Die Debatte ist so spannend, dass es nicht überflüssig wäre, dazu einen weiteren Blog-Beitrag zu liefern.
Worum geht es?
Es geht um Joe Biden’s Covid-19 «American Rescue Plan» im Umfang von 1‘900 Mrd. USD.
Larry Summers und Olivier Blanchard fürchten, dass der Plan eine Überhitzung der Wirtschaft verursachen und damit hohe Inflation auslösen könnte.
Einige Fragen, die vor diesem Vordergrund aufgeworfen werden, lauten: Ist es wirklich ein Stimulus? Ist es zu gross? Können die Fed und der US-Kongress die Dinge unter Kontrolle bringen, wenn es sich als «zu gross» herausstellen sollte?
Noah Smith beispielsweise beantwortet die Fragen in der Reihenfolge mit nein, nein und ja.
Warum ist es kein Stimulus?
Da wir uns nicht in einer herkömmlichen Rezession - einem Rückgang der Produktion aufgrund einer unzureichenden Gesamtnachfrage, befinden.
US BIP, Graph: Paul Krugman, Febr 09, 2021, substack
Stattdessen leiden wir unter einer teilweisen Abriegelung („lockdown“), die das Ergebnis sowohl der öffentlichen Politik als auch privater Entscheidungen ist und die Aktivitäten mit hohem Infektionsrisiko, wie z. B. das Essen in geschlossenen Räumen, stark eingeschränkt hat.
Es ist kein Stimulus (d.h. kein Konjunkturprogramm), sondern eine Katastrophenhilfe: ein Versuch, den Lebensstandard derjenigen zu verbessern, die von der vorübergehenden Abriegelung («lockdown») betroffen sind, sowie Ressourcen bereitzustellen, um mit der Pandemie selbst fertig zu werden, wie Paul Krugman in seinem Substack-Beitrag erklärt. Deshalb nennen wir es Katastrophenhilfe, zumal es sich dabei um Sonderausgaben angesichts einer Notlage, wie in einem Krieg, handelt.
Die Standard-Methode zur Einschätzung von Potential-Output liefert uns eine schnelle und ziemlich vernünftige Vorstellung, wie viel Wachstum wir hätten haben sollen, wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte. Vergleicht man das mit dem tatsächlichen Wachstum, sieht es so aus:
Im vierten Quartal lagen wir also 4,3 Prozent unter dem, was wir erwartet hätten. Das ist laut Krugman ein Defizit - nicht gerade eine Lücke - von etwa 950 Milliarden Dollar auf Jahresbasis.
Bidens Plan zielt darauf ab, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen und Einkommen zu unterstützen. Das heisst, dass zum Beispiel die letzt-genannte Massnahme die sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Menschen, die durch die Pandemie finanziell geschädigt wurden, abfedern soll. Das beste Beispiel dafür ist die erhöhte Arbeitslosenunterstützung. Und natürlich auch die 1‘400 USD Not-Schecks pro Kopf erwachsene Bürger.
UST real-Renditen für die Laufzeiten 5 und 10 Jahre, Graph: BloombergTV, Febr 11, 2022
Der Plan beinhaltet aber weitere gezielte Programme, denjenigen zu helfen, die Hilfe benötigen. Gemeint sind zum Beispiel Arbeitnehmer, die wegen der Pandemie mit reduzierten Arbeitszeiten und Löhnen (Kurzarbeit) konfrontiert sind, und für die Arbeitslosenversicherung nicht in Frage kommen.
Der Teil «Einkommensunterstützung» des Biden Plans scheint vor diesem Hintergrund keine Quelle der Überhitzung darzustellen, da es im Grunde genommen lediglich darum geht, die Einkommensverluste auszugleichen und keine neue Nachfrage zu schaffen.
Der Teil «Pandemie Kontrolle» ist sicherlich als expansive Fiskalpolitik zu bewerten. Daher kann daraus u.U. rein theoretisch eine Überhitzung der Wirtschaft hervorgehen. Da es sich aber dabei laut Krugman um etwa 3% des BIP handelt, ist die Grössenordnung aus Sicht der Notenbank überschaubar. Das heisst unter dem Strich keine Gefahr für Überhitzung.
US Arbeitslosigkeit, offizielle Version versus alternative Versions, Graph: Jerome Powell, Fed, Febr 10, 2011
Alles zusammengenommen macht es also durchaus Sinn, dass ein Covid-Rettungspaket wesentlich größer ist als die "Produktionslücke", wie sie konventionell gemessen wird.
Es scheint daher nicht wahrscheinlich, dass es mehr Inflationsdruck erzeugt, als die Fed bewältigen kann.
Zur Erinnerung: Es ist die Fed, die mit dem neuen geldpolitischen Rahmenwerk (AIT: average inflation targeting) seit dem Sommer 2020 die Messlatte für zukünftige Zinserhöhungen höher gelegt hat als in der Vergangenheit.
Die US-Notenbank will Vollbeschäftigung und einen nachhaltigen Anstieg der Inflation sehen, bevor sie eine Zinserhöhung in Betracht zieht. Überhitzung ist also in Feds Kalkül mit berücksichtigt.
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