erfassen.

Fazit: Letztlich sind Eigenkapitalanforderungen allein nicht die Lösung. Solange aber die Bankenregulierung sich darauf stützt, müssen sie gegenüber definitorischen Fehlern und Messfehlern so weit wie möglich widerstandsfähiger gemacht werden.

FDIC schliesst am Freitag eine kleine Bank – Gesamtzahl steigt auf 73

Die FDIC hat am Freitag laut Washington Post eine kleine Bank in Minnesota geschlossen: Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 verstaatlicht wurden, auf 73 gestiegen. Die Bank verfügt über ein Anlagevermögen von 61,2 Mio. $. Die Einlagen der kleinen Bank belaufen sich auf 58,3 Mio. $. Die Einlagensicherungsbehörde (FDIC) schätzt die Kosten der übernommenen Bank auf 6,0 Mio. $ für die öffentliche Hand.

Bankpleiten:
2010: 73
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Mit 73 Schliessungen hat sich das Tempo der Bankpleiten im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Zu diesem Zeitpunkt des vergangenen Jahres hatte die Regulierungsbehörde 36 Banken geschlossen. Da die Verluste auf Darlehen für gewerbliche Immobilien und Entwicklung zunehmen, ist der Einlagensicherungsfonds in die roten Zahlen gerutscht. Siehe den Bericht der FDIC fürs I. Quartal 2010. Das Defizit beläuft sich indes auf 20,7 Mrd. $ per 31. März 2010. Die Anzahl der Banken auf der „Problem“-Liste der FDIC ist von 702 im vierten Quartal auf 775 im ersten Quartal gesprungen. Die Behörde schätzt die Kosten für die Beilegung der gescheiterten Banken auf 100 Mrd. $ in den nächsten vier Jahren.

PS: Die FDIC hat im vergangenen Jahr 140 Banken geschlossen. Die Kosten für die Behörde: 30 Mrd. $.

Freitag, 21. Mai 2010

Spreads an den Kreditmärkten weiten sich aus

Die Schuldenkrise in der EU greift um sich. Die Aktien bleiben auf Talfahrt. US-Staatsanleihen und Schweizer Franken sind als „sicheren Hafen“ stark gesucht. Liquidität ist vorhanden. Dennoch kommt es zu einer Ausweitung der Spreads an den Kreditmärkten. Bemerkenswert ist, dass die Termin (forward) LIBOR-OIS-Spreads sich mehr ausgeweitet haben als die Kassa (spot) LIBOR-OIS-Spreads, wie Laurence Mutkin, Morgan Stanley notiert. Forward LIBOR-OIS Spreads spiegeln nicht die aktuellen Finanzierungskosten wider. Sie drücken viel mehr ausserbörsliche Erwartungen der Marktteilnehmer im Hinblick auf LIBOR- und OIS-Sätze in Zukunft aus. Die Spreads haben sich in den vergangenen Tagen um 15 Basispunkte für den US-Dollar, um 7 Basispunkte für den Euro und 5 Basispunkte für das Pfund Sterling ausgeweitet. Im Gegensatz dazu legten die Kassa LIBOR-OIS Spreads kaum zu. Folglich hat die Kurve zwischen den Forward und Spot LIBOR-OIS Spreads eine positive Neigung eingenommen. Das heisst, dass der Markt mit einer weiteren Ausweitung der Spot LIBOR-OIS Spreads rechnet. Die Konstellation hatte sich zuletzt im Juli 2008 nach der Lehman-Pleite herausgebildet. Wie ist es jetzt zu deuten? Droht die Gefahr einer erneuten Kernschmelze an den Kreditmärkten?


LIBOR-OIS Spread Kurve, Graph: Laurence Mutkin, Morgan Stanley

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass der Markt etwas "weiss", dass ein ähnliches Ereignis vorkommen würde, beruhigt Mutkin. „Unsere Interpreation ist, dass es nicht mehr oder weniger die Besorgnisse der Marktteilnehmer über Finanzierungsbedingungen reflektiert“, so Interest Rate Strategy Team von Morgan Stanley.

USA: Wer sind wir? Griechenland oder Japan?

„Trotz eines Chors von Stimmen, die behaupten, dass wir nicht Griechenland sind, sind wir jedoch mehr und mehr wie Japan“, schreibt Paul Krugman in seiner Freitagskolumne („Lost Decade Looming“) in NYT. In den vergangenen Monaten hatten die Wirtschaftskommentare ein zentrales Thema: Die politischen Entscheidungstäger tun viel zu viel. Die Regierung müsse ihre Ausgaben kürzen. Griechenland ist ein warnendes Beispiel usw. „Jeder Uptick in Renditen der US-Staatsanleihen wurde als Anhaltspunkt dafür genommen, zu behaupten, dass die Märkte jetzt wegen Sorgen über Defizit drehen werden“, bemerkt Krugman. Zu den kontinuierlichen Warnungen gehört, dass die Inflation um die Ecke lauert. Die Regierung müsse ihre Stützungsmassnahmen rückgängig machen und die Exit-Strategie starten. „Wie steht es aber mit der nahezu Rekordarbeitslosigkeit. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist schlimmer als zu irgendeinem Zeitpunkt seit den 1930er Jahren“, erklärt Krugman. „Die Wahrheit ist aber, dass die politischen Entscheidungsträger nicht zu viel tun, sondern zu wenig. Jüngste Daten deuten nicht darauf hin, dass Amerika einem Vertrauenszusammenbruch im Stil von Griechenland zusteuert. Die Daten deuten eher darauf hin, dass wir einem verlorenen Jahrzehnt im Stil von Japan entgegenlaufen, gefangen in einer längeren Ära hoher Arbeitslosigkeit und langsamen Wachstums“, argumentiert Nobelpreisträger weiter.

Was steht hinter dem Pessimismus? „Es spiegelt teilweise die Unruhen in Europa wider, die weniger mit Staatsschulden zu tun haben, wie oft erzählt wird. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass die Europäer mit der Schaffung des Euro, europäischen Staaten eine einheitliche Währung aufgezwungen haben, die für einen solchen Schritt nicht bereit waren“, erläutert Krugman. Es gibt aber auch zu Hause Warnzeichen: Wie zuletzt der Bericht über die Verbraucherpreise zeigt, ist die Kerninflation indes unter der Marke von 1,0 Prozent gesunken. Das markiert ein 44-Jahres-Tief, hält er fest. Das kommt aber nicht überraschend. Es ist zu erwarten, dass die Inflation angesichts der Massenarbeitslosigkeit und Überkapazitäten (excess capacity) sinkt. „Das ist doch wirklich eine schlechte Nachricht“, hebt Krugman hervor. Niedrige Inflation, schlimmer noch Deflation, neigt dazu, den Rückgang der Wirtschaft zu verewigen, weil Menschen anfangen, Geld zu horten, statt auszugeben, was die Wirtschaft depressiv macht. Folglich führt es zu mehr Deflation. Der Teufelskreis ist nicht hypothetisch. Fragen Sie die Japaner, die in den 1990er Jahren in eine Deflationsfalle geraten sind, bemerkt Krugman weiter. "Trotz gelegentlichen Episoden von Wachstum kommt Japan aus der Deflation nicht heraus. Das könnte auch in den USA passieren, mahnt Krugman an. Was wir uns wirklich fragen sollten, ist nicht, ob wir zu Griechenland werden, sondern was wir tun, um zu vermeiden, dass wir zu Japan werden. Die Antwort ist, nichts", schreibt Krugman klagend.

Warum verschleiert die Finanzwelt Betrug mit unverständlichen Fachbegriffen?

„Durch die Findigkeit und Gerissenheit der Wertpapierhändler wurden Gaunerei und Betrug so sehr verkompliziert, es wurde ein solcher Schleier der Niederträchtigkeit ausgebreitet und zur Verhüllung wurden so unverständliche Fachbegriffe eingeführt, wie es sie in keinem anderen Zeitalter oder Land je gegeben hat”, schreibt Robert Skidelsky in seiner lesenswerten Kolumne ("The Price of Clarity") in Project Syndicate. Es handelt sich dabei um eine spitze Bemerkung von Jonathan Swift aus dem 18. Jahrhundert. „Je weniger die Menschen von etwas verstehen, desto einfacher ist es, sie zum Narren zu halten“, fügt Prof. Skidelsky hinzu.

Die Finanzwelt war immer undurchsichtig. „Die Undurchsichtigkeit hat mit der Komplexität zugenommen. Die explosive Zunahme von Derivaten verlangt von uns eine derartige Anstrengung ab, um diese zu verstehen, dass eine Methapher notwendig wird“, erklärt Skidelsky, Professor für politische Wirtschaft an der Warwick University und Mitglied des britischen Oberhauses. „Der Preis der Klarheit ist, wie der Preis der Freiheit, ewige Wachsamkeit und es besteht ein Zusammenhang zwischen beiden“, bemerkt Skidelsky als Fazit.