Dienstag, 19. November 2019

Wer hat Angst vor öffentlichen Investitionen in Deutschland?


Es mag sein, dass die deutsche Wirtschaft sich offiziell nicht in einer Rezession befindet. 

Es ist aber, wie gesagt, trotzdem ein Armutszeugnis, dass Berlin ein Wirtschaftswachstum von 0,1% leidenschaftlich feiert, um die Konjunktur ja nicht mit öffentlichen Investitionen ankurbeln zu müssen.

Die Tatsache, dass Deutschland eine Kontraktion zwei aufeinander folgende Quartale vermieden hat, scheint andererseits auf lange Sicht nicht besonders relevant zu sein, wie John Authers in seiner Kolumne bei Bloomberg anhand von ein paar sehenswerten Abbildungen unterstreicht.

Denn Deutschlands Probleme bleiben weiterhin gravierend. Europas grösste Volkswirtschaft braucht Investitionen z.B. in Innovationen, um weiter wachsen zu können.

Wenn man sich Deutschlands Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) ansieht, ist leicht festzuhalten, dass das Land im internationalen Vergleich nicht schlecht abschneidet.


Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) im Länder-Vergleich, Graph: John Authers, Bloomberg, Nov 18, 2019

Auch wenn Deutschland in F&E mehr steckt als China, sind die Ausgaben aber stark auf den Automobil-Sektor konzentriert.


In Deutschland sind die F&E Ausgaben überwiegend auf den Auto-Sektor fokussiert, Graph: John Authers, Bloomberg, Nov 18, 2019


Kein Land ist auf Autos und Fahrzeuge so angewiesen wie Deutschland.

Wenn wir uns ferner den Anteil der F&E Ausgaben für Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) ansehen, bleibt Deutschland eindeutig zurück. 


Der Anteil der F&E Ausgaben, die auf ICT, Information und Kommunikationstechnologie entfällt, Graph: John Authers, Bloomberg, Nov 18, 2019



Es ist vor diesem Grund phänomenal, zu beobachten, dass zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Wirtschaftsforschung das IMK und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln einen gemeinsam verfassten Bericht („Für eine solide Finanzpolitik: Investitionen ermöglichen“, IMK Report 152, November 2019) präsentieren.

Das deutet u.a. darauf hin, dass der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung offensichtlich keine angemessenen Impulse setzen kann. Auf die dogmatische Ignoranz der vom deutschen Staat bezahlten Wissenschaftler im Rat, die oft zu Schlussfolgerungen führt, dass der Markt immer recht hat, brauchen wir hier nicht näher einzugehen.

Die Verfasser des Berichtes, der am Montag vorgestellt wurde, halten fest, dass die öffentliche Hand in Deutschland in den vergangenen beiden Jahrzehnten die eigenen Investitionen massiv vernachlässigt hat.


Wenn r > g ist, sind keine Steuererhöhungen zum Ausgleich höherer Verschuldung erforderlich, Graph: Hans-Böckler Stiftung, Nov 18, 2019


Der öffentliche Kapitalstock sei den Anforderungen einer modernen Volkswirtschaft nicht gerecht und nicht ausreichend.

Der Investitionsbedarf über die kommenden 10 Jahre wird mit 450 Mrd. EUR beziffert, d.h. rund 45 Mrd. EUR pro Jahr.

Die Summe sei volkswirtschaftlich gut zu schultern. 

Und die Volkswirte, die für eine solide Finanzpolitik stehen, vertreten die Ansicht, dass die Schulden-Regeln im Grundgesetz um eine goldene Regel erweitert werden soll, die eine Kreditaufnahme im Umfang der Nettoinvestitionen erlaubt. 

Fazit: Weg mit prozyklischen und aus der Zeit gefallenen Schulden-Regeln, her mit Investitionen.



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