Mittwoch, 3. Mai 2017

Arbeit, Kapital und Wachstum in Europa


Bilder sagen mehr als tausend Worte. Das ist die Redewendung, die bei der Vorstellung der folgenden Abbildung perfekt passt.

Was wir sehen, ist die sektorale Bilanz der deutschen Wirtschaft. Die Finanzierungssalden zeigen, dass private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand in Deutschland Netto-Sparer sind.

Die Entscheidungsträger in Sachen Wirtschaftspolitik müssten im Grunde genommen beim Anblick dieses Charts fast vom Stuhl fallen. Denn wo ist die Nachfrage, wenn alle sparen wollen? Woher soll das Wachstum kommen?

Was wir dabei nicht sehen, ist das Ausland. Die „dummen Ausländer“ verschulden sich, um deutsche Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Und obendrauf werden sie von der Politik beschimpft, weil sie, die Schuldner-Länder auf Pump leben.

Die Evidenz deutet darauf hin, dass ein relativer Kapitalmangel (d.h. das Zurückbleiben der Investitionen) in Deutschland das Gegenstück zum Rückgang des Anteils der Arbeit an der deutschen Wirtschaft widerspiegelt, lautet eine Botschaft der aktuellen Studie, die von Bruegel, einer wirtschaftswissenschaftlichen Denkfabrik mit Sitz in Brüssel am Dienstag vorgelegt wurde.



Die Finanzierungssalden der Sektoren in der deutschen Wirtschaft, Graph: Bruegel in: „The global decline in the labour income share: is capital the answer to Germany’s current account surplus?“, April 2017


Die Autoren betonen, dass Kapital und Arbeit in den grossen Volkswirtschaften des Euroraums sich ergänzen (complements), nicht ersetzen (substitutes). 


Die (real) effektiven Wechselkurse im Euroraum, mit Bezug auf die Lohnstückkosten (ULC), Deutschland, Frankreich und Italien im Vergleich, Graph: Bruegel in: „The global decline in the labour income share: is capital the answer to Germany’s current account surplus?“, April 2017

PS: Die Abbildung zeigt, wie Deutschland sich durch Lohn-Moderation wettbewerbspolitische Vorteile verschafft

Der Rückgang des Arbeitsanteils in Deutschland sei mit den Entwicklungen in anderen Industrieländern wie z.B. den USA und Japan vergleichbar.

Allerdings gilt es zu beachten, dass der Arbeitsanteil in Frankreich und Italien seit Beginn der europäischen Währungsunion gestiegen ist.

Die netto-Investitionen des öffentlichen Sektors in Deutschland fallen seit Jahren und der netto-Capital Stock ist seither in Prozent des BIP nicht gestiegen. Deutschland braucht daher dringend eine Investitionsstrategie, um die öffentliche Investitionen anzukurbeln, so die Studie.

Was die Investitionen des privaten Sektors betrifft, ist festzuhalten, dass die deutschen Unternehmen zum Netto-Sparer geworden sind. Wenn Investitionen zurückbleiben, leidet auch die Produktivität der Arbeitnehmer, heben die Autoren der Analyse weiter hervor.


Die Investitionen der öffentlichen Hand in Deutschland, Graph: Bruegel in: „The global decline in the labour income share: is capital the answer to Germany’s current account surplus?“, April 2017


Die Schlussfolgerung der Analyse lautet, dass Deutschland Investitionen steigern muss, wenn es den Arbeitsanteil erhöhen will.

Ein authentisches Problem ergibt sich aber insofern, als die Länder mit den Auswirkungen des technologischen Wandels und der Globalisierung auf die heimischen Arbeitsmärkte unterschiedlich umgehen.

Die unterschiedlichen Ansätze würden ausserhalb einer Währungsunion zu erheblichen unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf das Wirtschaftswachstum und die Produktivität führen. Aber der nominale Wechselkurs würde die makroökonomischen Ungleichgewichte korrigieren.

Innerhalb einer Währungsunion hingegen führen die unterschiedlichen Ansätze (z.B. die Lohnmoderation in Deutschland) zu einer grossen und relativ anhaltenden Divergenz, mit einem Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit (z.B. in Frankreich und Italien) und dem Zuwachs des Leistungsbilanz-Überschusses (z.B. in Deutschland).










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