Die US-Notenbank hat im März 2020 den Fed Funds Rate um 1% auf fast null Prozent gesenkt. Die Zinsspanne beträgt seither 0% bis 0,25%.
Fed-Chef Jerome Powell hat zudem angedeutet, dass er Negativzinsen nicht für ein wirksames Instrument zur Stimulierung des Wachstums hält.
Doch es kam am Donnerstag zu einem Paukenschlag. Der Fed-Funds-Futures Markt kalkuliert im nächsten Jahr negative US-Zinssätze ein. Die Futures Kontrakte vom Freitag signalisieren einen negativen Zinssatz von einem halben Basispunkt im April 2021.
Es ist unbestritten, dass es sich dabei um eine hochtechnische Angelegenheit handelt: Die Futures zeigen Markterwartungen an, die sich ändern können.
Die Zentralbanken versuchen im Allgemeinen, auf die Zinsen am kurzen Ende der Ertragskurve (yield curve) Einfluss zu nehmen. Am langen Ende der Kurve bilden sich die Zinsen aufgrund von Angebot und Nachfrage.
Ein negativer Leitzins würde bedeuten, dass die Banken für die überschüssigen Reserven, die sie bei der Fed hinterlegen, einen Zinssatz entrichten müssten.
Fed Funds Futures Zinsen (12 Monate), Graph: Bloomberg, May 08, 2020
Zur Erinnerung: Die EZB hat im Juni 2014 negative Zinsen eingeführt, und den Einlagensatz (deposit rate) auf minus 0,10% gesenkt.
Die BoJ (Bank of Japan) hat im Januar 2016 Negativzinsen vorgestellt, um zu verhindern, dass die Landeswährung JPY sich aufwertet. Die japanische Zentralbank berechnet für die überschüssigen Reserven der Finanzinstitute, die bei der BoJ geparkt werden, einen Zinssatz von 0,1%.
Fed Funds Rate Future Contracts June, Graph: Bloomberg, May 09, 2020
Was ist also nun los?
Die rekordtiefen Zinsen deuten ohne Zweifel auf eine Unterströmung der Sorgen im Markt hin.
Neben technischen Faktoren wie Ausfällen von Short-Positionen mögen aber auch wachsende Deflationsängste eine Rolle spielen.
Inflationserwartungen gemessen an 10y Breakeven Sätzen, Graph: J Safra Sarasin, May 08, 2020
Der Ölpreisverfall im April aufgrund von zu viel Angebot und zu wenig Speicherkapazitäten mit der Folge von negativen Erdöl-Preisen im Future-Handel lässt sich heute möglicherweise als „Wink mit dem Zaunpfahl“ interpretieren, wie niedrig die Zinsen sein könnten.
Fed Funds Futures Kontrakte werden (von Dez 2020 bis Jan 2022) über dem Nennwert gehandelt, und implizieren damit negative Fed Funds Rates in naher Zukunft, Graph: Bloomberg, May 08, 2020
Wie Bloomberg berichtet, wurde jeder Fed-Funds-Futures Kontrakt von Dezember 2020 bis Januar 2022 am Donnerstag über dem Nennwert gehandelt, was das Potenzial nahelegt, wie geringfügig negative Zinssätze in diesem Zeitraum impliziert werden.
Manche Analysten gehen zwar davon aus, dass die Fed selbst in einem schwierigeren wirtschaftlichen Szenario wahrscheinlich YCC (yield curve control) oder Forward Guidance gegenüber negativen Zinssätzen bevorzugen würde.
YCC ist eine Zinskurven-Kontrolle, wie sie derzeit in Australien und Japan eingesetzt wird.
Rally in Fed Funds Futures deutet auf negative Fed Funds Rates hin, Graph: Bloomberg, May 08, 2020
Angesichts der epischen Tiefe der bevorstehenden Rezession ist es aber verständlich, allen Optionen, die auf dem Tisch liegen, Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu gehört auch NIRP (negative interest rate policy), die mit der Zeit diskontiert würde, bis die Fed dazu klar Stellung nimmt.
Es gibt wie gesagt sowohl technische als auch quasi fundamentale Gründe, warum so viele Fed-Funds-Futures überdurchschnittlich (über pari) gehandelt werden.
Händler, die auf eine Vergrösserung der Kluft zwischen kurz- und längerfristigen Zinssätzen setzen, tendieren auch dazu, eine langfristige Position in kurzfristigen Fed Funds Futures einzunehmen. Aber auch diejenigen, die vergeblich auf eine Kurvenabflachung gewettet habe, würden jetzt den Kaufdruck am kurzen Ende der Kurve erhöhen.
Warum wetten aber Händler auf eine Kurve, die flacher oder steiler wird (der sog. Spread-Trade), anstatt direkt eine Long- oder Short-Position in Bezug auf längerfristige Zinsen einzunehmen?
Die Antwort: Die Margin-Anforderungen im Spread-Trade sind niedriger.
Die erzwungene Schliessung von Deals in Bezug auf eine abflachende Kurve als Folge der steiler werdenden Kurve am Mittwoch kann laut Bloomberg auch die Situation inzwischen verschärft haben, ausgelöst durch die Ankündigung des US-Schatzamtes im II. Q 2020 eine hohe Menge (2‘000 Mrd. USD) von Staatspapieren zu emittieren.
Die Händler haben laut Berichten sowohl bei Eurodollar- als auch bei Fed-Funds-Futures überwiegend eine Short-Position aufgebaut.
Fazit:
Erstens scheinen die Märkte verinnerlicht zu haben, dass das Wachstum der Bilanz einer Zentralbank in einer schweren Krise (während die nominalen Zinsen nahe null liegen) keine Inflation auslösen muss.
Zweitens scheint die Fähigkeit der Zentralbanken an der Nullzinsgrenze (zero lower bound) tatsächlich begrenzt, die Zinssätze zu erhöhen, ohne wirtschaftliche und finanzielle Ängste zu verursachen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen