Heiner Flassbeck pflegt zu sagen, dass der Arbeitsmarkt nicht wie der Kartoffelmarkt funktioniert. Im Grunde genommen ist der Arbeitsmarkt kein Markt. Denn das Angebot und Nachfrage sind nicht voneinander unabhängig.
Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu lesen, wie die Fed St. Louis in einem jüngst veröffentlichten Research-Paper („Lump of Labor“ Fallacy) die oben zitierte Aussage ausführlich bestätigt.
In Wirklichkeit ist die Nachfrage nach Arbeitskräften nicht fixiert. Veränderungen in einer Branche können durch das Wachstum in einer anderen Branche ausgeglichen oder überschattet werden. Und wenn die Erwerbsbevölkerung wächst, steigt auch die Gesamtbeschäftigung, erklären die Autoren der Forschungsarbeit.
Die Analyse enthält zudem zwei Lektionen, die die „lump of labor“ Fallacy widerlegen, und sie erläutert anhand eines einfachen Wirtschaftsmodells, wie die Wirtschaft funktioniert, und beleuchtet, wie Technologie und Einwanderung den Lebensstandard erhöhen können.
Wirtschaftskreislauf (The Circular Flow Model), Graph: St. Louis Fed, Research, Nov 2020
Der Trugschluss von “lump of labor“ geht von der Annahme aus, dass es einen festen Betrag an Arbeit gibt, die getan werden kann. Das heisst: Arbeitsknappheit. Doch die Annahme kann Ängste vor Neueinsteigern auf dem Arbeitsmarkt auslösen und vor Automatisierung.
Weil Arbeit eine wertvolle Ressource ist, werden Arbeitsplätze, die in einer Branche aufgrund des technologischen Fortschritts verloren gehen, i.d.R. von anderen (expandierenden oder neuen) Branchen absorbiert.
Die Grösse des wirtschaftlichen Kuchens ist nicht festgelegt; er wächst, wie die St. Louis Fed weiter erläutert.
Arbeitskräfte und Beschäftigung in den USA, Graph: St. Louis Fed, Research, Nov 2020
Wie das Wirtschaftskreislauf-Modell zeigt, wird das zusätzliche Einkommen, das die Arbeitnehmer in die Wirtschaft einbringen, für Güter und Dienstleistungen ausgegeben, was die Nachfrage nach diesen Gütern und Dienstleistungen und nach der Arbeit, die sie produziert, erhöht.
Infolgedessen ist Arbeit kein fixer Klumpen. Vielmehr wird sie durch die zugrunde liegende Nachfrage nach den von der Arbeit produzierten Gütern und Dienstleistungen bestimmt. Langfristig wird die Zahl der Arbeitsplätze mit der Größe der Arbeitskräfte und der Wirtschaft steigen.
Das Lohnwachstum in den USA ist seit mehr als drei Jahrzehnten anhaltend niedrig, Graph: Morgan Stanley, Nov 09, 2020
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich zu vergegenwärtigen, dass die Löhne die Preise bestimmen. Werden die Löhne gedrückt, wird die Nachfrage eingeschränkt.
Wenn die Umsätze infolgedessen abnehmen, halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück. Auf diese Weise wird die Beschäftigung beeinträchtigt und die Arbeitslosigkeit steigt an. Denn die Einnahmen des einen sind die Ausgaben des anderen.
Dass das Lohnwachstum in den USA seit mehr als drei Jahrzehnten anhaltend niedrig ist, ist ein wesentlicher Grund dafür, warum das Zinsniveau heute so niedrig ist. Es ist daher nicht angemessen, zu behaupten, dass die Zinsen künstlich niedrig gehalten werden.
1 Kommentar:
Schon Krugman machte sich über die deutsche Inkompetenz, diesen einfachen Mechanismus zu kapieren, lustig:
https://relevantscience.blogspot.com/2015/10/learning-nothing-in-europe-by-paul.html
"But not in Germany"
Erkenntnis bei den Neo-Merkantilisten hier: Null.
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