Dienstag, 9. März 2021

Warum fallen die Tech-Aktien?

Die Konjunkturaussichten haben sich in den letzten Monaten deutlich aufgehellt. Siehe den Anstieg der Rendite der US-Staatsanleihen. Aber die Tech-Aktien befinden sich im Sink-Flug

Nasdaq und Dow Jones divergieren so stark wie seit 1993 nicht mehr. Haben die Technologie Aktien schlagartig in der Gunst der Investoren verloren?

Was ist los? Der Auslöser ist das von Joe Biden vorangebrachte Corona-Hilfspaket (genannt «American Rescue Plan»). Das Programm in Höhe von 1,9 Billionen USD entspricht etwa 8% des US-BIP.

Vor diesem Hintergrund findet gegenwärtig eine Rotation statt: von ehemals hochfliegenden Wachstumsaktien (growth) hin zu Wert (value) -Aktien, was sich an der Divergenz von Nasdaq 100 und Dow-Jones-Index ablesen lässt.

Es ist das erste Mal seit 1993, dass der Dow stieg und innerhalb von 1% eines Rekord-Hochs schloss, während der technologie-geprägte Indikator 11% von seinem Hoch entfernt lag.

Die zu beobachtende Split-Market-Aktivität ist eine weitere Manifestation der laufenden Rotation, bei der Anleger in Aktien von Unternehmen wechseln, deren Schicksal eng mit dem Konjunkturzyklus verbunden ist. 

Das war schmerzhaft für wachstumsstarke, hoch bewertete Tech-Aktien, die inmitten der Turbulenzen am Anleihemarkt, die die Renditen 10-jähriger US-Treasuries auf 1,61 % ansteigen ließen, an Attraktivität verloren haben, wie Bloomberg das Geschehen zusammenfasst.


Nasdaq und Dow Jones divergieren so stark wie seit 1993 nicht mehr,  Graph: Bloomberg, 09. März 2021


Es gibt zudem eine populäre Geschichte, die wie folgt geht: Nach der großen Finanzkrise 2008 (GFC) hat die Fed eine ultralockere Geldpolitik betrieben und Geld gedruckt, und dieses Geld ist direkt in spekulative Vermögenswerte geflossen.

Und die Fed hat damit einen massiven Boom bei Tech-Startups, FANGs, Uber, WeWork und Airbnb ausgelöst. 

Die Geschichte ist jedoch empirisch falsch. Wenn überhaupt, dann wurde der Tech-Boom durch eine zu straffe Geld- und Fiskalpolitik ausgelöst, bemerkt Joe Weisenthal in seinem Bloomberg-Kommentar.



Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen in Australien (hell blau), USA (dunkel blau), Grossbritannien (rot) und Deutschland (grün), Graph: FT, 28 Februar 2021


Warum? Weil die QE-Politik (quantitative easing) der Fed nicht anders ist als ein Aktiva-Austausch (asset swap): Die Notenbank kauft Banken Staatsanleihen ab und schreibt den entsprechenden Betrag dem Konto der Banken, die sie bei der Notenbank unterhalten, elektronisch gut. 

Es werden also Reserven (Bank-Einlagen) geschaffen. Im Gegenzug werden US-Treasuries aus dem Markt genommen: sie landen auf der Bilanz der Notenbank. Die netto Vermögensposition des Privatsektors bleibt dabei unverändert. 

Es wird also auf Anhieb kein neues Geld geschaffen, das auf das Silicon Valley herabregnet. Die Mechanik der Geldschöpfung funktioniert nämlich nicht so.



Dow Jones schlägt Nasdaq so stark wie seit 1993 nicht mehr, Graph: Bloomberg, 09. März 2021 


Weisenthal bemerkt weiter, dass es klar ist, dass dieser Boom in der Tech-Branche, der länger als ein Jahrzehnt anhielt, eher durch knappes Geld als durch lockeres Geld angeheizt wurde.

Jeder analytische Rahmen, den wir an den Tag legen, bestätigt uns, dass die Geldpolitik bis zum Ausbruch der Krise besonders restriktiv war. Wir erinnern uns an den harten Sparkurs in der Eurozone, tatkräftig gestützt durch die Politik der "Schuldenbremse" und der «schwarzen Null».

Die Inflation war über Jahre hinweg gering und lag deutlich unter dem Zielwert der Zentralbanken. Darüber hinaus ist die Arbeitslosigkeit hoch, auch erkennbar in Form von erhöhter Unterbeschäftigung. Gleichzeitig waren die Zinsen am Ende der Ertragskurve (yield curve) in den letzten zehn waren extrem niedrig. Was heisst das?

Weisenthal deutet auf einen Artikel von Milton Friedman im Wall Street Journal aus dem Jahr 1997 hin: 

«Niedrige Zinssätze sind im Allgemeinen ein Zeichen dafür, dass die Geldpolitik restriktiv (Geld ist knapp) ist, wie in Japan; hohe Zinssätze, dass die Geldpolitik locker (Geld ist locker) ist.»


Nasdaq im negativen Bereich, Graph: Bloomberg, 09. März 2021


In Anbetracht der niedrigen Inflation, der geringen Beschäftigung und der niedrigen langfristigen Zinssätze ist es klar, dass die Geldpolitik (oder auf alle Fälle die Fiskalpolitik) im Grunde genommen straff (restriktiv) und nicht locker (genug) war. 

Und es sind diese restriktiven Bedingungen, die den Boom im Silicon Valley angeheizt haben. Wenn das Wachstum in der gesamten Wirtschaft knapp ist, liegt es auf der Hand, dass Investoren mehr für Unternehmen zahlen, die nicht vom BIP abhängig sind. 

Und so kommt es zu den hohen Bewertungen von Software, FANGs, Teslas und Ubers. Letzteres, Uber, repräsentiert ein Geschäftsmodell, das laut Weisenthal speziell für die Zeit des knappen Geldes entwickelt wurde, als Arbeitskräfte im Überfluss vorhanden waren, aber das Kapital knapp war. 

In der Tat basieren viele der heißesten Gig-Economy-Startups, wie z.B. Lieferdienste, auf reichlich vorhandenen, billigen Arbeitskräften (niedrige Löhne). Das genaue Gegenteil von Überhitzung.

Die fiskalische Expansion ist nun im vollen Gange, um die Folgen der Pandemie zu bekämpfen. Und die Fed hat sich verpflichtet, die Zinsen nicht anzuheben, bis wir wieder Vollbeschäftigung erreichen und Jerome Powell hat versprochen, die Inflation warm laufen zu lassen.

Der Anstieg der Renditen am langen Ende der Kurve zeigt, dass die Wirtschaftspolitik (fiscal policy) lockerer wird. Die spekulativen Tech-Aktien geraten unter Druck. Da die Politik alle Register zieht, um das BIP anzukurbeln, gibt es einfach keinen Grund mehr, für Wachstum viel Geld auszugeben. Wachstum ist kein knappes Gut.

Was vor diesem Hintergrund bemerkenswert ist, dass die Silicon Valley Leute keine Gelegenheit auslassen, auf Twitter Abbildungen der Geldmenge M2 und der Fed-Bilanz zu posten und ständig über Inflation zu reden, um vor den Gefahren der Fed-Grosszügigkeit zu warnen. Big Tech hat kein Monopol auf Wachstum.



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