Sonntag, 12. Mai 2019

Gescheiterte Globalisierung

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: Gescheiterte Globalisierung – Ungleichheit, Geld und die Renaissance des Staates, edition suhrkamp, Berlin, 2018

TINA (There Is No Alternative) ist das Motto des Wirtschaftsliberalismus, der dem Rest der Welt seit den 1980er Jahren weiss machen will, dass die fiskalische Austerität (fiscal austerity) die einzige Lösung ist, um ökonomischen Krisen vorzubeugen.

Es handelt sich dabei aber um die Förderung einer Politik, die darauf abzielt, die Grösse des Staates zu verringern und Steuersenkungen für die Reichen zu erleichtern. 

Das „Schuldenproblem“ ist die Tarnung, die dazu dient, in die Köpfen von Menschen einzuprägen, dass der Markt die Lösung und der Staat das Problem ist. 

Die Verlagerung (praktisch aller Lebensbereiche) immer weg vom Staat hin zum mehr Markt hat im Verlauf der Zeit eine unerträglich lange Stagnation, ein hohes Niveau an Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung und ein anhaltend träges Lohnwachstum mit sich gebracht.

Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt zeigen in diesem neuen Buch, wie das Dogma der Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Steuerung aller Wirtschaftsbeziehungen inzwischen kläglich gescheitert ist und warum die (neo) liberale Hoffnung getrogen hat.

Die Autoren erläutern vor diesem Hintergrund nüchtern, warum dem Staat heute eine zentrale Rolle zukommt, um an der Optimierung des Gemeinwohls proaktiv mitzuwirken.

Ob es um Zölle oder andere Handelsschranken geht, sind es immer die Staaten, die darüber entscheiden, auf welche Weise Güter, Kapital und Menschen sich über die Grenzen bewegen. 

Auch das moderne Geld wird von Zentralbanken bereitgestellt. Und der Zins, der wichtigste Preis in einer Marktwirtschaft, wird fast vollständig vom Staat gesteuert, von der vom Staat beauftragten Notenbank. Die Zentralbanken können daher nicht politisch unabhängig sein.

Die Autoren halten fest, dass die internationale Koordination der Politik angesichts der Herausforderungen v.a. wie der Globalisierung und der Digitalisierung unumgänglich ist. 

Der demokratische Nationalstaat braucht eine globale Ordnung, und die globale Ordnung braucht handlungsfähige Nationalstaaten.

Die Autoren zeigen an einer Reihe von für die Marktwirtschaft relevanten Aspekten wie z.B. Arbeitsmarkt, Geldwesen, Sparen, Investieren, Umweltschutz usw., warum die naive Marktgläubigkeit auf der Mikroebene ein normatives Gebilde bleibt und makroökonomische Zusammenhänge in die Analyse nicht einzubeziehen vermag.

Flassbeck und Steinhardt durchleuchten das komplexe Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgern, indem sie die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge darlegen und begründen, warum das einzelwirtschaftliche Denken für die Gesamtheit falsch ist.

Darum muss man die Unternehmen in ihren Vorstellungen immer wieder korrigieren. Der Wettbewerb unter Nationen hat nichts mit dem sinnvollen Wettbewerb unter Unternehmen zu tun.

Wenn das einzelwirtschaftliche Denken (d.h. das Denken in den Kategorien eines Privathaushalts; z.B. schwäbische Hausfrau) über die Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge triumphiert, wird es nicht schwer, z.B. die Euro-Krise als eine Staatsschuldenkrise umzudeuten. 

Es ist wünschenswert, dass jede erwachsene Person, die sich zumindest seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise (GFC) von 2008-09 für die gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge interessiert, sich ein Exemplar dieses wertvollen Buches kauft und es bitte unbedingt liest.



Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: Gescheiterte Globalisierung – Ungleichheit, Geld und die Renaissance des Staates, edition suhrkamp, Berlin, 2018



1 Kommentar:

Giuseppe Navetta hat gesagt…

Vielen Dank für die Besprechung!