Die Corona-Krise hat praktisch alle Länder der Welt vor beispiellose Herausforderungen gestellt.
Was dabei auffällt, ist, dass der öffentliche Sektor sich nach besten Kräften bemüht, den privaten Sektor zu stützen; die Bürger, Unternehmen und die Beschäftigung.
Während die Regierungen die Ausgaben erhöhen, steigt aber die Staatsverschuldung. Die Frage, die daher immer wieder aufgeworfen wird, lautet, wer das alles bezahlen soll.
Die Kosten der Massnahmen, die zur Bewältigung der Corona-Krise ergriffen werden, werden zumeist über die berühmt-berüchtigte Formel „debt-to-GDP“, Verschuldung im Verhältnis zum BIP, gemessen.
Es ist aber nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im Allgemeinen falsch, die wachsenden Haushaltsdefizite als Ursache und nicht als Ergebnis der Schwäche der Realwirtschaft zu betrachten.
Zur Erinnerung: Der Staat verordnet aufgrund der Pandemie die Schliessung der Geschäfte („lockdown“), um die Gesundheit der Bürger zu schützen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fällt aus und die Beschäftigung wird abgebaut, Menschen werden arbeitslos. Und die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, da die Einnahmen fehlen. Das alles lastet folglich auf dem Wachstum.
Die Metrik „debt-to-GDP“ ist ein Bruch, Graph: Jason Furman, Nov 19, 2020
Wenn das Wachstum (Nenner) sinkt, ergibt die „debt-to-GDP“-Quote einen höheren Wert, da die Schulden (Zähler) im Bruch zunehmen.
Die Haushaltsergebnisse sind meist endogen und schwanken mit den sich ändernden Bedingungen in der Realwirtschaft.
Steigende Arbeitslosigkeit beispielsweise zieht den Staatshaushalt ebenso nach unten, wie Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt ihn nach oben ziehen.
Es müsste daher einleuchten, dass politische Entscheidungsträger niemals ein bestimmtes Haushaltsergebnis anstreben sollten, da der Haushalt kein Selbstzweck ist.
Vor diesem Hintergrund bemerkt Jason Furman im Rahmen einer Vortragsreihe „Markus Academy“ an der Princeton University am 19. November, dass die „debt to GDP“ eine problematische Metrik ist.
Denn die Schulden (debt) in dieser Kennzahl stellen eine Bestandsgrösse (stock) dar. Das BIP (GDP) hingegen ist eine Stromgrösse (flow).
Der netto-Gegenwartswert des US-BIP beträgt 3,9 Billiarden USD oder unendlich, wenn r < g ist, fügt der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor hinzu.
Zum Zweiten reflektiert die „debt-to-GDP“ Metrik die zur Bedienung der Schulden erforderlichen Zinsen nicht. Wie man in der folgenden Abbildung sehen kann, sind die Schulden in den vergangenen Jahren angestiegen, die Zinszahlungen sind (aber) zurückgefallen.
Die Schulden sind angestiegen. Die Zinszahlungen sind gesunken, Graph: Jason Furman, Nov 19, 2020
Zum Dritten ist die „debt-to-GDP“ Metrik rückwärtsgewandt.
Die Metrik „debt-to-GDP“ ist rückwärtsgewandt, Graph: Jason Furman, Nov 19, 2020
Fazit: Der finanzpolitische Kurs sollte so festgelegt werden, dass das Produktions- und Beschäftigungsniveau erhöht wird, und nicht so, dass irgendein willkürliches Haushaltsziel erreicht wird, wenn das Ziel möglicherweise nicht erreichbar ist.
Politische Ziele, wie z.B. Vollbeschäftigung, können nämlich mit einem defizitären, überschüssigen oder ausgeglichenen Haushalt erreicht werden, wie Stephanie Kelton argumentiert.
Die Renditen der US-Staatsanleihen fallen, während die Staatsverschuldung steigt, Graph: Bloomberg, Nov 27, 2020
Der Haushalt sollte daher als ein Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele eingesetzt werden, die auf die Erhöhung des Lebensstandards und die Förderung einer gerechteren Einkommensverteilung abzielen.
Ohne eine ehrgeizigere Verwendung des Staatshaushalts wird das System niemals die öffentlichen Investitionen in Bildung, Technologie und Infrastruktur erbringen, die für den langfristigen Wohlstand entscheidend sind.
Wir brauchen deswegen keinen ausgeglichenen Haushalt, sondern eine ausgeglichene Wirtschaft.
Was nötig wäre, um die Schulden zu stabilisieren, Graph: Jason Furman, Nov 19, 2020
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