Buchbesprechung:
Michael Pettis and Matthew C. Klein: Trade Wars are Class Wars, Yale University Press, June 2020
Länder mit grossen Überschüssen im Aussenhandel haben die Überschüsse nur, weil sie nicht alles verbrauchen, was sie herstellen. Und das macht sie zugleich anfällig für einen Rückgang des internationalen Handels.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, wahrzunehmen, dass fast jeder auf der Welt durch das globale Handels- und Finanzsystem verbunden ist.
Wann immer wir etwas kaufen, zur Arbeit gehen oder sparen, wirken sich unsere Handlungen auf Milliarden von Menschen aus, die Tausende von Kilometern entfernt sind, genau wie die Menschen auf der anderen Seite der Welt uns jeden Tag unwissentlich mit ihren weltlichen Entscheidungen beeinflussen.
Michael Pettis und Matthew C. Klein erläutern in diesem Buch diese wirtschaftlichen Verknüpfungen, die viele Vorteile haben, aber auch Probleme von einer Gesellschaft auf eine andere übertragen können.
Menschen in einem Land sind häufig für unerschwingliche Wohnräume, Schuldenkrisen, Arbeitsplatzverluste und Umweltverschmutzung in anderen Ländern verantwortlich, schildern die Autoren:
Deutsche Unternehmen senken die Löhne, die Bundesregierung reduziert die Sozialausgaben und die Spanier bekommen eine Immobilienkrise.
Die These dieses Buches ist, dass der Anstieg der Ungleichheit innerhalb der Länder Handelskonflikte verschärft. Die Autoren zeigen auf, wie die Zahlungsbilanz und Kapitalflüsse zu Ungleichgewichten bei Handel, Vermögenspreisen, Zinssätzen und Währungsbewertungen führen können, die häufig Fehlallokationen von Kapital für die Überschuss- und Defizitländer verursachen.
Es gilt aber zu beachten, dass die Protagonisten nicht Staaten, sondern die privaten Unternehmen sind.
Chinesen und Deutsche sind weder böse noch leben wir in einer Welt, in der die Länder auf Kosten anderer gedeihen können. Die Probleme der letzten Jahrzehnte haben ihre Wurzeln nicht in geopolitischen Konflikten oder inkompatiblen nationalen Charakteren: sie wurden vielmehr durch massive Einkommenstransfers an die Reichen und die von ihnen kontrollierten Unternehmen verursacht, argumentieren die Autoren.
Die Standard-Wirtschaftstheorie besagt, dass Investitionen grenzüberschreitend fliessen, um Unterschiede in den Wachstumsaussichten auszunutzen.
Doch die Praxis im historischen Blickwinkel bestätigt, was von Bedeutung ist: die Änderungen der globalen Finanzbedingungen, weit mehr als lokale Wachstumsaussichten.
Das heisst im Klartext, dass die Handelsströme durch die Finanzströme bestimmt werden. Besser gesagt: die Finanzströme über die Grenzen hinweg transformieren die Volkswirtschaften und drängen sie dazu, sich anzupassen, wie viel sie importieren und exportieren.
Die Autoren betrachten Europa, und nicht China, als die grösste Bedrohung für die Weltwirtschaft in den letzten Jahren, und zwar aus ähnlichen Gründen: Die Regierungen haben zuerst in Deutschland, und dann auf dem gesamten Kontinent die Verbrauchssteuern erhöht, den Arbeitsmarktschutz gekürzt und Millionen von Menschen in schlecht bezahlte Teilzeit-Jobs gedrängt.
Wie in China können sich europäische Arbeitnehmer zunehmend das, was sie produzieren, nicht mehr leisten: Im Euroraum sind die Haushaltsausgaben seit Anfang 2010 kaum um die Hälfte der Gesamtproduktion gestiegen.
Das Buch bekräftig nachträglich, dass wir nicht länger in einer Welt leben, in der die internationalen Ströme hauptsächlich aus Handelsfinanzierungen bestehen.
Die Hauptaussage der Autoren ist, dass internationale Finanzströme nicht in erster Linie aus rationalen Investitionen bestehen, die nach den weltweit produktivsten Möglichkeiten suchen, sondern in erster Linie von Änderungen der Kreditbedingungen und der spekulativen Stimmung getrieben werden.
„Obwohl deutsche Politiker oft darauf bestehen, dass die deutschen Überschüsse die Belohnung für überlegene Produktionstechniken sind, ist dies völlig unsinnig. Die Belohnung, die ein Land für überlegene Produktivität erhält, sind höhere Importe durch Verbesserung der Handelsbedingungen. Anhaltende Überschüsse sind fast immer die Folge einer sehr unausgewogenen Einkommensverteilung zugunsten von Unternehmen und Reichen“, schreiben Pettis und Klein.
Die Autoren nehmen in einem separaten Abschnitt des Buches die deutsche Wirtschaftspolitik kritisch unter die Lupe. Und sie belegen sachlich, wie Berlin versucht hat, durch Lohnmässigung die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten von anderen Menschen im Ausland zu steigern und wie mit dem gigantischen Überschuss in der Leistungsbilanz auch Arbeitslosigkeit in fremde Länder exportiert wurde.
Schade, dass Heiner Flassbeck im Buch kein einziges Mal zitiert wird. Der ehemalige Chefökonom von UNCTAD befasst sich mit dem Thema „Deutschlands Wirtschaftspolitik“ und das globale Währungssystem seit mehreren Jahren auf eine seriöse Art und Weise. Die Parameter, die im Buch hervorgehoben werden, wurden von Flassbeck vor mehr als zehn Jahren in zahlreichen Schriften und Vorträgen mehrmals nüchtern beleuchtet.
Das ist ein besonders gehaltvolles Buch; eine Pflichtlektüre für alle, die verstehen wollen, wie die gegenwärtig anhaltenden Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft entstehen und was zu tun ist, um den Lebensstandard der breiten Masse der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern.
Michael Pettis and Matthew C. Klein: Trade Wars are Class Wars, Yale University Press, June 2020
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