Freitag, 25. Mai 2018

Italien als Aushängeschild für Europas gescheiterte Wirtschaftspolitik


Italien ist in aller Munde. 

Die Regierungsbildung rückt näher. Die beiden Parteien, Lega (rechtsnational) und Fünf Sterne (linkspopulistisch) bieten der EU Stirn: 

Die neuen Amtsinhaber in Rom lehnen das von Berlin vorgegebene Spardiktat, das in der Eurozone trotz der anhaltenden Nachfrageschwäche mit nach wie hoher Arbeitslosigkeit vorherrscht, entschieden zurück.

Der Risikoaufschlag der italienischen Staatsanleihen gegenüber den deutschen Bundesanleihen steigt inzwischen praktisch täglich an. Mit 185 Basispunkten hat der Spread mittlerweile einen Höhepunkt erreicht.

Investoren deuten dabei auf die Pläne der neuen Koalition in Sachen Ausgaben hin und schlagen Alarm: Die Tragfähigkeit der italienischen Staatsfinanzen wird in Frage gestellt.

Der Teufel steckt aber im Detail. 

Zum Beispiel: Es ist Italien gelungen, in 24 der letzten 26 Jahre einen Primärüberschuss zu erzielen, wie Pictet WM aus Genf berichtet. Die Schätzung für 2017 beläuft sich auf 1,5% des BIP.



Italiens Primärüberschuss und Zinslast, Graph: PictetWM, May 2018


Gleichzeitig wurde das öffentliche Defizit von -5,3% des BIP im Jahr 2009 auf -2,1% im Jahr 2017 gesenkt. Und es wird erwartet, dass das Defizit weiter zurückgeht.

Die Zinszahlungen für den vergangenen Schuldenstand und der implizite Zinssatz für Schulden befinden sich (derzeit 2,8%) auf dem niedrigsten Stand seit der EUR-Einführung.



Welche Sektoren italienische Staatsanleihen halten, Graph: PictetWM, May 2018

Und die durchschnittliche Fälligkeit der Schulden ist auf 7 Jahre angestiegen. 

In der Zwischenzeit ist der Anteil der Staatspapiere in den Händen ausländischer Investoren und italienischer Banken auf 32% bzw. 47% gesunken.


Inhaber italienischer Staatsanleihen, Graph: FT, May 23, 2018 


Das hohe Niveau der öffentlichen Verschuldung Italiens (132% des BIP) muss daher mit diesen Details in Relation gesetzt werden.


Die durchschnittliche Fälligkeit der italienischen Staatspapiere, Graph: FT, May 23, 2018 


Es lässt sich festhalten, dass der Fall Italien zeigt, dass eine Haushaltskonsolidierung in einer Rezession nicht expansiv wirkt. 

Die Austerität in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft schiebt die Erholung der Wirtschaft auf die lange Bank.

Das Konzept der “expansiven Fiskalkontraktion” ist ein Trugschluss. Siehe Griechenland, und siehe Italien, um nur zwei krasse Beispiele zu nennen.

Ausgabenkürzungen lasten auf dem Wachstum. Und wenn kein Wachstum da ist, dann steigt der Schuldenstand.

Italiens Schuldenproblem ist daher auf die lang-anhaltende Rezession (mittlerweile seit 6 Jahren) zurückzuführen, nicht auf fiskalpolitische Verschwendung des Landes. Nicht zu vergessen, dass die Arbeitslosenquote 10 Jahre nach dem Ausbruch der Great Recession nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau liegt: 11%.

Vor diesem Hintergrund fällt es nicht schwer, Italien als das Aushängeschild für die Mängel in Europas Konstruktion zu beschreiben, wie das Fazit eines aktuellen Kommentars bei Washington Post lautet.

Gemeint ist die dogmatische Sparpolitik der europäischen Entscheidungsträger, die in der Eurozone daran festhalten, koste es was es wolle. Man kann aber aus einer solchen Krise nur herauskommen, wenn man Ausgaben erhöht, wie Heiner Flassbeck am Mittwochabend in der phoenix Runde gesagt hat, mit Betonung auf die Schulden.



Italien: Leistungsbilanz (blaue Kurve) und Zinsausgaben für die Schulden (rote Kurve), Graph: FT, May 23, 2018 

Deutschland hat nämlich die eigene Wirtschaft in den vergangenen 10 Jahren hauptsächlich über den Aussenhandel angeregt und permanent hohe Überschüsse in der Leistungsbilanz erwirtschaftet. 

Da nicht alle Länder gleichzeitig Leistungsbilanzüberschüsse erzielen können, ist dieser Weg für Italien gesperrt. Rom hat daher keine praktische Option, als die Wirtschaft über Ausgaben anzukurbeln. 

Das bedeutet Schulden machen, was aber durch die restriktiven Regeln der EU behindert wird. 

Nochmals zur Erinnerung: Deutschlands Wirtschaftswachstum kommt dank der Verschuldung des Auslands zustande. Alle Wirtschaftssektoren (private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand) haben in Deutschland einen Finanzierungsüberschuss. Nur das Ausland verschuldet sich.


Das globale synchronisierte Wachstum war schön, solange es dauerte, was aber nicht lange gedauert hat, Graph: Jan Hatzius, Goldman Sachs via John Authers in FT, May 25, 2018

Die synchronisierte Expansion der Wirtschaft ist in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres zu Ende gekommen, hauptsächlich durch eine erneute Abkühlung in der Eurozone (Stichwort: fiscal austerity).





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