Dienstag, 19. Juli 2011

Zahlungsausfall und Big Government

Simon Johnson befasst sich in einem lesenswerten Essay („Defaulting to Big Government“) in Project Syndicate mit dem aktuellen US-Streit um die Schuldengrenze (debt ceiling). Eine Hardliner Minderheit der Republikaner im Repräsentantenhaus scheint tatsächlich zu glauben, dass ein Zahlungsausfall keine schlechte Sache wäre.

Diese Politiker, mit denen Johnson vor kurzem an drei Anhörungen Bekanntschaften gemacht habe, seien davon überzeugt, dass der Staat zu gross in Bezug auf die Wirtschaft sei. Daher seien drastische Massnahmen erforderlich, um es unter Kontrolle zu bringen.

Aber die Folgen eines Zahlungsausfalls (default) würden ironischerweise die Grösse des Staates in Bezug auf die Wirtschaft tatsächlich erhöhen: ein Ergebnis, das die Republikaner kompromisslos bekämpfen wollen, argumentiert Johnson.

Der Grund ist einfach: Ein Zahlungsverzug würde das Kreditsystem zerstören, wie wir es kennen. Die grundlegenden Benchmark-Zinsen in den modernen Finanzmärkten sind die sog. „risiko-freien“ Renditen der Staatsanleihen. Die Entfernung dieser Säule würde viele private Verträge und alle Arten von Transaktionen zum Erliegen bringen, erklärt der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor.

Es gibt kein Unternehmen in den USA, das von einem Default unberührt wäre. Und keine Bank oder anderes Finanzinsitut könnte für Ersparnisse einen sicheren Hafen bereitstellen. Es käme zu einem Sturm (run) in Cash, wie seit der Grossen Depression nie zuvor gesehen, mit langen Schlangen von Menschen an den Geldautomaten und vor den Bankschaltern, die so viel wie möglich Bargeld abheben würden.

Mit dem privaten Sektor im freien Fall würden Verbrauch und Investitionen stark einstürzen. Amerikas Fähigkeit, zu exportieren, würde ebenfalls stark beeinträchtigt, da auch die ausländischen Märkte davon betroffen würden, weil es für die Export-Unternehmen keinen Kredit gäbe, sodass sie nicht mehr herstellen könnten, beschreibt der ehemalige Chef-Ökonom des IWF.

Die Republikaner haben in einer Sache Recht: Ein Zahlungsausfall würde die Staatsausgaben real schrumpfen lassen. Aber was würde mehr sinken? Die Staatsausgaben oder die Grösse des Privatsektors? Die Antwort ist fast sicher: Der Privatsektor, angesichts der Abhängigkeit vom Kreditwesen. Man nehme den Beinahe-Zusammenbruch des Finanzsystem im Jahr 2008 und multipliziere mit 10, legt Johnson dar.

Ein Zahlungsausfall der USA würde also so aussehen: Der Privatsektor würde einstürzen, die Arbeitslosigkeit würde schnell auf 20% klettern. Und während die Grösse des Staates abnehmen würde, bliebe der Staat der Arbeitgeber der letzten Instanz.

Fazit: Die Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat, die die Schuldenobergrenze nicht erhöhen wollen, spielen mit dem Feuer. Sie treten für eine Politik ein, die schlimme Folgen hätte, und genau das Gegenteil von dem, was sie anstreben, über die Bühne bringen würde, weil ein Zahlungsausfall (default) den Staat unmittelbar wichtiger machen würde, nicht weniger wichtig.

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