Montag, 21. Juni 2010

China verkündet neues Wechselkursregime

Die chinesische Zentralbank (PBOC: People’s Bank of China) hat am Samstag angekündigt, das Wechselkursregime weiter zu reformieren und seine Flexibilität zu verbessern. Marktteilnehmer beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob China die seit rund zwei Jahren bestehende Bindung des Yuan an den US-Dollar aufheben wird oder nicht. Am Sonntag hat die PBOC jedoch klargestellt, dass es keine abrupte Neuausrichtung geben wird. Die Auswirkungen auf den Devisenmarkt hängen nun vom Ausmass der Renminbi-Bewegungen ab. Wahrscheinlich ist, dass China zu einem „managed floating exchange regime“ zurückkehrt, mit einer allmählichen Aufwertung gegenüber dem US-Dollar. Das würde kurzfristig einen Wechselkursanstieg um rund 2 bis 3% bedeuten, schätzt Morgan Stanley. Der US-Dollar würde unter diesen Umständen gegenüber nicht-asiatischen Währungen an Wert gewinnen. Die Nachfrage nach Euro würde vermutlich im Laufe der Zeit sinken.


Entwicklungsländer : Ausfuhren nach China in % des BIP, Graph : Stephen Hull, Morgan Stanley

Eine erste positive Reaktion würde sich für die Exporteure von Rohstoffen in Latein-Amerika und in den sog. Schwellenländern, die einen hohen Exportanteil im Handel mit China aufweisen, entfalten. Da die USA über eine grosse Exposure in Asien (handelsgewichtet) verfügen, würde eine allgemeine Abwertung des US-Dollars gegenüber den asiatischen Währungen zu einer Entspannung der finanziellen Bedingungen in den USA führen. Das würde sogar bis zu einem gewissen Grad einen eventuellen Anstieg der Renditen ausgleichen, falls China und andere asiatische Länder am US-Anleihemarkt für Treasuries jetzt weniger aktiv sein sollten, bemerken Währungsstrategen von Morgan Stanley.


China: Währungsreserven und USD-CNY Wechselkurs, Graph : Stephen Hull, Morgan Stanley

Die chinesische Währung hat sich im Handel in Hong Kong laut Bloomberg um 0,37% auf 6,8010 per Dollar aufgewertet, obwohl die BPOC den Mittelwert nach der Ankündigung vom Wochenende auf 6,8275 zum Yuan festgelegt hat. Am Freitag betrug der Wechselkurs 6,8262 Yuan zum Dollar. Chinas Devisenreserven belaufen sich auf 2'400 Mrd. US-Dollar.

Sonntag, 20. Juni 2010

Falsche Anreize für Vergütung von Führungskräften

Robert Shiller hält vom Gesetztentwurf zur Finanzreform, der jetzt im Repräsentantenhaus und dem Senat separat vermittelt wird, nicht viel. Die aktuellen Versionen der Vorlagen werden eine Wiederholung des Chaos nicht verhindern können, schreibt er in einem Essay („Help prevent a Sequel- -Delay Some Pay“) in der Sonntagsausgabe von NYT. Möglicherweise gibt es einen besseren Weg, bemerkt Wirtschaftsprofessor an der Yale University. Er und eine Reihe von 15 Professoren für Finanzwirtschaft („Squam Lake Group“)arbeiten daran , indem sie von einem der wichtigen Grundsätze der Wirtschaftstheorie intensiv Gebrauch machen: „Menschen reagieren auf Anreize“. Shiller betont aber zugleich, dass Anreize, die in die Regulierung eingebettet werden, ihre gewünschten Wirkungen nicht voll entfalten. Am vergangenen Mittwoch habe die Gruppe ihre ersten Ergebnisse präsentiert: „The Lake Squam Report: Fixing the Financial System“. Ben Bernanke habe geholfen, das Buch auf einer Konferenz an der Columbia University vorzustellen. Der Fed-Chef habe gesagt, er sei mit dem Grundsatz einverstanden, dass alle Beteiligten in einem Finanzunternehmen (Aktionäre, Manager, Gläubiger und Gegenparteien) die Kosten der übermässigen Risikobereitschaft oder schlechter Unternehmensentscheidungen tragen müssen, nicht die Öffentlichkeit.

„Die derzeitigen Rechtsvorschriften erfüllen noch nicht vollständig unsere Kriterien“, erklärt Shiller. Die Probleme seien komplex. Zum Beispiel die Bestimmungen, die die Gesetzesvorlage des Kongresses im Hinblick auf die Vergütung von Führungskräften anstrebt. „Die Vergütungen von Managern sind in den letzten Jahrzehnten sicherlich enorm gewachsen. Und es hat den Verdacht, dass sie zur Krise beigetragen haben. Aber es ist nicht das hohe Niveau von Managergehältern, die zum finanziellen Zusammenbruch geführt hat“, behauptet Shiller: „Die Anstrengungen zur Verringerung von Managergehältern haben pervers falsche Anreize geschaffen“. Ein Gesetz aus dem Jahr 1993, welches Firmen abschreckt, ihren Chefs mehr als 1 Mio. $ im Jahr zu zahlen, scheint Salären weniger und Aktien-Optionen mehr Bedeutung beigemessen zu haben, erläutert Shiller. Hier sei eine jener Epiphanien: Die Aktienoptionen haben die gesamte Vergütung nicht verringert. Sie haben wahrscheinlich CEO’s ermutigt, um Unternehmen mehr Risiko auszusetzen, weil der Wert der Optionen mit dem Risiko wächst. In der Tat hat das Misverständnis des Gesetzgebers in bezug auf die wahren Anreize zur Erhöhung der Schwere der Krise beigetragen, so Shiller. Der Gesetzentwurf des Senats enthält Vorschriften über Vergütungsausschüsse, die Offenlegung der Lohnstruktur und Regelungen, die den Aktionären die Möglichkeit geben, Stellungnahmen zu Managerlöhnen auszudrücken, eine Art „Mitspracherecht“ also. „Diese Bestimmungen mögen kumpane Vorstandsmitglieder vor Überbezahlung von CEOs abschrecken, aber sie werden nicht viel tun, um das System zu stabilisieren“, ist Shiller überzeugt. Im Gegensatz empfehle die „Squam Lake Group“, Unternehmen zu ermutigen, einen Teil der Vergütung der Führungskräfte für eine Reihe von Jahren zurückzubehalten und nicht in Form von Aktienoptionen. Damit würden sie für die Führungskräfte Anreize schaffen, langfristige Konsequenzen und den Eigenwert ihrer Entscheidungen zu überdenken.

„Die nächste Krise wird in einer unerwarteten Form stattfinden, wie Krisen es im allgemeinen tun. Wir brauchen Regulierung, die direkt auf der ökonomischen Theorie beruht, robusten Anreizen, die wirklich ihre Aufgabe erfüllen“, schlussfolgert Shiller.

Schweizerische Nationalbank und Devisenreserven

Die Schweizerishe Nationalbank (SNB) hat im Sog der Finanzkrise unkonventionelle geldpolitische Massnahmen ergreifen müssen, um das Deflationsrisiko zu bekämpfen. Als Konsequenz der ausserordentlichen Geldpolitik hat sich die Bilanz der SNB (1) stark verlängert, d.h. sie ist angeschwollen, und (2) ihre Zusammensetzung hat sich deutlich verändert. Die Bilanzsumme hat im Mai 2010 auf das Dreifache auf rund 300 Mrd. CHF zugenommen. Die folgenden unkonventionellen Massnahmen, die getroffen wurden, um die monetären Bedingungen zu lockern, haben dazu geführt: (a) Längerfristige Repo-Geschäfte, (b) Devisenswaps, (c) Kauf von Anleihen privater inländischer Schuldner in CHF und (d) Devisenkäufe. Auf diese Weise wurde dem Bankensystem in grosser Menge Liquidität zugeführt. Die Devisenreserven der SNB haben sich von 95 Mrd. CHF im Dezember 2009 auf über 230 Mrd. CHF Ende Mai erhöht, wie Jean-Pierre Danthine am Donnerstag im Mediengespräch mitgeteilt hat. Die Devisenbestände der SNB bergen jedoch laut Philipp Hildebrand ein gewisses Klumpenrisiko.


Vom Liquiditätsdefizit zum Liquiditätsüberschuss, Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB, June 2010

Die SNB betont zugleich, dass die geldpolitischen Überlegungen „prioritär“ bleiben. Was heisst das? Im gesamten Portfolio der SNB wurde seit Jahresbeginn kein Verlust verbucht. Warum? Dank Diversifikation. Die Anlagepolitik der SNB beruht nämlich auf drei Kriterien: (I) Sicherheit, (II) Liquidität und (III) Ertrag. Die Devisen, die die SNB am Markt gekauft hat, liegen nicht einfach in der "Kasse" der SNB herum. Die werden (i) in Wertpapiere angelegt, und zwar in liquide Wertpapiere von sehr guter Qualität. Warum? Weil die SNB eine hohe Widerstandsfähigkeit ihrer Bilanz anstrebt, wie Danthine betont. Die Devisenanlagen werden (ii) nicht nur in Euro gehalten, sondern z.B. auch in US-Dollar. Und es gibt auch Anlagen (iii) in Gold, wobei diese Anlagen eine besondere Risikoquelle darstellen. Es gilt desweiteren (iv) zu bemerken, dass allfällige Währungsverluste langfristig durch den Ertrag kompensiert werden. Obendrauf bildet die SNB (v) „beträchtliche“ Rückstellungen auf, um allfälligen zukünftigen Verlusten vorzubeugen. Das heisst, dass die SNB ihre Eigenkapital-Basis inzwischen weiter gestärkt hat.

Andererseits liegt es auf der Hand, dass dem Finanzsystem durch die unkonventionellen Massnahmen sehr viel Liquidität zugeführt wurde. Die SNB verfügt aber über die notwendigen Instrumente, um diese Liquidität abzubauen. Die Banken, die sich am Anfang der Krise bei der SNB Liquidität beschaffen mussten, um die Mindestreserveanforderungen zu erfüllen, verfügen heute über genügend Liquidität. Laut SNB ist indes aus dem anfänglichen Liquiditätsdefizit nach und nach ein Liquiditätsüberschuss geworden. Die SNB ist in der Lage mit Instrumenten wie SNB-Bills (langfristig) und Repo-Geschäfte (kurzfristig) die Liquidität von den Märkten wieder abzuschöpfen.

Samstag, 19. Juni 2010

Fakten mit keynesianischer Ausrichtung

Es gibt viele Dinge über Alan Greenspans gestrigen Meinungsartikel zu sagen, bemerkt Paul Krugman in einer ersten Reaktion darauf in seinem Blog: „Nichts davon ist aber schmeichelhaft“. Was Krugman auffält, ist der folgende Abschnitt, der gestern hier in diesem Blog wiedergegeben wurde:

„Despite the surge in federal debt to the public during the past 18 months—to $8.6 trillion from $5.5 trillion—inflation and long-term interest rates, the typical symptoms of fiscal excess, have remained remarkably subdued. This is regrettable, because it is fostering a sense of complacency that can have dire consequences".


Manche leute nehmen die Tatsache, was gerade wirklich geschieht, so wie die Leute z.B. Krugman sagten, dass das geschehen würde, dass Defizite angesichts einer Liquiditätsfalle die Zinsen nicht steigen lassen und keine Inflation verursachen würden, der keynesianischer Ansicht Glaubwürdigkeit verleihend. Aber nein. Greenspan weiss, dass die Defizite solche schreckliche Sachen tun und er findet es „bedauerlich“, dass sie tatsächlich nicht passieren, erklärt Krugman.

Krugmans Fazit: „Der Triump von Vorurteilen über den Nachweis ist ein wunderbarer Anblick. Leider werden Millionen von Arbeitnehmern den Preis für diesen Sieg bezahlen“.

FDIC schliesst 83 Banken seit Jahresbeginn

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Reuters eine Bank in Oregon geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 verstaatlicht wurden, auf 83 gestiegen. Die verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen von 480,3 Mio. $. Die Einlagen belaufen sich auf 479,8 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank belaufen sich für die öffentliche Hand auf 80,9 Mio. Dollar.

Bankpleiten:
2010: 83
2009: 140
2008: 25
2007: 3


Vermögenswerte (Assets) und Kredite (Loans) von Banken, die von der FDIC gedeckt werden, Graph: James B. Thomson, Fed Cleveland

Die FDIC hat im vergangenen Jahr 140 Banken geschlossen. Die Kosten für die Behörde: 30 Mrd. $. Die Behörde rechnet mit Kosten von 100 Mrd. $ für die Beilegung von bankrotten Banken in den nächsten vier Jahren.

Türkische Zentralbank lässt Leitzins bei 7,0% unverändert

Die türkische Zentralbank (CBT) hat gestern ihre Leitzinsen unverändert belassen. Der Satz für die Tagesgeldeinlagen (overnight borrowing rate) bleibt damit bei 6,5% unverändert. Auch der Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) wurde auf 9,0% nicht angetastet. Der neue Zielsatz (one-week repo rate: Reposatz für eine Woche) beträgt 7,0%.


Türkei Leitzinsen, Graph: Centralbank of Turkey (CBT), June 18, 2010

Jüngste Daten deuten darauf hin, dass die Erholung der Wirtschaft anhält, so die CBT. Das Wachstum der Binnennachfrage sei relativ stabil, während die Unsicherheiten hinsichtlich der externen Nachfrage signifikanter geworden sind, teilt die türkische Zentralbank in ihrem dem Zinsentscheid beigefügten Statement mit. Es werde daher noch eine Weile dauern, bis die Kapazitätsauslastung auf das Vor-Krise-Niveau zurückkommt. Obwohl Bedingungen sich am Beschäftigungsmarkt weiter verbessern, verharrt die Arbeitslosenquote auf hohem Niveau.

Der geldpolitische Ausschuss weist darauf hin, dass die Kerninflation unter dem Zielwert fürs Jahresende verlaufen und einem Weg im Einklang mit der mittelfristigen Zielmarke folgen dürfte. Darüber hinaus bemerkt der Ausschuss, dass der Rückgang der Preise für unverarbeitete Nahrungsmittel und die Lockerung der Rohstoffpreis zu einem günstigeren Inflationsausblick geführt haben als im Inflationsbericht von April eingeschätzt wurde.

Die Inflationsdaten von Mai sind wesentlich niedriger ausgefallen als erwartet, sodass die annualisierte Teuerungsrate wieder einstellig wurde. Die Inflationserwartungen belaufen sich nach Angaben von Morgan Stanley für 12 Monate auf 7,23% und für 24 Monate auf 6,88%.

Fazit: Der geldpolitische Ausschuss hat in Anbetracht dieser Entwicklungen beschlossen, dass es möglicherweise notwendig wird, die Geldpolitik auf diesem Niveau für einige Zeit zu halten und sie auf dem niedrigen Niveau für einen längeren Zeitraum zu behalten“.


Türkei Inflation und Zielvorgabe, Graph: Centralbank of Turkey (CBT), June 2010

$/TRY: 1,5554
€/TRY: 1,9263.
CHF/TRY: 1,4028.

Freitag, 18. Juni 2010

Diametral entgegengesetzt: Krugman versus Greenspan

Was für ein Zufall! Am gleichen Tag erscheinen zwei Meinungsartikel, die vollkommen diamentral entgegengesetzt sind, wie Huffington Post bemerkt. Es geht um das Thema Staatsausgaben und das Haushaltsdefizit. Während Alan Greenspan in einem Essay („US Debt and the Greece Analogy“) in WSJ schreibt, dass man sich von den heutigen niedrigen Zinssen nicht täuschen lassen soll, warnt Paul Krugman in einem lesenswerten Artikel („That’ 30s Feeling“) in NYT vor Verhältnissen wie in den 1930er Jahren, weil keine ökonomische Logik hinter dem übertriebenen Sparkurs steht.

Greenspan vertritt die Meinung, dass der Staat sehr schnell die Grenzen seiner Kapazität zur Kreditaufnahme entdecken könnte. „Trotz des Anstiegs der öffentlichen Verschuldung in den vergangenen 18 Monaten von 5'500 Mrd. $ auf 8'600 Mrd. $ verblieben die Inflation und die langfristigen Zinsen merkwürdig gedämpft. Das ist bedauerlich, weil es ein Gefühl der Selbstzufriedenheit fördert, die fatale Folgen haben kann“, erklärt der ehem. Präsident der US-Notenbank (Fed).

Krugman hingegen betont, dass die selbsternannten Defizit-Falken in den USA schlicht und einfach Heuchler sind. „Sie sind begierig darauf, die Sozialleistungen für Menschen, die es nötig haben, zu kürzen. Aber ihre Besorgnisse über rote Zahlen verschwinden, wenn es um Steuererleichterungen für Wohlhabende geht. Senator Ben Nelson, der scheinheilig erklärt hat, dass wir uns 77 Mrd. $ Hilfe für die Arbeitslosen nicht leisten können, war bei der Verabschiedung der ersten Steuersenkungen der Bush-Regierung massgebend beteiligt. Die Summe: 1'300 Mrd. $“, schildert Krugman.

Was denken Sie? Auf wessen Seite sind Sie? Krugman oder Greenspan?, fragt Huffington Post in einer Schnell-Umfrage. Der Zwischenstand:

Krugman: 58,01%,
Greenspan: 16,9%,
Beide haben Recht: 25,09%.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der amerikanische Präsident Barack Obama laut FT gerade einen Brief an die G20-Länder vor dem Gipfeltreffen im kanadischen Toronto geschickt hat, indem er die Länder auffordert, die Binnennachfrage anzukurbeln und die Flexibilität bei den Wechselkursen zu erhöhen, um das globale Wachstum und die Wiederherstellung des globalen Gleichgewichts zu fördern. Obama spricht darin die Differenzen über die Fiskal-Politik offen an: Man dürfe die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, als der Konjunkturstimulus zu rasch zurückgezogen wurde, was eine erneute Notlage für die Wirtschaft und Rezession zur Folge hatte, hält Obama fest.