Mittwoch, 29. Dezember 2021

Inflationsjäger und Panikmache

Plötzlich spricht jeder/jede über Inflation. Meinungsartikel warnen, dass die Hyperinflation vor der Tür steht.

Macht aber die grosse Inflationsangst überhaupt Sinn?

Bis vor kurzem war Deflation, nicht Inflation, die klare und gegenwärtige Gefahr.

Wenn die Fed und/oder die EZB die Preisstabilität in den vergangenen zehn Jahren nicht gewährleisten konnten, dann nicht, weil sie das eigene Inflationsziel übertroffen hätten, sondern weil sie es unterboten.

Es ist vor diesem Hintergrund bemerkenswert, zu lesen, dass Nicolai Tangen, der Chef des weltgrössten Staatsfonds (SWF: Sovereign Wealth Fund) im Gespräch mit der FAZ sagt, dass er überall Inflation erkenne.

Wow?

Da fällt mir ein: Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus.



S&P 500 Index performance: +28% y-t-d, Graph: BloombergTV Dec 28, 2021

Donnerstag, 23. Dezember 2021

Inflation und keine Bond Vigilantes

Die folgende Abbildung signalisiert, dass die Händler auf dem Anleihemarkt nicht einer anhaltenden Inflation rechnen.

Stellen Sie sich vor, dass sich die Inflationsrate auf ein Vier-Jahrzehnt-Hoch von 6,8% beschleunigt und die festverzinslichen Wertpapiere aus dem Portfolio nicht abgestossen werden.

Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit dümpelt bei 1,4% und liegt damit nur einen halben Prozentpunkt höher als zu Jahresbeginn, wie die FT aus London unterstreicht.

Selbst die Rendite von 30-jähriger US-Staatsanleihen, die auf jeden Hauch von Inflation überempfindlich reagieren sollte, ist nur von 1,6% auf 1,8% gestiegen.



US-Treasuries (UST: amerikanische Staatsanleihen) sind trotz der steigenden Inflation ruhig geblieben, Graph: FT, Dec 21, 2021 

Montag, 20. Dezember 2021

Fed Funds Rate und Erwartungen im Markt

Die Finanzmärkte liebäugeln bereits mit der Möglichkeit, dass die Fed Mitte März 2022 mit ihren Zinserhöhungen beginnt. 

Der endgültige Zinssatz («terminal rate»), der von den Finanzmärkten eingepreist wird, liegt unter 1,5% gegenüber 2,5% aus Sicht der Fed.


Fed Funds Rate und Markterwartungen, Graph: Nordea, Dec 17, 2021

Sonntag, 19. Dezember 2021

US-Notenbank, Inflation und Wirtschaft der Beschäftigung

Die britische Notenbank (BoE) hat am Donnerstag beschlossen, den Leitzins von 0,10% auf 0,25% zu erhöhen. Die Entscheidung wurde mit dem Hinweis auf die Inflation, die im November auf 5,1% gestiegen ist, begründet.

Am Mittwochabend hat die US-Notenbank (Fed) mitgeteilt, die geldpolitische Straffung demnächst zu beschleunigen und die Anleihekäufe rascher als geplant herunterzufahren.

Die EZB hingegen hat bekräftigt, am expansiven Kurs der Geldpolitik festzuhalten, um die Inflation mittelfristig beim Zielwert von 2% abzustützen. 

Die US-Anleger reagierten auf die Absicht der US-Notenbank, die Inflation zu bekämpfen, mit einer eindeutigen Risikobereitschaft: Die Aktien stiegen und die US-Staatsanleihen stabilisierten sich.



Divergenz der Zentralbanken: Die Anzahl der eingepreisten Zinserhöhungen bis Mitte 2022, BoE (gelb), Fed (lila) und EZB (rot), Graph: Bloomberg TV, Dec 17, 2021

Mittwoch, 15. Dezember 2021

Fed Funds Rate und Terminal Rate

Die Renditekurve (yield curve), die die Renditen von US-Staatsanleihen über verschiedene Laufzeiten hinweg abbildet, gilt als Indikator für die Wetten der Anleger auf künftige Wachstumsaussichten. 

Im Allgemeinen korrespondieren höhere längerfristige Anleiherenditen (und eine steilere Kurve) mit Optimismus über die längerfristigen Bedingungen.

Heute sehen wir einer flacheren Renditekurve gegenüber. So ist beispielsweise die Differenz zwischen den 2-jährigen und den 10-jährigen USTs im Dezember auf nur noch 75 Basispunkte gefallen. Heute beläuft sich der Wert auf 78 Basispunkte.

Wenn diese Differenz unter 0 fällt, stellen sich die Märkte i.d.R. auf eine Rezession ein.

Klar ist, dass aus Sicht der Fed eine flache oder umgekehrte ("invers") Renditekurve unerwünscht ist.



Fed Funds Rate, terminal rate, Graph: Morgan Stanley, Dec 13, 2021


Sonntag, 12. Dezember 2021

Einblicke in den Kampf der Fed gegen die Inflation

Die Inflation in den USA ist im November auf 6,8% im Vorjahresvergleich gestiegen. Die Teuerung hatte im Oktober 6,2% erreicht. 

Das ist die höchste Inflationsrate seit rund dreissig Jahren. Der Anstieg der Inflation wurde v.a. durch die Preise für Energie (+33,3%), Heizöl (+59,3%) und Benzin (+58,1%) getrieben.

Dass die ungewöhnlich hohe Inflation die Menschen verunsichert, ist verständlich. Dies gilt v.a. dann, wenn die Kosten für das Tanken stark ansteigen. Die psychologische Bedeutung der Anstieg der Kosten ist sicherlich weitaus grösser als die 4%, die sie im Verbraucherpreis-Index (CPI) ausmachen.

Bemerkenswert ist aber, dass die Inflationserwartungen (gemessen von UST Breakeven rates) unmittelbar nach der Mitteilung der aktuellen Inflationsrate durch das amerikanische Bureau of Labor Statistic (BLS) zurückgefallen sind. 



Die Abflachung der UST Ertragskurve (yield curve), Graph: Bloomberg, Dec 10, 2021

Cogs and Monsters

Buchbesprechung

Diana Coyle: Cogs and Monsters – What Economics is, and What it Should be, Princeton University Press, Oct 12, 2021, London.


Das Wirtschaftssystem hat einen enormen Einfluss auf das Leben der Menschen und damit der Tiere und der Natur.

Die Kritik an den Wirtschaftswissenschaften, die insbesondere seit der GFC (2008) im Allgemeinen deutlich geworden ist, nimmt inzwischen zu und fordert und fördert das Umdenken über die herkömmlichen Modelle.

Auch die Frage, die sich v.a. im Kontext mit der digitalisierten Wirtschaft stellt, ist berechtigt. Wie realistisch ist Homo Economicus? Mit anderen Worten: Sind die fragwürdigen Prämissen der Mainstream-Wirtschaftsmodelle noch gültig bzw. zeitgemäss?

Vor diesem Hintergrund befasst sich Diana Coyle in ihrem neuen Buch mit den augenfälligen Parametern der vorherrschenden Lehre, die die Umsetzung der Wirtschaftspolitik auf beiden Seiten des Atlantiks prägt. Und sie erspart sich dabei keine Selbstkritik, was die Stimmung und Stimmen im eigenen Berufsstand angeht. 

In Sachen «schwindelerregende Veränderungen» hebt die Autorin Finanzkrisen, das träge Wirtschaftswachstum, in die Breite gehende Ungleichheit, Klimakrise und zuletzt die aktuelle Pandemie-Bekämpfung hervor.

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Notenbanken wollen Beschäftigung unterstützen

Seit 1977 hat die Federal Reserve (Fed) vom Kongress den Auftrag erhalten, "die Ziele der maximalen Beschäftigung, stabiler Preise und moderater langfristiger Zinssätze wirksam zu fördern" - was heute gemeinhin als das "Doppelmandat" der Fed bezeichnet wird. 

Der Gedanke, dass die Fed mehrere Ziele verfolgen sollte, lässt sich jedoch mindestens bis in die 1940er Jahre zurückverfolgen, wobei die Betonung darauf, welches Ziel vorrangig sein sollte, variierte. 

Dass ein solches Mandat zuweilen zu Spannungen in der Geldpolitik führen kann, ist ebenfalls ein offenes Geheimnis.

Heute wird der maximalen Beschäftigung eine grosse Bedeutung beigemessen. 

Jerome Powell, Fed-Vorsitzender legt grossen Wert darauf, dass die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit in vollem Umfang berücksichtigt werden.



Die Leitzinsen der Fed und der EZB und Prognose der erwarteten Entwicklung in naher Zukunft, Graph: JPMorgan Private Bank, Dec 06, 2021


Sonntag, 5. Dezember 2021

Eurodollar Futures signalisieren eine Zinssenkung im Jahr 2025

Wow! Gita Gopinat, Chefökonomin des IWF schreibt am Freitag, dass es angemessen wäre, wenn die Fed das Auslaufen der Ankäufe von Vermögenswerten beschleunigen und den Pfad für Leitzinserhöhungen vorziehen würde.

Donnerwetter!

Die Tatsache, dass es überall auf der Welt zu Engpässen («shortages») und Inflation kommt, ist eigentlich ein Hinweis darauf, dass die nationale Politik nicht die Hauptursache für die Probleme ist. 

Vielmehr sind sie weitgehend unvermeidlich, da die Volkswirtschaften versuchen, nach den durch COVID19 verursachten epischen Unterbrechungen neu zu starten.

Doch während Inflationistas fast seit Beginn des Jahres die Fed auffordern, die Zinsen zu erhöhen, bevor es zu spät werde, schicken sich Händler in einer Ecke des US-Zinsmarktes an, die Möglichkeit von Zinssenkungen der US-Notenbank im Jahr 2025 in Betracht zu ziehen.

Die Rede ist von dem Eurodollar-Terminmarkt, wo die Händler mit einem wesentlich niedrigeren Höchststand für den Leitzins (Fed Funds Rate) der Fed rechnen als die US-Notenbank selbst erwartet, wie es in den FOMC’s dot-plots zum Ausdruck kommt.



Die Märkte gehen von einem wesentlich niedrigeren US-Leitzins (Fed Funds Rate) als der FOMC der Fed anhand von «dot-plots» vorausgesagt hat, Graph: BloombergQuint , Dec 03, 2021 


Samstag, 4. Dezember 2021

Pandemie, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung

Die Arbeitslosenquote im Euroraum lag im Oktober 2021 bei 7,3%, ein Rückgang gegenüber 7,4% im September 2021 und gegenüber im Oktober 2020.

Good news, dass die Anzahl der arbeitslosen Menschen abnimmt. Gemäss Schätzungen von Eurostat waren im Oktober 2021 in der EU 14,3 Millionen Männer und Frauen arbeitslos, davon 12 Millionen im Euroraum.

Obwohl die Arbeitslosenquote in vielen Ländern stark gesunken ist, ist das Lohnwachstum aber nach wie vor gering, bereinigt um die Inflation sogar negativ.

Dies scheint auf die Unterbeschäftigung zurückzuführen zu sein, die in den fortgeschrittenen Ländern die Arbeitslosigkeit als wichtigstes Maß für die Flaute auf dem Arbeitsmarkt abgelöst hat, wie Danny Blanchflower tiefgründig in seinem aktuellen BuchNot Working») ausführlich erläutert.





Arbeitslosigkeit (7,3%) und Unterbeschäftigung (13,8%) in der Eurozone, Graph: EU Eurostat, Dec 02, 2021 


Mittwoch, 1. Dezember 2021

Inflationspanik und monetäre Falken

Die Rückkehr der monetären Falken:

El-Erian sagt, die Fed sollte erkennen, dass die Inflation nicht vorübergehend ist.

Allianz Chef-Wirtschaftsberater entpuppt sich damit als einer der wahnhaften Inflationistas, die nicht zugeben können, dass sie im letzten Jahrzehnt zum Beispiel auf den Anleihemärkten völlig falsch lagen.

Abgesehen davon ist der Hintergrund eindeutig politisch. 

Die Inflationistas bringen die lockere Geldpolitik der Notenbank fast immer mit Beschwerden über die Staatsausgaben in Verbindung.

Weil sie Anhänger von Fiscal Austerity sind. Wenn es aber um Einzelheiten geht, liegen sie völlig falsch. Denn die Fed druckt kein Geld, um das Haushaltsdefizit zu decken.



US-Inflation and COVID19 empfindliche und nicht-empfindliche Komponenten, Graph: San Francisco Fed, Economic Research, Nov 29, 2021