Dienstag, 27. Juli 2010

Deflation Mysterien

Paul Krugman schreibt in seinem Blog, dass er das Rätsel über die schrittweise erfolgende Deflation im japanischen Stil erklären will, weil er sich nicht sicher ist, ob die Leser überhaupt verstehen, was das Rätsel ist und dass es eigentlich eine Literatur zu diesem Rätsel gibt. Das Thema „Deflation als Rätsel“ war in dem von uns gestern in diesem Blog zitierten lesenswerten Artikel von Jon Hilsenrath in WSJ angesprochen worden. Seit Friedman und Phelps die Hypothese von „natural rate“ in den 1960er Jahren vorgelegt haben, beruft sich die angewandte Makroökonomik auf irgendeine Art von inflationsbereinigter Phillips Kurve nach dem Vorbild

Tatsächliche Inflation = A + B * (Produktionslücke) + erwartete Inflation

wobei die Produktionslücke (output gap) der Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem potenziellen Output entspricht. A und B sind geschätzte Parameter. (Die Produktionslücke korreliert eng mit der Arbeitslosenquote).

Die erwartete Inflation wiederum reflektiert voraussichtlich die jüngsten Erfahrungen in der Vergangenheit. Diese Beziehung prognostiziert (a) einen Rückgang der Inflation, wenn die Wirtschaft depressiv und die Produktionslücke negativ ist und (b) einen Anstieg der Inflation, wenn die Wirtschaft überhitzt ist und die Produktionslücke (output gap) positiv ist, erläutert Krugman. „Diese Vorhersage funktioniert relativ gut für die moderne Erfahrung der USA und erklärt v.a. die Disinflation der Rezession (Volcker) in den 1980er Jahren und die Disinflation, die wir jetzt erleben“, so Krugman weiter.

Aber hier ist der Punkt: Die inflationsbereinigte Phillips Kurve sagt nicht nur Deflation voraus, sondern auch die beschleunigte Deflation angesichts eines wirklich verlängerten Abschwungs. „Nehmen wir an, dass die Wirtschaft ausreichend deprimiert ist, dass mit Inflationserwartungen von 3% die Inflation nur 1% beträgt. Die Erwartungen müssen irgendwann tatsächlich aufholen, dass, wenn die Wirtschaft depressiv bleibt, die erwartete Inflation auf minus 1% geht. Wenn aber die Wirtschaft über eine längere Zeit depressiv bleibt, müssten wir damit rechnen, dass die erwartete Inflation auf minus 3% und dann auf minus 5%, und so weiter geht“, legt der Nobelpreisträger dar. „In der Realität passiert das nicht. Die Preise fielen zu Beginn der Grossen Depression drastisch, als die reale Wirtschaft zusammenbrach. Aber sie begannen, wieder zu steigen, als die Wirtschaft begann, sich zu erholen, auch wenn es noch eine grosse Produktionslücke gab. Japans Wirtschaft war niedergeschlagen. Aber seine chronische Deflation hat sich nie in eine Abwärtsspirale gedreht“, argumentiert Krugman.

Es gibt eine Reihe von Literatur, hebt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hervor: Die abwärtsgerichtete Nominallohn-Rigidität, von Pierre Fortin, Janet Yellin, George Akerlof und Co-Autoren. In diesen Arbeiten wird argumentiert, dass es eine abwärtsgerichtete Inflexibilität in Preisen und Löhnen gibt, auch nachdem die Erwartungen genug Zeit gehabt haben, sich voll anzupassen, bemerkt Krugman. Und es gebe einen empirischen Beweis in diesem Sinne, fügt er hinzu. Warum ist das aber wichtig? (1) Es erklärt, wie nachhaltig schrittweise Deflation andauern kann, (2) Es bietet einen Grund, (über Bedenken über die Zinsen bei der Null-Grenze hinaus), ein positives Inflationsziel anzusteuern: Bei einer niedrigen Inflation „wollen“ mehr Preise und Löhne fallen, aber sie sind wegen der abwärtsgerichteten Rigidität (Starrheit) blockiert, so Krugman. Selbst in der längeren Frist ist die Phillips Kurve nicht vertikal bei niedriger Inflation. Und man kann dauerhaft niedrige Arbeitslosigkeit haben, indem man beispielsweise eine Inflation von 4% akzeptiert, statt auf stabile Preise zu bestehen, ist Krugman überzeugt und (3) Krugman befürchtet, dass das in Zukunft ein wichtiges Thema sein wird. Es sei daher wichtig, die nach unten gerichtete Rigidität (Starrheit) zu berücksichtigen, um sich von der Annahme einer anhaltend depressiven Wirtschaft als normal täuschen zu lassen. Amerika 2014: Die Arbeitslosigkeit beläuft sich nach wie vor auf rund 9,0%. Die Preise fallen jährlich um 1%. Viele Ökonomen könnten sich das Bild ansehen und sagen: na ja, die Deflation ist stabil, sie beschleunigt sich nicht. So müssen wir uns mit der natürlichen Arbeitslosigkeit zufrieden geben: „Treten Sie bitte zurück, hier gibt es nichts zu sehen“.

Fazit: Es ist Zeit, damit anzufangen, sich auf die Abwärtsrigidität zu fokussieren, so Krugman als Schlussfolgerung. Alle Indikationen deuten darauf hin, dass „wir für eine lange Zeit mit einer depressiven Wirtschaft zu tun haben werden“.

1 Kommentar:

Stefan Wehmeier hat gesagt…

Was ist denn eine "Produktionslücke"? In einer Zinsgeld-Ökonomie (kapitalistisch pervertierte Marktwirtschaft) gibt es immer nur eine Nachfragelücke, die dadurch entsteht, dass viele Zinsverlierer keine ausreichende Nachfrage mehr halten können und wenige Zinsgewinner auch nur jeweils eine Zahnbürste und einen Toaster benötigen.

Doch "Wirtschaftsexperten" fällt es ganz besonders schwer, die "banalsten Selbstverständlichkeiten" zu begreifen:

http://www.deweles.de/files/anww194.pdf