Freitag, 28. Februar 2020

Geldpolitik der EZB und Monopsony Power der Unternehmen


Die Antwort der Zentralbanken in den grössten Volkswirtschaften auf die widrigen Folgen der GFC (Global Financial Crisis) von 2008-2009 war eine unkonventionelle Geldpolitik. 

Es ist zwar damit gelungen, die allgemeine Finanzlage zu entspannen. Aber die aktuelle und erwartete Inflation blieben trotz jahrelanger aussergewöhnlicher geldpolitischer Unterstützung hartnäckig unter dem Ziel.

Zur Erinnerung: Die Preisstabilität bedeutet, dass die Zentralbanken weder Inflation noch Deflation zulassen dürfen.

Der gedämpfte Preisdruck hat vor diesem Hintergrund zu einer weit verbreiteten Skepsis gegenüber der Fähigkeit der Geldpolitik geführt, die Inflation auf das Ziel zu bringen.

Isabel Schnabel, Mitglied des Exekutivrats der EZB hat sich am Donnerstag im Rahmen eines Vortrags in London des Themas angenommen und argumentiert, dass die Art und die Eigenschaften der Schocks, die in den letzten Jahren den Euroraum betrafen, erfordern, dass die Zentralbanken mehr Geduld aufbringen müssen, um ihr Inflationsziel zu erreichen, insbesondere wenn sie sich der effektiven Untergrenze (effective lower bound) nähern. 

Das bedeute, dass der mittelfristige Horizont, über den die EZB die nachhaltige Ausrichtung der Inflation auf ihr Ziel verfolgt, erheblich länger geworden sei als in der Vergangenheit.


Die 10-jährigen Inflation-verlinkten Swap-Sätze im Euroraum, Graph: Isabel Schnabel, ECB, Febr 27 2020

Ein wesentlicher Teil des Rückgangs in langfristigen Inflationserwartungen ist auf die Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zurückzuführen (der gelbe Bereich)

Mittwoch, 26. Februar 2020

UST Bonds und Term Premium


Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit sank am Freitag auf ein Allzeit-Tief von 1,91%. Das geschah, bevor der Dow-Jones am Montag um mehr als 1‘000 Punkte nachgab. 

Panik oder nicht: Aber der Einsturz der Aktienkurse wird von den Händlern allgemein mit den durch das Coronavirus zu erwartenden Wachstumseinbussen begründet.

Mit 1,81% befand sich die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihe der Vereinigten Staaten am Dienstag auf einem neuem Rekordtief.

Eine Möglichkeit, diese Art von Kursbewegungen zu normieren, besteht darin, die Laufzeitprämie (term premium) zu beobachten, d.h. die zusätzliche Rendite, (über den realen Wachstums- und Inflationserwartungen) die die Anleger erhalten, wenn sie ein langfristiges Risiko eingehen.

Laut Morgan Stanley betrug die Laufzeitprämie (term premium) für die 10-jährigen UST-Bonds von 1960 bis 2009 durchschnittlich 1,6%, und wurde seither zusammengeschrumpft. Seit 2016 beträgt sie sogar negativ. Siehe die Abbildung.


10y UST Laufzeitprämie (term premium), Graph: Morgan Stanley, Febr 24, 2020

Samstag, 22. Februar 2020

Japan und die wiederholten Katastrophen der Fiscal Austerity


Die japanische Wirtschaft ist im IV. Q 2019 beträchtlich geschrumpft. Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) der weltweit dritt-grössten Volkswirtschaft ist auf das Jahr hochgerechnet um 6,3% gesunken. Das ist schrecklich, was zugleich den stärksten Rückgang seit fast sechs Jahren markiert.

Der Grund ist einfach auszumachen: Die fiskalische Austeritätspolitik (fiscal austerity), und zwar in Form von einer Steuererhöhung. Die Mehrwertsteuer wurde im Oktober von 8% auf 10% angehoben.

Die Sache ist, dass wir über das Ergebnis nicht überrascht sein dürfen. Denn es gab seit der GFC von 2008-2009 viele Experimente mit Fiscal Austerity: voreilige Steuererhöhungen und/oder obskure Ausgabensenkungen.

Alle waren kontraproduktiv. Die Behauptungen, dass die Reduzierung des Haushaltsdefizits zu einem Anstieg der privaten Investitionen führen würde, wurden nie durch die Evidenz gestützt.

Zur Erinnerung: Japan hatte 2014 die Mehrwertsteuer auf 8% erhöht und damit eine technische Rezession ausgelöst. Die positive Dynamik von Abenomics war damit vereitelt. 

Die japanische Wirtschaft ertrinkt heute quasi in Ersparnissen. Was dem Binnenmarkt fehlt, ist der private Verbrauch.


Netto-Zinsausgaben des japanischen Staates als Prozentsatz der Wirtschaftsleistung (BIP), Graph: Mike Bird, WSJ, Febr 17, 2020 

Sonntag, 16. Februar 2020

Euro als Finanzierungswährung und Reverse Yankee Bonds


Die Kreditaufnahme in Europa ist so günstig, dass US-amerikanische Unternehmen zum ersten Mal seit Jahren oder sogar überhaupt versuchen, dort Anleihen zu verkaufen.

Wenn ein Unternehmen, das keine auf EUR lautenden Anleihen im Umlauf hat, diesen Markt erschliesst, sinken die Risikoprämien für seine US-Anleihen.

Jeder Dollar an Emissionen, der in einer anderen Währung landet, trägt offensichtlich dazu bei, das Angebot in US-Unternehmensanleihen zu reduzieren.

Zum Hintergrund: Die EZB kauft im Rahmen ihrer QE-Politik Unternehmensanleihen auf, um die europäische Wirtschaft anzukurbeln. Der Kauf-Betrag beläuft sich in den vergangenen vier Wochen auf 1 Mrd. EUR, wie Bloomberg berichtet. So fühlen sich US-Unternehmen von Europas Tiefst-Renditen angezogen.

Das Ankaufsprogramm für Unternehmensanleihen der EZB hat tatsächlich dazu beigetragen, dass die Durchschnittsrendite für auf EUR lautenden Unternehmensanleihen mit IG-Rating (laut dem Bloomberg Barclays Index am Mittwoch) auf rund 0,36% gesunken ist. 


Immer mehr US-Unternehmen geben auf EUR lautende Anleihen („reverse yankees“) aus, Graph: Bloomberg, Febr 14, 2020

Freitag, 14. Februar 2020

Griechenlands Staatsanleihen, Verschuldung und MMT


Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen Griechenlands ist am Mittwoch erstmals unter die Marke von 1% gefallen. 

Das markiert eine sensationelle Wende. Vor weniger als einem Jahrzehnt waren die Renditen aufgrund von Befürchtungen, dass das Land aus der Eurozone ausbrechen könnte, durch die Decke geschossen.

Nun notieren sie weniger als 1 Prozent, obwohl gesagt werden muss, dass Griechenland sich durchwurschtelt wie die gesamte Eurozone.

Zur Erinnerung: Die Verschuldung des Staates im Verhältnis zum BIP (debt-to-GDP ratio) beläuft sich derzeit auf 185 Prozent.

Die hohe Nachfrage nach griechischen Staatspapieren hat aber trotz des gegenwärtigen „junk credit“ Ratings mehrere Gründe: 

(1) Der allgemeine „Anlagenotstand“: Das heisst, dass es seit langer Zeit an Anleihen mangelt, die eine positive Rendite abwerfen. 

(2) Die Erwartung, dass die EZB die Zinsen über einen längeren Zeitraum hinweg unter null hält. 

(3) Ein Grossteil des Geldes, das Athen schuldet, lautet auf langfristige zinsgünstige Kredite der Gläubiger aus der Rettungsaktion (bail-out). 


Die Rendite der griechischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist zum ersten Mal unter 1% gefallen, Graph: Bloomberg, Febr 12, 2020

Mittwoch, 12. Februar 2020

Wechselkurse und Anleihemärkte: Wo ist der sichere Hafen?


Der US-Dollar ist z.Z. der ultimative sichere Hafen, schreibt Mike Mackenzie in seiner Kolumne bei FT und präsentiert die folgende Abbildung.

Wir sehen, dass sogar der Yen und der Schweizer Franken, die (in Krisenzeiten) weltweit als sichere Anlage gelten, gegenüber dem Greenback, der Reservewährung im Jahresvergleich hinterherhinken.

Auch John Authers schlägt in seiner Kolumne bei Bloomberg in die gleiche Kerbe: 

Wenn Sie einen sicheren Hafen suchen, um sich vor den möglichen negativen Auswirkungen des Coronavirus auf die Finanzmärkte zu schützen, sind Sie mit dem Euro sicherlich nicht gut bedient, mit dem US-Dollar aber wahrscheinlich besser aufgehoben.

Wie die zweite Abbildung zeigt, scheint die amerikanische Währung in der Tat am wenigsten von den gegenwärtigen Schwierigkeiten tangiert zu werden. 

Allem Anschein nach wird der USD tatsächlich als den offensichtlich sicheren Hafen wahrgenommen.


US-Dollars absolute Herrschaft seit Jahresbeginn unter G10 Ländern, Graph: Mike Mackenzie, FT, Febr 11, 2020 

Sonntag, 9. Februar 2020

Der Staat ist nicht knapp bei der Kasse


In Deutschland war die reale Produktion im Produzierenden Gewerbe im Dezember 2019 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) 3,5% niedriger als im Vormonat.

Gegenüber Dezember 2018 ergab sich sogar ein Rückgang der Produktion real um 6,8%

Deutschland steht erneut vor einer möglichen Rezession, nachdem die Industrieproduktion seit der GFC (Global Financial Crisis) am stärksten gesunken ist, berichtet Bloomberg am Sonntag. 

Bemerkenswert ist, dass der deutsche Unternehmenssektor in den letzten Jahren zum Netto-Sparer geworden ist. Der Grund ist der geringe Lohnanstieg. Halten sich private Haushalte mit Ausgaben zurück, weil die Löhne nicht steigen, kürzen Unternehmen die Investitionen, weil sie sonst Absatzeinbussen gegenüberstehen.

Wenn wir heute beobachten, dass die Arbeitslosigkeit in einigen Mitgliedstaaten im Euroraum immer noch hoch ist, wird es schwer, die nächste Rezession zu vermeiden.

Aus diesem Grund müssen wir uns überlegen, wie wir die Beschäftigung fördern und die Ressourcen, die ja derzeit offensichtlich im Leerlauf liegen, sinnvoll nutzen können.


Deutschlands Industrieproduktion sank im Dezember auf Jahresbasis real um 6,8 Prozent, Graph: Bloomberg, Febr 09, 2020

Samstag, 8. Februar 2020

Capitalism, Alone


Buchbesprechung:

Branko Milanovic: Capitalism, Alone. The Future of the System That Rules the World, Harvard University Press, Sept 2019.

Der Kapitalismus ist derzeit weltweit das einzige sozio-ökonomische System. Und es gibt zwei verschiedene Arten von Kapitalismus: 

den liberal-meritokratischen Kapitalismus, der sich in den letzten zweihundert Jahren im Westen zunehmend entwickelt hat, und den staatlich geführten politischen oder autoritären Kapitalismus, den China beispielhaft darstellt, der aber auch in anderen Teilen Asiens existiert (Singapur, Vietnam, Birma) und in Teilen Europas und Afrikas (Russland und die Kaukasusländer, Zentralasien, Äthiopien, Algerien, Ruanda).

Branko Milanovic beschreibt in seinem neuen, tiefgreifenden Buch die beiden Arten des Kapitalismus, die miteinander zu konkurrieren scheinen, ausgesprochen ausführlich.

Er erklärt mit Nachdruck, dass er sich eher auf ihre inhärenten Merkmale als auf vorübergehende Anomalien konzentriert.

Der Unterschied zwischen systemischen und zufälligen Eigenschaften ist laut Milanovic entscheidend, wenn wir die langfristige Entwicklung des liberalen meritokratischen und politischen Kapitalismus untersuchen wollen, nicht nur vorübergehende Schwankungen. 

Donnerstag, 6. Februar 2020

Zombie-Ideen in Deutschland

Eine Zombie-Idee ist ein Glaube oder eine Lehre, die wiederholt als falsch erwiesen wurde, sich jedoch weigert, zu sterben. 

Stattdessen tummelt sie weiter und frisst das Gehirn der Menschen, wie Paul Krugman in seiner Kolumne bei NYTimes unterhaltsam darlegt.

Der ultimative Zombie in der amerikanischen Politik ist die Behauptung, dass sich Steuersenkungen amortisieren; eine Behauptung, die sich in den letzten 40 Jahren immer wieder als falsch erwiesen hat.

Es gibt aber auch andere Zombies, wie z.B. die Verleugnung des Klimawandels, die gegenwärtig im politischen Diskurs eine fast ebenso grosse Rolle spielt.

Die „Voodoo Ökonomie“ ist laut Krugman innerhalb der Republikanischen Partei unterdessen zu einer unbestreitbaren Doktrin geworden. Die Steuersenkungen von Trump 2017 wurden mit der Behauptung gefördert, dass das Haushaltsdefizit damit verringert würde. Ganz im Gegenteil: Das Defizit ist vorhersehbar tatsächlich explodiert und übersteigt jetzt 1‘000 Mrd. pro Jahr.

Zombie-Ideen gibt es aber auch auf dieser Seite des Atlantiks. Zum Beispiel in Deutschland. Die Konzepte von „Schuldenbremse“ und „Schwarze Null“ zählen dazu. Die öfters vorgetragenen Zombie-Ideen sind in zwei Sätzen kurz zusammengefasst: „Wir müssen einen ausgeglichenen Haushalt haben“. Die „Arbeitslosigkeit ist strukturell“.


Deutschlands Ersparnisse: In Deutschland werden nach Angaben von HSBC rund 40% des Vermögens der privaten Haushalte unter einer Matratze, in Geldbörsen oder bei der Bank gehalten, Graph: FT, Febr 05, 2020, FTAlphaville.

Samstag, 1. Februar 2020

Mindestlohn, Produktivitätswachstum und Inflation


Jedes Mal, wenn neue offizielle Daten über Beschäftigung und Löhne vorgelegt werden, suchen Ökonomen nach Anzeichen dafür, ob die Wirtschaft Vollbeschäftigung erreicht hat.

Das ist der Punkt, wo die Arbeitslosigkeit so niedrig ist, dass Inflation ausgelöst werden kann.

Die Arbeitslosigkeit ist jedoch bei der jüngsten Erholung der amerikanischen Wirtschaft weiter und schneller gesunken, als von vielen Prognostikern erwartet wurde, ohne dass Anzeichen von Preisdruck zu spüren wären, wie Matthew Boesler in einem Beitrag bei Bloomberg beschreibt. 

Die Erwartung ist, dass niedrige Arbeitslosigkeit zu einem Wettbewerb der Arbeitgeber um Arbeitnehmer führt, die die Löhne anheben. Und die Unternehmen erhöhen dann die Preise, um die gestiegenen Kosten auszugleichen. Dadurch steigt das Risiko einer sog. Lohnpreisspirale.

Doch die Inflation ist nicht gestiegen, obwohl die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren unter das Niveau gefallen ist, das die Mehrzahl der geldpolitischen Entscheidungsträger, einschliesslich derjenigen der US-Notenbank für Vollbeschäftigung halten.


Die Trends im Mindestlohn in den USA: Die Abbildung zeigt, dass der Mindestlohn heute 24 USD betragen würde, wenn er (wie bis 1968) im Einklang mit der Produktivität ansteigen würde, Graph: Dean Baker, Jan 21, 2020