Zentralbanker lassen nicht nach, um den durch die COVID-19 Krise verursachten globalen Abschwung rasch und energisch anzugehen.
Und sie werden dabei nicht nur gescholten, wegen des grosszügigen „Eingreifens in das Marktgeschehen“, sondern in manchen Kreisen sogar als Superhelden gefeiert.
Die aussergewöhnlichen Aktionen der Zentralbanken zur Stützung der Finanzstabilität haben unter „retail traders“ ohne Zweifel eine intensive Stimmung ausgelöst, keine üppige Börsengewinne verpassen zu wollen.
Solange die Musik spielt, soll man mittanzen.
Die Online-Handelsplattformen spielten dabei eine sagenhafte Rolle, dadurch dass sie einen erleichterten Zugang zum Markt anboten, und für die Entstehung einer neuen Welle von Subkulturen für private Aktienhändler sorgten: die sog. „Retail Bros“.
Es handelt sich dabei um junge sport-begeisterte Menschen, die nun aufgrund von „lockdown“-Massnahmen zu Hause hocken müssen und nicht ins Fitnessstudio gehen oder Sportwetten abschliessen können, weil ja alle Sportereignisse wegen der Pandemie untersagt worden sind, und sich deswegen total langweilen.
Die Sport-Kumpel, die jetzt zum Tageshändler geworden sind, folgen zwei Regeln. Regel eins ist, dass die „Aktien nur steigen“. Und Regel zwei: „Wenn du Zweifel hast, ob du kaufen oder verkaufen sollst, lies die Regel eins“.
In diesem Jahr wurden bei Online-Brokern eine Welle neuer Tradings-Konten eröffnet, Graph: Barron’s, June 12, 2020
Die coolen „Retail Bros“ erzählen gern Witze über Aktien und zeigen sich selbstabschätzende Charts, wo sie wieviel Geld verloren haben.
Weder Bloomberg noch Yahoo-Finance, sondern die TikTok-Postings von Gleichgesinnten gelten als die ultimative Quelle für Finanzinformationen.
Und sie nennen den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell „Daddy Powell“.
„Was machst du, wenn du es einfach nicht weißt? Wenn du nicht weißt, was nächstes Jahr passiert, dann konzentrierst du dich darauf, was gerade passiert“: Das ist das Motto, das die Retail-Bros an den Tag legen.
Die Retail-Bros handeln vor diesem Hintergrund mit Aktien wie z.B. Hertz und JC Penney, die neulich mit Konkurs-Anmeldungen aufgefallen sind. Aktien, die kein professioneller Aktienhändler sonst anfassen würde: „Let’s get fucking nuts“, rufen sie sich zu, die Retail-Bros, die für eigene Rechnung mit Transaktionen fungieren.
Während der jüngsten Marktrallye haben sich die Aktienkurse von wenig bekannten Unternehmen um ein Vielfaches erhöht, manchmal innerhalb weniger Tage oder Stunden.
UBS, die weltweit grösste Vermögensverwalterin aus der Schweiz hat vor diesem Hintergrund eine Botschaft an alle Kunden, die versucht sind, Day-Tradern in die exotischeren Papiere des Aktienmarktes auf der Suche nach einem schnellen Geld zu folgen, Finger weg: „Gehen Sie nicht einmal dorthin“.
Der Sperrmodus („lockdown“) im Kontext mit COVID-19 und der Aktienkurseinbruch im März hat sicherlich Millionen neuer Investoren überzeugt, Konten zu eröffnen.
In Zeiten von Markt-Stress ziehen sich Anleger normalerweise von Investitionen zurück und wir sehen, dass das Netto-Vermögen und die neuen Konten nachlassen. Aber diesmal erleben wir das Gegenteil, teilt Charles Schwab mit. Der Tägliche Durchschnitt der Trades im März habe sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht.
Eine solche Begeisterung endet oft schlecht. Für einige dieser Neulinge wird es unvermeidlich sein, bemerkt Barron’s dazu.
Vielleicht haben die Retail Bros, die in der GFC 2008-2009 erwachsen wurden, und den Bitcoin Absturz von 2018 erfahren haben, ihre Lektionen früh gelernt. Denn was während solcher Manien i.d.R. geschieht, ist heute nicht zu beobachten: Tageshändler scheinen sich mit Margen-Schulden (margin debt) nicht zu übernehmen, um Renditen zu erzielen.
Ausserdem: Nur weil Day-Trader häufiger am Markt präsent sind und keine professionelle Ausbildung geniessen, heisst das nicht, dass sie falsch liegen. Laut Goldman Sachs schlagen die Favoriten von Retail Bros die von Hedge-Fonds und Investmentfonds geliebten Aktien leicht.
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