Sonntag, 2. März 2025

Negotiation

Buchbesprechung

Max H. Bazerman: “Negotiation” - The Game Has Changed, Princeton University Press, Jan 14, 2025


Die meisten Verhandlungsgeschichten, die die Leute auf Cocktailpartys erzählen, konzentrieren sich auf den Preis. Im Gegensatz dazu beinhalten die meisten wichtigen realen Verhandlungen mehrere Probleme, wobei der Preis nur eines davon ist.

Prof. Bazerman zeigt auf, wie erfahrene Verhandlungsführer sich dessen bewusst sind, dass die Aushandlung mehrerer Themen günstige Geschäfte ermöglicht, die den Gesamtwert des Deals erhöhen. 

Denn Wertschöpfung ist, was effektivere Verhandlungsführer schaffen: sie 1) entwickeln stärkere Beziehungen, 2) sie haben einen besseren Ruf und 3) sie tragen dazu, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, so der Autor.

Indem sie einen Deal für alle Themen kreativ verpacken, für beide Seiten vorteilhafte Optionen finden und kluge Kompromisse eingehen, schaffen die Parteien Wert und beide Seiten erzielen bessere Ergebnisse. 

Die meisten wichtigen Verhandlungen erfordern zwar, dass wir daran arbeiten, mehr Wert (einen größeren Kuchen) zu schaffen und einen guten Teil des größeren Kuchens für uns selbst zu beanspruchen.

Wenn aber Verhandlungsführer davon besessen sind, Wert zu beanspruchen, kann die Wertschöpfung dabei verloren gehen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist Uber.

Wie Travis Kalanick (Uber CEO von 2010 bis 2017) betrachten viele Verhandlungsführer Verhandlungen als ein Schachspiel, bei dem das Ziel darin besteht, die andere Seite zu schlagen. Im Vergleich dazu tun große Verhandlungsführer mehr, als nur so viel Wert wie möglich zu beanspruchen. In den meisten komplexen realen Verhandlungen ist die Wertschöpfung und die Vergrößerung des Kuchens ein viel wichtigerer Teil des Prozesses.

Sonntag, 23. Februar 2025

EZB ist Data-abhängig und Data ist EZB-abhängig

Man kann nicht die gesamte Eurozone in Therapie schicken


Ja, wir wissen, dass die EZB bei der Festlegung ihres angemessenen geldpolitischen Kurses einen „datenabhängigen und sitzungsspezifischen“ Ansatz verfolgt.

Wir haben es oft genug gehört, dass die EZB von den Daten abhängig ist. 

Aber wovon sind die Daten abhängig?

Die Daten hängen von der EZB ab. 

Und warum? 

Weil die EZB die Geldpolitik bestimmt, indem sie die Leitzinsen festlegt.


Die EZB und die Zinsen in der Euro-Zone, Graph: FT, Febr 20, 2025.


Sonntag, 5. Januar 2025

Beyond Banks

Buchbesprechung

Dan Awrey: Beyond Banks: Technology, Regulation, and the Future of Money, Princeton University Press, 07 Jan 2025, UK.


Ob es uns gefällt oder nicht, die Kräfte des technologischen Wandels verändern unser Finanzsystem schnell. Und diese Transformation stellt kritische Herausforderungen in der einst relativ statischen, aber jetzt zunehmend dynamischen Welt des Geldes (money) und der Zahlungen (payments) dar. 

Dieses neue Buch legt einen Entwurf vor, wie politische Entscheidungsträger auf diese Änderung reagieren können. Der Grundtenor des Autors ist, dass es in erster Linie das Gesetz ist, das die Geschäftsmodelle der Institutionen und Plattformen vorschreibt, die Geld schaffen und ausgeben.

«Geld ist aber auch ein soziales Konstrukt; selbst ein perfekt konstruierter Geld-IOU-Rahmen wird unsere funktionale Definition von Geld nicht erfüllen, wenn Menschen, Unternehmen und Regierungen es nicht tatsächlich als zuverlässigen Speicher für Nennwert und Zahlungsmittel nutzen und vertrauen.» 

Geld hat drei Funktionen in der Wirtschaft: Es ist ein Tauschmittel, eine Rechnungseinheit und ein Wertspeicher. Die drei Funktionen zusammen unterscheiden Geld von anderen Vermögenswerten.  

Dan Awrey vertritt die Ansicht, dass es ziemlich klar sei, dass zwei dieser drei Eigenschaften - die Funktionen des Geldes als Rechnungseinheit und als Wertspeicher - weder notwendige noch ausreichende Bedingungen für die Qualifizierung eines Vermögenswerts als Geld sind.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten dieser Vermögenswerte - einschließlich BTC - derzeit nur wenige der wesentlichen Merkmale des Geldes aufweisen, umgeht das Buch die internationalen und geopolitischen Dimensionen des Geldes, um sich direkt auf die mikroökonomischen und rechtlichen Grundlagen der Geldgestaltung zu konzentrieren. 

Während "gutes Geld" und eine "starke Währung" oft Hand in Hand gehen, sind sie letztendlich zwei sehr unterschiedliche Dinge.

Sonntag, 29. Dezember 2024

Deutschland: Aktienmarkt versus Wirtschaft

Deutschlands “Magnificent Seven”


Der deutsche DAX, ein Index von 40 Blue Chips, ist in diesem Jahr um 18,7% gestiegen und hat damit die Benchmarks in Frankreich und im Vereinigten Königreich übertroffen und den Anstieg des regionalen Stoxx Europe 600-Index von 4,8 % bei weitem hinter sich gelassen.

Ein gutes Beispiel für das Sprichwort, dass Aktienmarkt und Wirtschaft nicht ein und dasselbe sind.

Warum?

Obwohl es wichtige Verbindungen zwischen den beiden gibt, weichen sie aufgrund unterschiedlicher Antriebskräfte, Zeitrahmen und der Auswirkungen von Spekulation und Liquidität oft voneinander ab.

Hauptgründe für die Trennung sind wie folgt:

Der Geltungsbereich und die Zusammensetzung sind unterschiedlich.

Die Aktienmärkte repräsentieren in erster Linie große, öffentliche Unternehmen. Die Wirtschaft im weiteren Sinne umfasst kleine Unternehmen, Privatfirmen und den informellen Sektor. 

Viele große Arbeitgeber sind nicht börsennotiert. Aktienindizes sind oft auf bestimmte Sektoren ausgerichtet (z. B. Technologie), die nicht unbedingt die Gesamtwirtschaft widerspiegeln.

Die diesjährigen Spitzenrenditen an dem deutschen Aktienmarkt wurden hauptsächlich von 7 Unternehmen getragen: Software-Riese SAP, der Rüstungskonzern Rheinmetall, der Industriekonzern Industriekonglomerat Siemens Energy, die Deutsche Telekom sowie die Versicherer Allianz und Münchener Rück, Graph: FT, Dec 26, 2024. 

Donnerstag, 26. Dezember 2024

Immigration Realities

Buchbesprechung

Ernesto Castañeda and Carina Cione: Immigration Realities – Challenging Common Misperceptions, Columbia University Press, Nov 2024.


Es scheint, dass die moderne Welt in Krisen ertrinkt.

Imperialismus, Entkolonialisierung, Gewalt, Naturkatastrophen, Instabilität und Armut haben seit Tausenden von Jahren Menschen auf der ganzen Welt entwurzelt.

Migration ist eine menschliche Geschichte. Doch «Migration» ist ein hochgradig politisiertes Thema. 

Flüchtlinge sind Menschen, die mit Problemen konfrontiert sind, und stellen nicht grundsätzlich selbst ein Problem dar.

Ein ernstes, systemisches Problem im Zusammenhang mit Vertreibung ist das Erbe des Imperialismus und der aktuellen neo-kolonialen Beziehungen.

Dem UNHCR zufolge besteht die eigentliche Krise darin, dass einige wenige Länder „eine unverhältnismäßig große Verantwortung für die Aufnahme von Neuankömmlingen“ tragen, und nicht darin, dass es eine relativ unverhältnismäßig große Zahl von Ankünften gibt: 

«Wir betrachten es als eine politische Krise, nicht als eine Migrationskrise.»

Die ständige Fabrikation von Flüchtlingskrisen beeinflusst die politischen und sozialen Ansichten der Öffentlichkeit über Migration. 

«Migration kann nicht „gelöst“ werden, denn sie ist ein zeitloses und ständig schwankendes Phänomen».

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die starken Meinungen, die die Menschen oft haben, auf idiosynkratischen persönlichen Erfahrungen, vorurteilsbehafteten Ansichten und falschen Annahmen beruhen, die von Politikern und Mainstream-Medien verbreitet werden. 

Freitag, 22. November 2024

Kaput

Buchbesprechung

Wolfgang Münchau: Kaput – The End of the German Miracle, Swift Press, November 2024, London.


Dieses Buch erzählt die Geschichte des Falls des Neo-Merkantilismus am praktischen Beispiel von Deutschlands Wirtschaftsmodell.

Was der Autor «Neo-Merkantilismus-Denkmentalität» nennt ist keine Politik, sondern ein System. Und jeder in Deutschland unterstützte es. Die Hauptprotagonisten waren die beiden größten Parteigruppen: 

Merkels Christdemokraten, die CDU, und ihre bayerische Schwesterpartei, die CSU; und die Sozialdemokraten, die SPD.

Das Ziel des Neo-Merkantilismus ist es, große Exportüberschüsse zu schaffen:

«Es ist das Streben im 21. Jahrhundert à la französische Handelspolitik des 18. Jahrhunderts mit Unternehmen des 19. Jahrhunderts, die die Technologien des 20. Jahrhunderts nutzen.» 

Das hat auch funktioniert, bis es nicht mehr funktioniert hat, so der deutsche Wirtschaftsjournalist.

Merkantilisten, alte und neue, sind misstrauisch gegenüber «disruptive technology» («bahnbrechende Innovationen»); sie handeln gerne mit physischen Gütern. Mit anderen Worten geht die merkantilistische Denkweise Hand in Hand mit «Techno-Phobie». 

Wenn wir dazu auch die vorherrschende «fiscal and monetary austerity» in Deutschland zählen, ist das Ergebnis das deutsche Wirtschaftsmodell, ein protektionistischer, konservativer Ansatz.

Die Unterstützung für das neo-merkantilistische Modell geht über die Politik hinaus und spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie die Medien über die Wirtschaft berichten. Zeitungen schreiben über Überschüsse auf die gleiche Weise wie über Fußball: mehrere Jahre erklärten die deutschen Medien Deutschland zum Export-Weltmeister.

Sonntag, 17. November 2024

The Case for a Debt Jubilee

Buchbesprechung

Richard Vague: The Case for a Debt Jubilee, Polity Books, Oct 2021.


Schulden sind i.d.R. erforderlich, um neue Fabriken zu bauen, neue Produkte zu entwickeln oder Wohnsiedlungen zu bauen. Das ist ein Hauptgrund, warum Schulden immer so schnell oder schneller wachsen als das BIP.

Es braucht Schulden, um das BIP überhaupt zu steigern. Das wirtschaftliche Leben, wie wir es kennen, wäre ohne riesige Summen an privaten Schulden einfach unmöglich. Es ist intrinsisch mit dem System. 

Unternehmen des 21. Jahrhunderts wie Supermärkte und Einzelhändler nutzen regelmäßig Schulden, um ihren anhaltenden Bedarf an Lagerbeständen zu decken. Hersteller verschulden sich, Rohstoffe zu kaufen, um sie in Fertigwaren umzurüsten. Menschen nutzen Schulden, um Autos, Häuser und andere wichtige Vermögenswerte zu kaufen.

Ist aber private Verschuldung selbst ein Problem? Volkswirtschaften können schließlich nicht ohne Schulden auskommen, und der Großteil davon sind private Schulden.

Richard Vague geht davon aus, dass Schulden weder gut noch schlecht sind. Schulden sind wie Wasser: unverzichtbar, immer da und als selbstverständlich angesehen und unbemerkt, außer wenn es gefährlich zu viel oder zu wenig davon gibt. Das ist das «Paradoxon der Schulden». 

Private Schulden sind notwendig und können das Wirtschaftswachstum ankurbeln, aber eine hohe Verschuldung, sei es für Einzelpersonen oder Unternehmen oder beides, belastet und behindert dieses Wachstum.