Samstag, 22. Juni 2019

Austerity Palooza in Stagnation und Deutschlands Ertragskurve


Der letzte Schimmer positiver Renditen für deutsche Staatsanleihen droht ausgelöscht zu werden, meldet Bloomberg am Freitag.

Eine globale Rally an den Anleihemärkten hat bereits alle deutschen Staatspapiere bis auf 20 Jahre unter null gebracht.

Es wäre eine Premiere unter den grossen Märkten, wenn auch die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit ins Negative drehen würde.

Der Wert der Anleihen, die mit negativen Renditen gehandelt werden, stieg diese Woche weltweit auf ein Rekordniveau von 12‘500 Mrd. USD, nachdem EZB-Präsident Mario Draghi das Signal gegeben hatte, dass die europäische Zentralbank über Zinssenkungen und mengenmässige Lockerung der Geldpolitik nachdenke. 

Auch die US-Notenbank hat neulich, geplagt von Sorgen um die wachsenden Bedrohungen für das globale Wirtschaftswachstum, Zinssenkungen in Aussicht gestellt, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

In der Folge ist die Rendite der US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit unter 2% gesunken, zum ersten Mal seit Juli 2016.


Die deutsche Renditekurve präsentiert negative Werte bis auf 20 Jahre. Nur die 30-jährige Anleihe hat eine positive Rendite, Graph: Bloomberg, June 21, 2019


Zur Erinnerung: Während die Nachfrage nach sicheren und liquiden Staatsanleihen steigt, nimmt das Angebot ab. 

Es ist daher wichtig, die Faktoren, die dazu führen, dass mehr gespart und weniger investiert wird, genau vor Augen zu halten und angemessen zu analysieren.

Die niedrigen Zinsen, v.a. wenn sie niedriger sind als das Wirtschaftswachstum, entfalten wesentliche Implikationen, nicht nur für die Geldpolitik, sondern auch die Fiskalpolitik.


Der Betrag der Staatsanleihen, die weltweit mit Negativ-Rendite gehandelt werden, Graph: fastFT, June 20, 2019 


Fragwürdig erscheint allerdings die Antwort der Policy Makers, die sie seit der GFC (Global Financial Crisis) tatkräftig liefern. Bleiben die Zinsen tief, reagieren die EU-Entscheidungsträger mit noch mehr Sparen und weniger Investieren.

Das ist bei einem geschätzten Schatten-Zinssatz (shadow rate) von minus 4.3% (letzte Daten vom April 2019) im Euroraum kaum zu verstehen. Es macht einfach keinen Sinn.


Der öffentliche Haushalt der EU, Graph: EU-Commission, June 2019


In Deutschland rentieren derzeit nur noch 6 von insgesamt 57 konventionellen Wertpapieren mit einem positiven Wert. Und sie weisen eine Laufzeit von mehr als 20 Jahren auf.

Und Berlin dürfte es nun schwerfallen, sich einer Erhöhung der Haushaltsausgaben zu widersetzen, zumal sie im Grunde genommen dafür bezahlt wird, dies zu tun.

Selbst Jens Weidmann, Bundesbankpräsident, der die QE-Politik der EZB (OMT: Outright Monetary Transactions) bei jeder Gelegenheit angeprangert hat und deswegen sogar vors Gericht gegangen ist, schlägt inzwischen ungewöhnlich milde Tone an. 

Wenn das nicht die Zeit ist, mehr Geld zu leihen und auszugeben, muss man sich fragen, wie es sonst weitergeht. Null-Zinsen, hohe Haushaltsüberschüsse, Inflation unter dem Zielwert und stagnierende Wirtschaft. Das sind die Parameter der europäischen Wirtschaft, die sich gegenwärtig am Rande einer Rezession befindet.

Die makroökonomische Politik beruht auf drei Beinen: Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzpolitik (gemeint sind die Finanzmärkte und deren Regulierung). 

Von dem Einsatz der Fiskalpolitik wurde bisher nicht Gebrauch gemacht. Die Wirtschaft stabilisiert sich nicht von selbst. Das ist eine der wichtigsten Lehren aus der Great Depression in den 1930er Jahren, aber auch was die Great Recession 2008-2009 nahelegt

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