Wir wissen zwar nicht, wie lange die durch das Coronavirus ausgelöste Krise anhalten wird. Aber wir verstehen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen schwerwiegend sein werden.
Angebotsschock hat zum Nachfrageschock geführt und aus einer Wirtschaftskrise wurde eine Finanzkrise.
Medien berichten zwar von einem „Krieg gegen das Coronavirus“. Aber das ist keine Kriegswirtschaft. In einem Krieg versuchen die Regierungen, die wirtschaftliche Aktivität zu maximieren. Heute hingegen wollen die Regierungen vorerst das wirtschaftliche Geschehen bewusst mindern.
Daraus ergeben sich zwei Phasen für die Wirtschaft, wie Paul Donovan von UBS beschreibt. In der ersten Phase gibt es einen politisch bedingten Rückgang der Nachfrage („lockdown“, d.h. Sperrmodus). In der Phase zwei kommt es zu einem Rückprall, sobald die Regierungen die Massnahmen zur Senkung der wirtschaftlichen Aktivitäten zurückschrauben.
Es macht daher keinen Sinn, in der ersten Phase Konjunkturimpulse voranzubringen. Das Hauptrisiko ist aber, dass die Arbeitslosigkeit angesichts der Nachfrageschwäche rasant ansteigt. Das wichtigste politische Ziel ist es deswegen, Unternehmen über Wasser zu halten, und die Menschen am Arbeitsplatz.
Zentralbanken kaufen Anleihen und die Renditen fallen, Graph: FT, Apr 01, 2020
Und hier kommt die Fiskalpolitik zum Einsatz (*). Aber eine angemessene Art von Fiskalpolitik, wie z.B. Zuschüsse, Unterstützung für Lohnabrechnungen: Bargeld-Ausgaben (cash handouts) für Verbraucher können beispielsweise dazu beitragen, die Phase zwei anzukurbeln.
Der US-Kongress hat ein Hilfspaket in Höhe von 2‘000 Mrd. USD geschnürt. Und die Frage, wie werden wir dafür bezahlen? wird heute im amerikanischen Diskurs plötzlich nicht mehr gestellt.
Das Paket des US-Senats enthält nicht einmal „payfors“ (d.h. Ausgleichszahlungen, um das Haushaltsdefizit zu kompensieren), keine kreativen Einnahmequellen oder Steuererhöhungen. Ganz im Gegenteil: Steuern für Unternehmen und Privatpersonen werden gleichermassen gesenkt.
Warum?
Weil der Staat nicht wirklich für Sachen mit Steuereinnahmen bezahlt. Und dies ist eine der zentralen Aussagen der Modern Monetary Theory (MMT).
Die Reihenfolge ist so: zunächst kommen die Staatsausgaben, und dann die Steuereinnahmen. Die Regierung gibt Geld aus, indem sie es schafft, mit einem Tastenanschlag auf dem Computer, und sie nimmt sie mit Steuern wieder aus dem Verkehr.
ESI Index: Die Stimmung in der Wirtschaft in ganz Europa ist im März massiv eingebrochen, Graph: FT, March 31, 2020
Wenn der US-Kongress ein Gesetz verabschiedet, sendet er eine Anweisung an die US-Notenbank (Fed). Und die Fed leistet Zahlungen im Namen des US-Finanzministeriums (US-Treasury), wobei Konten derjenigen gutgeschrieben werden, die von den Ausgaben profitieren, unabhängig davon, ob die Ausgaben durch Steuern ausgeglichen werden oder nicht.
„Sie schreiben einen Gesetzentwurf und wenn das Gesetz verabschiedet wird, senden Sie Anweisungen an die Fed, und sie führt die Zahlungen aus“, schildert Stephanie Kelton. Das funktioniert so in der Kriegszeit, aber auch in der Friedenszeit, erklärt die an der Stony Brook University lehrende Wirtschaftsprofessorin.
Werden aber all diese Ausgaben ohne Steuererhöhung das Defizit nicht in die Höhe treiben?
Nun ja. Wenn man versteht, dass die Regierung Geld schafft, indem sie es ausgibt, und es wieder zerstört, indem sie es besteuert, dann erkennt man, dass ein Defizit im öffentlichen Sektor ein Überschuss im privaten Sektor bedeutet.
Wie Frau Kelton es ausdrückt: Wenn der öffentliche Sektor rote Zahlen schreibt, schreibt der Privatsektor schwarze Zahlen.
Genau darum geht es heute, wenn die Menschen Arbeitsplätze und Einkommen verlieren, und die private Nachfrage rückgängig ist, muss der Staat die fehlende Nachfrage ersetzen, indem er Geld in Umlauf bringt und in die Hände der Menschen legt.
Finanzierungssalden der US-Wirtschaft (sectoral financial balances), Graph: Bloomberg, March 23, 2020
Gibt es aber jemals einen schlechten Zeitpunkt für die Regierung, um Geld zu drucken? Ja, natürlich: Wenn die Wirtschaft ihre maximale Produktionskapazität erreicht hat.
Wenn der US-Kongress in einer Vollbeschäftigungswirtschaft einen Billionen-Dollar-Plan z.B. für eine grüne Infrastruktur verabschieden würde, der durch deficit-spending finanziert wird, käme es zu Inflation. Der öffentliche Sektor würde dann mit dem privaten Sektor konkurrieren („crowding-out“).
Die wichtige Frage ist daher niemals: „Wird dies das Defizit erhöhen?“, sondern: Haben wir die produktiven Ressourcen, um diese Ausgaben zu absorbieren? Das Story Telling, dass ein niedriges Haushaltsdefizit oder eine niedrige Schulden-Quote es einfacher macht, eine Wirtschaft in einer Krise zu unterstützen, ist einfach falsch.
(*) Die Geldpolitik unterstützt heute die Wall Street und die Fiskalpolitik versucht, der Main Street unter die Arme zu greifen.
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