Dienstag, 31. Juli 2012

EZB und Weltwirtschaft


EZB-Chef Mario Draghi hat vergangene Woche gesagt, dass die EZB alles tun wird, um den Euro zu erhalten.

Im Angesichts der wachsenden Ängste vor einer Verschlechterung der Rezession und des politischen Drucks hat die EZB endlich geblinkt, bemerkt Mark Weisbrot in einem lesenswerten Artikel („How the ECB came to control the fate of the world economy“) in The Guardian.

Der politische Druck kommt (1) zum Teil aus Frankreich. Der neu Präsident François Hollande ist schliesslich von Stimmen gewählt worden, die die Austeritätspolitik ablehnen. Zum Teil stammt aber der politische Druck (2) von dem IWF. Der Internationale Währungsfonds ist eine Partei der Troika, die mit der EZB und der EU-Kommission zusammen die Wirtschaftspolitik im Euroraum im Verlauf der Krise festlegt. Aber (3) auch die Obama-Regierung erhöht den Druck auf Europa, die Krise zu Ende zu bringen, da die schleppende US-Wirtschaft die Wiederwahl-Chance des Präsidenten Obama beeinträchtigt.

Während die Rally an den Finanzmärkten vergangene Woche im Anschluss der zitierten Aussage von Draghi nicht dasselbe bedeuten wie die Weltwirtschaft, lastet die ökonomische Unsicherheit, die durch die europäischen Behörden geschaffen und verschärft werden, nicht nur auf den Finanzmärkten, sondern auf der Realwirtschaft von Südkorea bis Brasilien, legt Weisbrot dar.

Die Weltwirtschaft wird in diesem Jahr voraussichtlich um 3,5% wachsen, im Vergleich zum Wachstum von 5,3% im Jahre 2010. Das bedeutet ein Unterschied von zig Millionen Arbeitsplätzen weltweit und von mehr als 1‘000 Mrd. $ Verlust an Einkommen.

Arbeitslosenquote im Euroraum klettert auf einen neuen Höchststand


Was bedeutet Austerität für z.B. Spanien, wo jeder vierte Mensch arbeitslos ist?

Das ist die Abbildung des spektakulären Fehlschlags der von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble verordneten und von Brüssel umgesetzten Austeritätspolitik im Euroraum.

Eurostat schätzt, dass im Juni 2012 in der EU27 insgesamt 25,1 Millionen Männer und Frauen arbeitslos waren, davon 17,8 Millionen im Euroraum.

Die vergangenen Jahre führen dramatisch vor Augen, wie Recht Keynes hat: Ausgabenkürzungen in einer Depression belasten die Konjunktur und schicken die Wirtschaft tiefer in eine Abwärtsspirale


Arbeitslosenquote des Euroraums: 11,2%, Graph: eurostat

Die Arbeitslosenqute beträgt in Spanien: 24,8%, in Griechenland: 22,5% und Portugal: 15,4%.

Montag, 30. Juli 2012

Internal Devaluation und Inflation im Euroraum


(Nur für Streber)

Paul Krugman schreibt in seinem Blog seit einer geraumer Zeit, warum es im Euroraum vorübergehend einer etwas höheren Inflation bedarf, um die Probleme anzupacken.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hatte bereits vor einem Jahr deutlich davor gewarnt, dass das Catering der EZB, dem deutschen Wunsch für niedrige Inflationsrate zu entsprechen, sehr zu Lasten der Peripherie gehe, wo die Probleme unlösbar werden.

Man stelle sich zwei Szenarien vor: im Szenario A hat Deutschland eine Inflation von 2% und Spanien hat eine Deflation von 2%. Dies impliziert eine allgemeine Inflationsrate in der Eurozone von 1%. Im Szenario B hat Deutschland eine Inflation von 4% und Spanien hat null Prozent Inflation. Dies impliziert eine allgemeine Inflationsrate von 3% in der Eurozone.

Man beachte dabei die Annahmen: (1) Die deutsche Wirtschaft ist 3x so gross wie die spanische Wirtschaft, sodass Deutschlands Inflation ¾ der allgemeinen Inflationsrate in der Eurozone ausmacht, während Spaniens Inflation ¼ davon beträgt. (2) In der Vergangenheit sind die Löhne und Preise in Spanien um 20% (logarithmisch) stärker gestiegen als in Deutschland.

Das Ziel ist nun, die relativen Preise und Löhne im Lauf von 5 Jahren in Einklang zu bringen. Wie kann das geschehen? Eine Möglichkeit ist, dass die Inflation in Deutschland in diesem Zeitraum um 4% höher steigt als in Spanien.

Heute liefert Krugman in seinem Blog ein kleines stilisiertes Modell in Verbindung mit der Inflaton und des Anpassungsproblems der Geldpolitik für die gesamte Eurozone. Das Ziel ist, das ganze Geschehen ins makroökonomische Licht zu rücken, damit die gegenwärtige Problematik besser verständlich wird.


Ein kleines stilisiertes Modell für den gesamtwirtschaftlichen Angebot-Nachfrage-Rahmen, Graph 1: Prof. Paul Krugman

AD: gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve, AS: gesamtwirtschaftliche Angebotskurve

Hummel-Absturz im Euroraum


Paul Krugman bezieht in seiner lesenswerten Kolumne („Crash of the Bumblebee“) am Montag in NY Times zu Mario Draghis Analogie mit „bumblebee“ ("Der Euro ist wie eine Hummel") Stellung.

EZB-Präsident hat nämlich vergangene Woche in einem Vortrag erklärt, dass die EZB bereit sei, alles zu unternehmen, um den Euro zu retten und die Märkte haben hochgejubelt. Wird der Euro aber wirklich gerettet? Krugman hat Zweifel daran.

„Europas Einheitswährung ist eine mangelhafte Konstruktion“, hält der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor fest. Und Draghi erkennt es auch an. „Der Euro ist wie eine Hummel“, hat EZB-Chef gesagt. „Das ist ein Geheimnis der Natur, weil sie nicht fliegen sollte. Aber sie tut es dennoch. So war der Euro wie eine Hummel, die mehrere Jahre sehr gut geflogen ist“. Nun hat sie aufgehört, zu fliegen. Was kann getan werden? Die Antwort, die Draghi nahelegt, ist, dass die Hummel auf eine echte Biene aufsteigt.

„Abgesehen von der zweifelhaften Biologie wird der Euro auf lange Sicht nur praktikable, nur wenn die EU viel mehr wie ein vereinigtes Land wird“, unterstreicht Krugman.

Aber eine Vereinigten Staaten von Europa wird nicht bald passieren, wenn überhaupt, solange die Eurokrise anhält. Was könnte aber die Gefahr abwenden? Die Antwort ist ziemlich klar: die politischen Entscheidungsträger müssten (a) die Fremdkapitalkosten in Südeuropa verringern und (b) Europas Kreditnehmern die gleiche Art von Möglichkeit geben, sich aus der Krise durch Exporte zu retten, wie Deutschland es in den guten Jahren gehandthabt hat. Dies würde eine höhere Inflation in Deutschland bedeuten. Das Problem ist aber, dass Europas Entscheidungsträger sich allem Anschein nach weigern, (a) zu tun und völlig widerwillig sind (b) zu tun.

Sonntag, 29. Juli 2012

Der Euro ist wie eine Hummel


Die Aussagen des EZB-Chefs Mario Draghi ist vergangene Woche auf eine überwältigende Resonanz gestossen. Die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten.

Auch Paul Krugman befasst sich in seinem Blog mit Draghis aussergewöhnlichen Bemerkungen, die um die Erde vielfach zitiert worden sind.

Krugman nimmt unmittelbar Stellung zu der gestern auf der Home Page der EZB offiziell veröffentlichten Rede des EZB-Präsidenten. Draghi hat eine definitiv wehleidge Bemerkung, hebt Krugman hervor.

Hier ist der Abschnitt aus Draghis Rede, welcher Krugman besonders aufgefallen ist (meine freie Übersetzung aus dem Englischen):

„Der Euro ist wie eine Hummel. Das ist ein Geheimnis der Natur, weil sie nicht fliegen solllte. Aber sie tut es dennoch. So war der Euro wie eine Hummel, die mehrere Jahre sehr gut geflogen ist. Und jetzt, und ich denke, dass die Leute fragen, wie kommt das?, gab es wahrscheinlich etwas in der Atmosphäre, in der Luft, die dafür sorgte, dass die Hummel flog. Jetzt muss sich etwas in der Luft verändert haben. Und wir wissen, was, nach der Finanzkrise. Die Hummel muss aufsteigen, auf eine echte Biene. Und das ist, was sie nun tut“.

Erheblich später erklärt Draghi in seiner Rede, dass die EZB tun werde, was es braucht. „Eine Erklärung, auf die jeder aufgegriffen hat, die aber nur wenig bedeuten kann“, argumentiert Krugman.




Inflationistas und Fehlschläge


Was die anhaltende Finanzkrise u.a. deutlich gezeigt hat, ist, dass kein Mainstream-Volkswirt gern Fehler einräumt. Es mangelt ihnen aber auch an einem konstruktiven Umgang mit Fehlprognosen, falschen Voraussagen und absonderlichen Aussagen, wobei v.a. die letzteren zumeist ideologisch geprägt sind. Intellektuelle Redlichkeit ist offenbar ein knappes Gut.

Vor diesem Hintergrund ist Brad DeLong überhaupt nicht erfreut, zu lesen, wie Noah Smith versucht, John Cochrane weniger ratlos über die Welt erscheinen zu lassen, als dieser ohnehin ist.

Worum geht es? Hier ist eine Zusammenfassung. Bitte nachlesen. Cochrane hatte im Jahr 2009 Inflation vorhergesagt. Es ist nicht eingetroffen.

DeLong hat sich in seinem Blog mit Stil darüber mokiert. Zu Recht. Cochrane verteidigt sich nun in seinem Blog: „die Vorhersage der Inflation war (und ist) eine Aussage über die Risiken, keine zeitspezifische Prognose“.

Smith nimmt den an der University of Chicago, Booth School of Business lehrende Wirtschaftsprofessor in Schutz. „Was den Punkt 1 betrifft, ist es eine sehr faire, treffende Erwiderung. Vorhersagen sind nicht notwendigerweise Prognosen. Wenn Sie sagen, „wir sind wahrscheinlich in einer Blase, die früher oder später platzen wird“, ist etwas anderes als wenn Sie sagen, „die Blase wird am nächsten Donnerstag um 10 Uhr 36 platzen“.

Smith denkt also, dass die Menschen instiktiv zu viele Prognosen wollen und nicht genügend andere Arten von Vorhersagen aus makroökonomischen Modellen wünschen.





US Notenbankgeldmenge, Graph: FRED, Fed St. Louis

Samstag, 28. Juli 2012

Verzinsung von Überschussreserven bei den Zentralbanken


Seitdem die EZB am 5. Juli den Zinssatz für die Einlagefazilität von 0,25% auf 0,00% gesenkt hat, gibt es Diskussionen darüber, ob die EZB demnächst dazu übergehen würde und/oder soll, negative Zinsen einzuführen.

In den USA verzinst die Fed die Überschussreserven der Banken derzeit zu 0,25 Prozent. Aber auch auf der anderen Seite des Atlantiks gibt es nun eine kleine Debatte darüber, ob die Fed die Verzinsung (IOER: interest paid on excess reverves) auf Null senken soll, um durch die Wiederbelebung der Kreditvergabe der Banken die Wirtschaft zusätzlich anzukurbeln.

Die Idee dahinter ist, dass die Banken die überschüssige Liquidität in sonstige Vermögenswerte investieren würden, falls der IOER gleich Null wäre oder unter Null fallen würde. Das Rebalancing der Bank-Portfolios würde wiederum zu einem Rebalancing der Porfolios der Öffentlichkeit führen, was schliesslich helfen würde, die Erholung der Wirtschaft zu fördern.

In der Schweiz werden die Sichtguthaben der Banken von der SNB nicht verzinst. Das heisst, dass die Liquidität von der SNB nicht sterilisiert wird.

Das Team von FT Alphaville vertritt eine andere Ansicht. Die Analysten sehen Probleme, falls der IOER unter Null gesenkt würde.  Dadurch würde die netto Zinsspanne für die Geldmarktfonds (MMF) abgeschafft, was die Fonds dazu veranlassen würde, aus dem Geschäft auszusteigen. Die Mittel, worauf die MMF zur Zeit sitzen, würden dann in die Banken fliessen. Die Banken dürften nicht lange zögern, die Kundeneinlagen negativ zu verzinsen. Folglich würde der Anreiz im Publikum zunehmen, mehr Bargeld zu horten. Die Finanzintermediation würde geschwächt und die Wirtschaft ging mehr bachab.

FDIC schliesst die 39. Bank in diesem Jahr


Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Washington Post eine kleine Bank in Georgia geschlossen.

Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2012 verstaatlicht wurden, auf 39 gestiegen, nachdem im Vorjahr insgesamt 92 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen im Jahr 2012 markiert einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr hatten die Behörden 61 Banken geschlossen.

Die verstaatlichte  Bank verfügt über ein Anlagevermögen von 216,7 Mio. $ und Einlagen von 213,1 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank betragen für die öffentliche Hand  schätzungsweise 58,1 Mio. $.

Bankpleiten:
2012: 39
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 27. Juli 2012

GIIPS sind schwanger und Deutschland ist der Vater


„Soll man den Euro jetzt sterben lassen? Es ist hässlich, zu sagen, zumal das Ende des Euros eine hässliche Sache sein wird. Aber es muss gesagt werden“, bemerkt Nick Rowe in seinem Blog.

Kanada geriet im Juni unter Druck, um zu helfen, damit die Eurozone überlebt, wurde aber kritisiert, weil es angeblich versagt hat, zu helfen, erklärt der an der Carleton University, Kanada lehrende Wirtschaftsprofessor.

Kanadas Position war vertretbar. Ganz einfach: die Eurozone braucht mehr Euros, nicht mehr Loonies und die Eurozone kann Euros drucken, während Kanada nur Loonies drucken kann. Es macht daher Sinn, sowohl technisch als auch moralisch, wenn Kanada sagt, „druck doch mehr Euros, argumentiert Rowe.

Das optimistische Szenario für den Euro ist, dass Griechenland die Eurozone verlässt, und der Rest ist so verängstigt, dass die verbliebenen Mitglieder eine Fiskal- und Banken-Union bilden.

Dieses Szenario ist, was Rowe „Zwangsheirat“ nennt. „Wenn die Menschen in Europa eine immer engere Union wollen oder wenn eine immer engere Union sich aus einem Gefühl der gemeinsamen Identität entwickelt, dann ist es OK“. 

Aber betrogen zu sein, und in eine Ehe gezwungen zu werden, ist eine andere Sache, weil die PIIGS alle schwanger sind und Deutschland der Vater ist, obwohl alle von ihnen dachten, dass sie nur Händchen halten und niemand ihnen gesagt hat, dass das Teilen einer gemeinsamen Währung so eine intime Beziehung bedeutet.

Welcome in “Club Negative”


Es war Dänemarks Zentralbank, die am 5. Juli dieses Jahres offiziell erstmals einen negativen Zinssatz eingeführt hat, um die en masse Kapitalzuflüsse ins Land zu unterbinden. Die dänische Zentralbank will damit aber zugleich v.a. die Koppelung (das sog. „peg“) der Landeswährung am Euro verteidigen.

In Erinnerung ist, dass auch die schwedische Zentralbank (Swedish Riksbank) 2009 kurz einen negativen Zinssatz für Einlagen verhängt hatte.

Seitdem die EZB neulich den Zinssatz für die Einlagefazilität auf Null Prozent gesenkt hat, um die Banken zur Kreditvergabe zu animieren, brodelt es in der Gerüchteküche, dass die europäischen Währungshüter grundsätzlich nicht abgeneigt wären, demnächst offizielle negative Zinsen einzuleiten. Das heisst, dass die Geschäftsbanken darauf zahlen müssten, um ihre überschüssige Liquidität bei der EZB über Nacht deponieren zu dürfen.

Es ist sicherlich ein unkonventioneller Gedanke. Aber die Forward-Kontrakte für den EONIA (Benchmark Zinssatz für die Kreditaufnahme in Euro über Nacht) deuten darauf hin, dass die Future-Märkte eine, wenn auch kleine, aber sinnvolle Wahrscheinlichkeit einpreisen, dass negative Zinsen Ende des Jahres möglich sind, wie FT in einem kurzen einem Artikel (“Could the ECB join Europe’s Club Neg?”) in berichtet. Es gibt sogar Analysten, die damit rechnen, dass die EZB die negativen Zinsen bereits im Oktober vorstellen könnte.


EONIA: 0,112%, Graph: Bloomberg.com

Geld ist gratis


Die angeblich ernsthaften Leute sprechen bereits seit Jahren düstere Warnungen über die Folgen der hohen Haushaltsüberschüsse aus, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Money for Nothing“) am Freitag in NY Times.

Beim Defizit handelt es sich überwiegend um das Ergebnis der anhaltenden wirtschaftlichen Krise. Im Mai 2009 hat Niall Ferguson, Harvard University erklärt, dass die „Flutwelle der Ausgabe von Anleihen“ die US-Zinsen in die Höhe schiessen würde. Im März 2011 hat Erskine Bowles, der co-chairman der unseligen Haushaltskommission des Präsidenten Obama gewarnt, dass die „Märkte uns verwüsten“ werden, wahrscheinlich innerhalb von zwei Jahren , wenn demnächst keine Massnahmen getroffen würden, um das Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu bringen. Und so weiter.

Laut Bowles sind also nur wenige Monate ausstehend. Aber auf dem Weg zu der vorausgesagten Fiskalkrise ist etwas Lustiges passiert, beschreibt Krugman: die Fremdkapitalkosten der USA sind gesunken, und zwar auf den niedrigsten Stand in der Geschichte des Landes, anstatt durch die Decke zu schiessen.

Was ist also los? Die wichtigste Antwort ist laut Krugman, dass das, was passiert, wenn die Wirtschaft einen „deleveraging shock“ (Schock des Schuldenabbaus) erlebt, wo jederman versucht, die Schulden gleichzeitig abzuzahlen. Die Kreditaufnahme der privaten Haushalte sind gestürzt. Unternehmen hocken auf Bargeld, weil sie keinen Anlass sehen, Kapazitäten zu erweitern, wenn es keinen Umsatz gibt. Also kaufen sie Staatsanleihen, auch zu sehr niedrigen Renditen, aus Mangel an Alternativen. Darüber hinaus betteln sie durch die Bereitstellung des billigen Geldes die Staaten an, mehr Schuldtitel auszugeben.

Donnerstag, 26. Juli 2012

Wahre Lügen mit falschen Modellen aus Chicago


Brad DeLong erinnert in seinem Blog daran, dass John Cochrane vor 40 Monaten vorausgesagt hatte, dass „niemand unsere Staatsanleihen kaufen werde, und zwar wegen Inflationsgefahr“.

Der an der University of Chicago, Booth School of Business lehrende Professor fürs Finanzwesen hat am 30. März 2009 bemerkt, dass die Gefahr jetzt Inflation sei. „Und ich würde sagen, dass es eine grössere Gefahr ist als die meisten anderen Menschen gesagt hatten. Unsere Gefahr ist jetzt ein Sturm auf Staatsanleihen. Es geht nicht darum, ob die Fed das alles wieder zurück abschöpfen kann, sondern ob die Fed die enorme Menge an Schulden zurück aufnehmen kann, wenn die Leute weder das Geld noch die US-Staatsanleihen oder etwas mit der Bezeichnung „US-Regierung“ jemals wieder haben wollen“.

DeLong schreibt dazu, dass er sich keinen einzigen Satz aus dem ganzen Abschnitt der Aussage denken kann, was Cochrane halb-intelligent aussehen lassen würde.

Radikale Austerität


Während man einer Euro-Katastrophe ins Gesicht schaut, ist ein Aspekt nicht ausreichend hervorgehoben worden, schreibt Paul Krugman in seinem Blog: die Höhe des Schadens für die gesamte europäische politische Landschaft.

In den meisten Teilen der Peripherie sind die beiden Seiten der üblichen politischen Spaltung in Austerität und interne Abwertung (internal devaluation) eingefangen, manchmal in den Regierungen der nationalen Einheit, manchmal innert Partei-Regeln, aber mit beiden Parteien der gleichen Linie folgend, beschreibt Krugman.

Wenn die Politik katastrophal versagt, was ja langsam zur Gewissheit wird, dürfte die Wirkung das gesamte politische Zentrum in Verruf bringen, was radikale Rechte und Linke quasi als die einzigen Menschen, die nicht verdorben sind, erscheinen lassen würde.

Swiss Currency Area


Switzerland is a kind of monetary union. Swiss Confederation consists of 26 cantons and 2’495 communes. Under the Federal Constitution, all cantons have equal rights, and in comparison with the situation in other countries, they have a high degree of independence. They enjoy a large degree of latitude in health care, education and culture.

Switzerland is with 7.8m inhabitants a multilingual country. The laws are formulated as clearly as possible in the official languages of German, French and Italian.

Some cantons are more indebted than others. Some cantons are economically weaker than others. But the currency union works in spite of cultural differences. Why? It is because of institutions.

Switzerland has Swiss Francs (CHF) as a common currency for its different kind of economic regions. As Paul Krugman explains in his bookEnd This Depression, Now!”, certain conditions must be met in order to make a currency union work from the perspective of economic theory. The model is an optimum currency area (OCA), which must be pursued. This means that the advantages have to outweigh the disadvantages of a common currency.

The cantons in Switzerland are closely intertwined, so that there are substantial benefits that they all have the same currency. The cantons have only limited possibilities for economic stabilization. And they have mainly no monetary policy as a relevant instrument of economic policy.

As regards the criteria labor mobility (Robert Mundell) and fiscal integration (Peter Kenen) Swiss Cantons suite for a single currency (very) well. 

Mittwoch, 25. Juli 2012

Von wegen Crowding-out!


Paul Ryan hatte im März 2011 den Teufel an die Wand gemalt. Zur Erinnerung: Der Vorsitzende des einflussreichen Haushaltsausschusses im US-Kongress hat wegen Haushaltsdefizit wiederholt vor Crowding-out gewarnt.

Vor diesem Hintergrund deutet Menzie Chinn in seinem Blog auf die um die Inflation bereinigte Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit hin.

Die Rendite beträgt Minus 0,67%.


US TIPS (10Jahre) Rendite, Graph: FRED via Prof. Menzie Chinn
(TIPS: inflationsgeschützte Staatsanleihen)

Euro-Krise und Panik-Knopf


Er habe es nicht für möglich gehalten, dass sein Vertrauen in die Fähigkeit der europäischen Politiker, den Kontinent aus der Krise zu ziehen, weiter sinken würde, schreibt Tim Duy in seinem Blog.

Warum? Weil er praktisch von Anfang an kein Vertrauen hatte.

Die europäischen Politiker haben aus der griechischen Erfahrung nichts gelernt. Man bekommt das Gefühl, dass das Rezept richtig gewesen sei, aber der Patient einfach nicht bereit ist, die Medizin zu nehmen, legt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor dar. Wo Griechenland scheiterte, werde Spanien erfolgreich sein oder zumindest ist es aus Sicht der EU zu hoffen.

Doch trotz offensichtlich klarer und gegenwärtiger Gefahr für das Eurozone- Projekt und noch wichtiger als das Projekt, für die Wirtschaft, worauf Millionen von Menschen angewiesen sind, scheint es keine Panik in den offiziellen Kreisen zu geben“, argumentiert Duy.

Es gibt kein Anzeichen für die Notwendigkeit, dass die Politik neu bewertet werden müsste. Und es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Gefahr im Verzug ist. Niemand lässt sich aus der Ruhe bringen, dass unbegründete und falsche Gerüchte über einen „Grand Plan“ zirkulieren.

Das Fehlen von Panik ist laut Duy geradezu beängstigend. Ist Europa völlig frei von neuen Ideen? Oder ist jeder einfach nur im Urlaub?

Katastrophale Wirtschaft und rekordtiefe Renditen


Die Renditen der Staatsanleihen fallen im Euro-Raum weiter. In Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden  und Österreich haben die Renditen inzwischen zum Teil auch negative Werte verbucht.

Aber auch ausserhalb des Euro-Raums erreichen die Renditen immer neue Tiefs. Zum Beispiel in Dänemark, Grossbritannien und Schweden. In der Schweiz sind die Geldmarktzinssätze seit einem Jahr negativ. Die letztgenannten Länder verfügen über eigene Landeswährung.

Nun tauchen plötzlich Möchtegern-Experten auf und behaupten, dass es sich dabei um eine Blase handelt. Kaum glaubhaft. Es gibt aber andere Stimmen, wie die z.B. von FT Alphaville. Die FT-Bloggers vertreten seit geraumer Zeit mit aller Intensität die Ansicht, dass die Renditen auf rekordtiefen Niveaus auf einen globalen Mangel an sicheren Anlagen zurückzuführen sind.

Auch der IWF in einem Bericht den Mangel an sicheren Anlagen hervorgehoben. Die Idee, die dahinter steckt, ist, dass die langfristigen Zinsen für die USA, Grossbritannien und jedes andere Land mit eigener Währung, welche keine hohen Schulden in Fremdwährung hätten, die verzweifelte Suche der Investoren nach sicheren Anlagen widerspiegele.


Japan Staatsanleihen (10Jahre) Rendite, Graph: Prof. Paul Krugman

Dienstag, 24. Juli 2012

Konjunkturpakete und Depression: Henne-Ei-Problem?


“Wenn Staatsausgaben tatsächlich Wohlstand schaffen würden, wenn Paul Krugman Recht hätte, dann gäbe es keinen einzigen Menschen in Armut auf der Welt“, sagt Brian Wesbury (via Business Inside).

„Jede Volkswirtschaft würdee dann um 4% wachsen, mit einer Arbeitslosenquote von 4%. Aber es ist nicht wahr“, fügt der Chefökonom von First Trust Advisors hinzu.

Was für eine unqualifizierte Aussage!

Warum gibt es in der fast fünf Jahre anhaltenden Finanzkrise immer noch Leute, die nicht aufhören, zu sagen: „Sie behaupten, dass Staatsausgaben Arbeitsplätze schaffen können. Aber warum boomt die griechische Wirtschaft dann nicht? Huh?“

Bemerkenswert ist, dass niemand jemals gern zugibt, alles falsch vorausgesagt zu haben. Völlig dumme Irrtürmer verschwinden irgendwie nicht, sondern sie verbleiben in voller Kraft, egal, wie dumm sie sind.

Man könnte meinen, dass die vorbehaltliche Natur der Aussage vergessen wird: expansive Fiskalpolitik hat einen positiven Effekt, wenn die Wirtschaft depressiv ist und die Geldpolitik die Wirtschaft nicht ankurbeln kann. Das ist ein typischer Fall, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, erklärt Paul Krugman in seinem Blog.

Warum sind Swap Spreads negativ?


Die Swap Spreads sind i.d.R. höher, weil sie sich aus variablen Zinssätzen ableiten lassen, die auf Ausfallrisiko (credit risk) beruhen.

Die Swap Spreads sind negativ, weil die Nachfrage nach festen Zinssätzen stark ist. Marktteilnehmer wollen variable Sätze gegen fixe Sätze tauschen (swap). Das heisst, dass sie „variable“ verkaufen, und „fixe“ kaufen wollen.

Ein aktuelles Beispiel:

Benchmark Swap Spread = Swaps (USD) – US Treasury Bonds (Rendite)

= 1.643 – 1.513 = 13 Basispunkte (für 10 Jahre)
= 2.372 – 2.614 = -24.2 Basispunkte (für 30 Jahre)

Die Swap Spreads für 10 Jahre verlaufen aufgrund des Anleihekaufprogramms der US-Notenbank mittlerweile wieder im positiven Bereich. Das deutet eigentlich auf eine Re-Normalisierung hin.


US-Swap Sätze, Graph: Jonathan Marymor, Morgan Stanley

Schweiz: Geldmultiplikator und Negativ-Inflation


Die SNB hat gestern das Statistische Monatsheft Juli 2012 veröffentlicht. Demnach ist die Notenbankgeldmenge (nach Verwendung) in der Schweiz Ende Juni auf 273,9 Mrd. Franken gestiegen. Das bedeutet ein Anstieg um 57,10 Mrd. Franken gegenüber dem Vormonat.

Vor einem Jahr im vergleichbaren Monat lag die Notenbankgeldmenge auf 74,6 Mrd. Franken. Das bedeutet einen Anstieg um 267,1% innert 12 Monaten. Die massive Ausweitung der Notenbankgeldmenge hat aber nicht zu einem Anstieg der Inflation geführt. Ganz im Gegenteil ist die Inflation in der Schweiz negativ. Die Kerninflation liegt sogar noch tiefer im Minus.

Ist das Umfeld der Wirtschaft depressiv, braucht man sich keine Sorgen um inflationäre Folgen von Geldschöpfung zu machen. Wie das Konzept der Liquiditätsfalle nahelegt, sind nicht einmal die Zinsen auf der Nullgrenze tief genug, ausreichend Ausgaben zu induzieren, um die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, ist das Drucken von Geld nicht inflationär.


Schweizer Notenbankgeldmenge (M0), Graph: SNB, Statistisches Monatsheft, July 2012

Kerninflation verläuft in der Schweiz weiter negativ


Die Kerninflation verharrt in der Schweiz den 9. Monat in Folge negativ. Im Juni belief sich die Inflation (ohne frische und saisonale Produkte, Energie und Treibstoffe) auf Minus 1,2%.

Wie dem von der SNB gestern vorgelegten Monatsheft (July 2012) zu entnehmen ist, verbleibt auch der getrimmte Mittelwert (TM15), der wie die Kerninflation ein geeigneteres Bild der Entwicklung der allgemeinen Inflation liefert, unter der Null Marke: Minus 0,1%. Der TM15 verbucht damit den 5. Monat in Folge einen negativen Wert.

Die Schätzungen der Kerninflation sind nützlich, weil die am Konsumentenpreisindex (CPI) gemessene Teuerung kurzfristigen Schwankungen unterliegt.

Gemessen am Produzenten- und Importpreisindex betrug der Preisrückgang in der Schweiz im Mai 2012 innert Jahresfrist Minus 2,3%.


Schweiz: Kerninflation und der getrimmte Mittelwert, Graph: ACEMAXX ANALYTICS

PS: Der vorübergehende Anstieg der Teuerung im März 2011 ist im Wesentlichen auf einen Sondereffekt aufgrund eines höheren Erhebungsrhythmus der Preise für Bekleidung und Schuhe zurückzuführen.

Negative Realrenditen bedeuten keine Angst vor Haushaltsdefizit


Paul Krugman veranschaulicht in seinem Blog mit dem Hinweis auf die aktuellen Realrenditen der US-Staatsanleihen, dass die Investoren für jede Laufzeit unter 20 Jahren das US-Schatzamt bezahlen, ihnen das Geld abzunehmen.

Und der Preis für die Laufzeiten unter 10 Jahren ist besonders hoch.

Worum geht’s hier?

(1) Investoren sind über die Aussichten für die Realwirtschaft pessimistisch, was sie veranlasst, US-Staatspapiere als sicheren Hafen anzupeilen, auch bei sehr niedrigen Renditen.

(2) Es ist offensichtlich, dass die Investoren die US-Staatspapiere für sicher halten. Es gibt also keine Besorgnisse in Bezug auf die Höhe der Verschuldung der öffentlichen Hand und das Haushaltsdefizit.


Daily Treasury Real Yield Curve Rates, Graph: US Department of The Treasury

Montag, 23. Juli 2012

Die israelische Zentralbank behält Zinsen unverändert


Die Bank of Israel (BoI) hat heute den Benchmark-Zins bei 2,25% unverändert belassen.

Der Verbraucherpreis-Index (CPI) ist im Juni um 0,3% zurückgegangen. Die wichtigsten Faktoren, die dazu beigetragen haben, sind die Preisrückgänge in den Komponenten für Verkehr, Kommunikation und Energie, und der weniger als erwartete Anstieg der Komponenten im Wohnungswesen.

Die Inflation ist damit in diesem Monat annualisiert auf 1,0% zurückgefallen.

Die Entscheidung, die Zinsen auf 2,25% zu senken, steht im Einklang mit der Geldpolitik, die auf die Stabilisierung der Inflation innert Zielkorridor von 1-3% in den kommenden 12 Monaten ausgerichtet ist und dient der Förderung des Wachstums bei gleichzeitiger Wahrung der Finanzstabilität, erklärt die BoI.


Israel Staatsanleihen (10Jahre), Rendite, Graph: Bank of Israel

Was bedeutet „Fiscal Cliff“?


James Hamilton hebt in seinem Blog hervor, dass in Sachen Fiscal Cliff vorerst das Offensichtliche anerkannt werden soll: die USA sehen, was das fiskalpolitische Finanzvermögen betrifft, einem sehr schlimmen Problem gegenüber.

Eine aktuelle Analyse des CBO (Congressional Budget Office) zeigt die projizierten Staatsausgaben als Prozentsatz des BIP unter zwei Szenarien auf:

Das erweiterte Baseline-Szenario reflektiert die Annahme, dass das geltende Recht im Allgemeinen unverändert bleibt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Gesetzgeber Änderungen nach dem gegenwärtigen Recht, die bereits eingeplant sind, zulassen werden, was Verzicht auf routinemässige Anpassungen bedeutet, die in der Vergangenheit zum Anstieg der Defizite geführt haben.

Das erweiterte alternative Fiskal-Szenario beinhalte die Annahme, dass bestimmte Richtlinien, die seit einigen Jahren bestehen, fortgesetzt werden und einige Bestimmungen des Gesetzes, die möglicherweise für einen längeren Zeitraum schwierig zum Aufrechterhalten sind, modifiziert werden, sodass sie beibehalten werden, was einige Analysten als „gegenwärtige Richtlinien“ bezeichnen, im Gegensatz zum geltenden Recht.


US-Staatsschulden, Graph: CBO in: “The 2012 Long-Term Budget Outlook”

Microfoundations für Makroökonomie?


(Nur für Streber)

Im Kern von Microfoundations steht im Grunde genommen eine scharfe Kritik am keynesianischen Ansatz. Kritiker prangen an, dass einige der Annahmen des Keynes-Modells mit der Standard Mikroökonomie nicht im Einklang stehen.

„Microfoundations für Makroökonomie ist im Prinzip gut, nicht unverzichtbar, aber nützlich. Das Problem ist das, was für die Microfoundations gilt, im Universum der orthodoxen Makroökonomie einfach Mist ist“, schreibt Peter Dorman in seinem Blog.

Achten Sie darauf, dass ich das Wort „M“ benutzt habe, nicht „Sch“, betont Dorman und zählt drei vernichtende Fehler auf, was die Microfoundations betrifft, wobei „jeder davon ausreichend ist, ein breites Loch in einem vermeintlich nützlichen Modell zu blasen“:

(1) Nutzenfunktion (utility theory): Andrew Gelman nennt es “Alltagspsychologie”, was grosszüzig sein mag. Die Theorie ist voll von Anomalien (siehe „behavioral economics“) und am wichtigsten nimmt sie die Arbeit in Psychologie, Evolutionstheorie, Neuropsychologie und Organisationstheorie der letzten Jahrzehnte nicht wahr. Das sind alles Disziplinen, wo Menschenverhalten auf wissenschaftliche Weise studiert werden, erklärt Dorman.

(2) Annahmen über mono-equilibrium: Es gibt keine Interaktion-Effekte, um multiple Gleichgewichte in Microfoundations zu erzeugen, die die Makro-Theoretiker verwenden. Jedes Individium, jeds Unternehmen und jeds Produkt ist ein isolitiertes Atom, ununterbrochen durch den Raum schwimmend, bis es auf ein anderes stösst, legt Dorman dar. Das heisst, dass das Versagen, den interaktiven Charakter des wirtschaftlichen lebens zu erkennen, Ökonomen veranlasst, grundlegend falsche Fragen zu stellen: wie „was ist das Gleichgewicht?“ und „was ist das Optimum?“.

Klimawandel und gezinkte Würfel


Vor ein paar Wochen war der Nordosten im Griff einer schweren Hitzewelle. Inzwischen ist es jedoch recht kühl am Tag, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Loading the Climate Dice“) am Montag in NY Times.

Das Wetter ist so: es schwankt.

Und diese banale Feststellung ist wahrscheinlich, was uns der Klima-Katastrophe verdammt, und zwei auf zwei Arten, schildert Krugman. Auf der einen Seite ist die Variabilität der Temperaturen, was es einfach macht, die längerfristigen Aufwärtstrends zu übersehen, zu ignorieren und zu verschleiern. Auf der anderen Seite führt ein ziemlich bescheidener Anstieg der Durchschnittstemperaturen zu einer viel höheren Frequenz von Extremereignissen, wie die verheerende Dürre, die jetzt Amerikas Herzland fesselt, was grossen Schaden anrichtet.

Wie sollen wir mit dem Verhältnis zwischen dem Klimawandel und den täglichen Erfahrungen umgehen? Vor fast einem Vierteljahrhundert hat James Hansen, NASA-Wissenschaftler die Analogie mit einer gezinkten Würfel vorgebracht, beschreibt Krugman. Man stelle sich gemessen an historischen Standards die Wahrscheinlichkeit eines heissen, durchschnittlichen und kalten Sommers vor, wie eine Würfel mit jeweils zwei Gesichtern gemalt in rot, in weiss und in blau. Im frühen 21. Jahrhundert wäre es so, als ob die vier Gesichter der Würfel in rot, eins in weiss und eins in blau gemalt wären. Heisse Sommer kommen viel häufiger vor, aber es werden noch hin und wieder auch kalte Sommer geben.

Und es hat sich so erwiesen: Seit 2000 fanden 9 von 10 heissesten Sommer statt. Das ist aber nicht alles: wirklich extrem hohe Temperaturen sind inzwischen weit verbreitet. Man betrachte es als rollende zwei Sechsen, was öfters geschieht, wenn die Würfel gezinkt ist. Und die steigende Häufigkeit von Extermereignissen bedeutet, dass die Kosten des Klimawandels keine Jahrzehnte in der Zukunft fernliegende Aussicht. Im Gegenteil sind sie bereits hier, erklärt Krugman.

Samstag, 21. Juli 2012

Rückzahlung des Kapitals gilt als neue Rendite


In der Schweiz notieren die Renditen am Geldmarkt bereits seit einem Jahr negativ.

In den vergangenen zwei Wochen sind auch die Rendite der kurzfristigen Staatspapiere  in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Finnland und Österreich unter Null gerutscht.

Was auffällt, ist, dass unterdessen auch die sog. „semi-core“ Euro-Länder am Kapitalmarkt Mittel aufnehmen können, die günstiger kommen als die Inflationsrate. 

Die EZB hat vor zwei Wochen den Zinssatz für die Einlagefazilität auf Null gesenkt, was den Trend "Geld für Sicherheit" zu tauschen, verstärkt. Der Euro wird am Swap Markt (Basis Swaps) vermehrt für Carry Trade-Geschäfte als Funding Currency eingesetzt.


„Core“ und „Semi-Core“ im Euro-Raum konvergiert gegen Null Prozent, Graph: Laurence Mutkin, Morgan Stanley

Anton Heese nennt es „Steamroller Effect“ (Dampfwalzen-Effekt): während die Kurve flacher wird, werden die Spreads fester. Darüber hinaus nehmen Kreditrisiko-Prämien für höhere Qualität aufgrund der wachsenden Suche nach Rendite ab. Die Korrelation in Bezug auf die Credit Spreads zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit bleibt aber negativ.

Austerität im Teufelskreis


David Glasner (via Mark Thoma) befasst sich in seinem Blog mit der Lobhudelei, die Edmund Phelps in einem ermüdenden Artikel („Germany is right to ask for austerity“) in FT zu Gunsten von Austerität liefert.

Prof. Phelps sagt uns in der britischen Wirtschaftszeitung, dass die Ursache der Euro-Krise nicht Angela Merkels Beharren auf die Austeritätspolitik und Arbeitsmarktreformen ist, sondern das Versagen der Regierungen am Rande der Insolvenz, dem deutschen Vorbild nachzueifern.

Der an der Columbia University lehrende Wirtschaftsprofessor schreibt, dass Angela Merkel und Wolfgang Schäuble Recht hätten, die Banken Union (bank union) ohne Politische Union (political union) abzulehnen. „Ohne Zähne in solchen Vereinbarungen könnten die Staaten nun berauscht vom Wohlstand (privat und sozial) die Kredite und die Zuschüsse für die Finanzierung von weiteren Haushaltsdefiziten und weiteren Ansprüchen verwenden als den Weg für die haushaltspolitische Verantwortung zu glätten“.

Es ist durchaus möglich, sogar wahrscheinlich, dass Lohnsenkungen und Arbeitsmarkt-Liberalisierung für alle europäischen Länder von Vorteil wären. Aber das ist nicht das Problem, hebt Glasner hervor. Frankreich und Italien und andere EU-Länder können eigene Haushalts- und Arbeitsmarkt-Politik wählen. Diese Entscheidungen implizieren Kosten und Folgen. Höhere Steuern und unproduktive Staatsausgaben werden tendenziell Wachstumsrate drücken.