Christine Lagarde, die neue EZB-Präsidentin hat es zu Beginn ihrer 8-jährigen Amtszeit bei der EZB nicht einfach. Die frühere Chefin des IWF muss die Kritiker der lockeren Geldpolitik und Negativ-Zinsen der EZB v.a. in Deutschland beruhigen.
Die Französin hat in den vergangenen Tagen die deutsche Regierung häufig zu mehr öffentlichen Investitionen aufgefordert.
Einem kürzlich vorgelegten Papier des Jacques Delors Instituts in Berlin nach rührt die Kritik aus Deutschland daher, dass viele Deutsche ihre eigene Geschichte nicht ganz verstehen.
Die meisten Deutschen glauben demnach, dass die Zwischenkriegszeit des Landes nur von einer Krise geprägt sei, die zum Aufstieg von Hitler führte: die Hyperinflation während der Weimarer Republik.
Historisches Missverständnis in Deutschland: Hyperinflation und Deflation, Graph: Jacques Delors Institut, Berlin in: "Historic roots of Germany’s monetary policy discourse”, Nils Redeker, Lukas Haffert and Tobias Rommel, Nov 01, 2019
In Wirklichkeit übernahmen die Nazis die Macht nach einer Phase der Deflation, mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende der Inflation.
Es war nicht die Inflation der frühen zwanziger Jahre (1923), die Hitler an die Macht brachte, sondern die Deflation der dreissiger Jahre (1932).
Wie man dem Chart entnehmen kann:
Hyperinflation: 1921-1924.
Deflation: 1930-1932.
Reichskanzler Heinrich Brüning hat Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor um 20% reduziert und mit seiner Wirtschaftspolitik (restriktive Geldpolitik und fiscal austerity) Deutschland von 1930 bis 1932 in eine Depression geschickt, was den Aufstieg der Nazis erleichtert hat.
Die Kürzung der Ausgaben und Erhöhung der Ersparnisse haben eine signifikante Schrumpfung der Produktion ausgelöst und die Arbeitslosigkeit verdoppelt.
Die Autoren des Papiers unterstreichen, dass es für den öffentlichen geldpolitischen Diskurs in Deutschland nicht darum geht, die Vor- und Nachteile verschiedener politischer Optionen vor dem Hintergrund angemessener Lehren aus der Vergangenheit kühl zu analysieren.
Vielmehr haben viele Deutsche ein zutiefst fehlerhaftes Verständnis der wirtschaftlichen Entwicklung in der Weimarer Republik, in der die Gefahren der Hyperinflation und die verheerenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise als zwei Seiten derselben Medaille gesehen werden.
Diese Erzählung weist nicht nur nicht auf die negativen Folgen der Deflation hin, sondern hat auch zur Folge, dass viele Deutsche aufgrund ihrer wirtschaftsgeschichtlichen Darstellung den Gedanken widerlegen, dass die Bekämpfung von Inflation, Arbeitslosigkeit und geringem Wachstum widersprüchliche Ziele sein können .
Leider ist dieses Missverständnis bei hochgebildeten und politisch interessierten Deutschen häufig zu finden, und es wirkt sich zumindest bei konservativen Wählern auf die geldpolitischen Präferenzen aus und ist schwer zu korrigieren, so die Autoren der Studie als Fazit.
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