Ein
neues, insbesondere in der amerikanischen Blogosphäre lebhaft diskutiertes, hochspannendes Thema
ist die Unabhängigkeit einer Zentralbank,
wenn v.a. die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle
steckt.
Izabella Kaminska hat am Dienstag in FTAlphaville auf eine neue Forschungsarbeit („Helicopter Money“) von Zoltan Pozsar und Paul McCulley hingewiesen. Es handelt sich dabei im Grunde genommen
um eine Wandkarte (wall map) im
Hinblick auf QE (quantitative easing), d.h. die mengenmässige
Lockerung der Geldpolitik, wenn die Wirtschaft nach einem Finanz-Schock schwer angeschlagen ist.
Pozsar hatte
vor rund vier Jahren eine gigantische Wandkarte für das Shadow Banking im Dienst von New
York Federal Reserve angefertigt, um geldpolitische Entscheidungsträger
anzuregen, darübernachzudenken, wie das Finanzsystem heutzutage funktioniert
oder nicht, wie Gillian Tett in
einem lesenswerten Artikel („Fed’s mapmaker
charts central bank “) in FT
in Erinnerung ruft. McCulley, der frühere Investment-Manager von Pimco ist der Mann, der das Wort „Shadow Banking“ (Schattenbanken System)
geprägt hat.
McCulley
und Pozsar argumentieren nun, dass es Zeit ist, wenn die Wirtschaft sich mitten in
einem säkularen Schuldenabbau-Zyklus (private
deleveraging cycle) befindet, die monetäre Orthodoxien wie die
Unabhängigkeit der Zentralbank zu überdenken.
Die
Autoren reden von einem Paradigmenwechsel: „Schwarz wird zu weiss und
unorthodox wird zu orthodox“. Die weit verbreitete Annahme, dass die
Unabhängigkeit der Zentralbank immer eine gute Sache ist, halte nicht mehr, so McCulley und Pozsar.
Das
globale Macro-Schachbrett, Graph:
Zoltan Pozsar and Paul McCulley in: „Helicopter Money“, Jan 7, 2013
Die
langfristigen Schulden-Zyklen neigen dazu, diametral entgegengesetzte
Beschaffenheiten der Welt hervorzurufen, und zwar in zwei verschiedenen Feldern,
welche in einer Abbildung als Achsen gezeichnet werden können. Manchmal
befinden sich Gläubiger im privaten Sektor in einer „leveraging“-Laune (Schuldenaufbau), manchmal in einem „deleveraging“-Modus (Schuldenabbau).
Genau so geht es im öffentlichen Sektor ab. Manchmal ist die Fiskalpolitik
restriktiv (via Austerität). Manchmal ist sie stimulierend (via
Konjunkturprogramme der Regierung).
Geldpolitik
ist nicht allmächtig, Graph: Zoltan
Pozsar and Paul McCulley in: „Helicopter Money“, Jan 7, 2013
Wenn
man diese beiden Faktoren als zwei verschiedene Achsen auf einer Abbildung aufzeichnet,
ergeben sich vier Quadranten, die verschiedene Punkte der Wirtschaft
darstellen. Wenn öffentliche und private Aktivität stimulierend ist, dann gibt
es einen Kredit-Boom, wo die Zentralbanken intervenieren müssen, um einen
Anstieg der Inflation zu verhindern.
Wenn
in einem Sektor Schuldenabbau (deleveraging)
stattfindet, ist das Muster gemischt. Aber wenn beide Sektoren (sowohl
öffentlich als auch privat) Schulden zurückfahren (deleveraging), gibt es öfters Deflation
und eine Liquiditätsfalle: Kreditnehmer
halten sich mit Kredit-Aufnahme zurück, unabhängig davon, wie billig das Geld
zu haben ist, was wiederum die Wirksamkeit der Geldpolitik beeinträchtigt.
Die
Geldpolitik und expansive Fiskalpolitik müssen stimulierend wirken, da die
lockere Geldpolitik allein nicht funktioniert, heben die Autoren hervor. Pozsar
und McCulley erinnern daran, dass Ben Bernanke im Jahr 2003, bevor er zum Fed-Präsidenten gewählt wurde, gesagt
hatte, dass es wichtig sei, anzuerkennen, dass die Rolle einer unabhängigen Zentralbank
in inflationären und deflationären Umgebungen unterschiedlich ist. Im Angesicht
der Inflation ist es eine Tugend, die Fähigkeit zu haben, der Regierung „nein“
zu sagen. In einer Zeit, wo im privaten Sektor Schuldenabbau stattfindet, ist
eine grössere Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken und Finanzbehörden
keineswegs mit der Unabhängigkeit der Zentralbanken unvereinbar. Bemerkenswert! Es ist jedoch
zweifelhaft, ob Bernanke eine solche Aussage heute machen würde.
Bemerkung:
(Nur für Streber)
Eine
Zentralbank ist immer ein Agent des Schatzamtes, wie Izabella Kaminska in
FTAlphaville zum Ausdruck bringt. Die beiden sind in der Tat ein verheiratetes
Paar. Wenn es jemals eine Zeit gegeben hat, die Haltung in Bezug auf die
Unabhängigkeit einer Zentralbank zu überdenken, ist es jetzt, wie beispielsweise
die aktuelle US-Debatte über die Prägung von Münzen aus Platin, um die
Schuldenobergrenze zu umgehen, aufzeigt.
Diese
Art der Denkweise steht im Übrigen im Mittelpunkt der Modern Monetary Theory (MMT), obwohl auch Paul Krugman heute sich der Argumentation bedient, auf die Kritik zu reagieren,
dass Money Printing derzeit, während die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle
steckt, keine Rolle spielt. Es kommt also nicht darauf an, ob die Regierung
eine Anleihe ausgibt, um die Schulden zu decken, oder Geld druckt oder sogar Münzen aus Platin prägt, um die
Schuldenobergrenze (debt ceiling) zu
umgehen. Es besteht keine Inflationsgefahr. Zumal die gesamtwirtschaftliche Nachfrage mangelhaft ist und die Produktionslücke (output gap) weit geöffnet verharrt.
Es gibt aber eine
Einschränkung (caveat), wie die
MMT-Anhänger aber auch McCulley und Pozsar betonen. Diese Denkweise gilt nur
für Volkswirtschaften, die Schuldtitel in der eigenen Währung ausgeben können,
also über die monetäre Souveränität verfügen und eine relativ stabile Nachfrage
nach Staatspapieren durch globale Investoren geniessen. Dieser Denkakt bezieht
sich nicht auf kleine, offene Volkswirtschaften oder solche, die die
Landeswährung an einer anderen Währung koppeln. Die Länder der Euro-Zone sind
ein klares Beispiel dafür, dass sie von diesem Ansatz ausgeschlossen sind.
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