Mittwoch, 30. November 2016

Prozyklische Revision fiskalpolitischer Multiplikatoren


Die OECD hat am Montag ihren Wirtschaftsausblick November 2016 (Global Economic Outlook) veröffentlicht. 

Was sofort ins Auge sticht, ist die Prognose, dass die amerikanische Wirtschaftsleistung (BIP) im Jahr 2018 um 3% zulegen werde.  Die Begründung: Die Impulse durch Donald Trumps Wirtschaftsprogramm, welches ja nicht unumstritten ist. Der designierte US-Präsident hatte im Wahlkampf Investitionen in die Infrastruktur und Steuersenkungen für die Unternehmen und die Reichen versprochen.

Das ist verwirrend, da die OECD ihre Schätzungen in Sachen fiskalpolitische Multiplikatoren (insbesondere, was die Steuersenkungen betrifft) zur falschen Zeit im Konjunkturzyklus höherstuft, während die US-Wirtschaft sich in Richtung Vollbeschäftigung bewegt.

Antonio Fatas nennt es in seinem Blog eine "prozyklische Revision fiskalpolitischer Multiplikatoren": In der Mitte einer Krise Haushaltskonsolidierung fördern und in guten Zeiten eine expansive Fiskalpolitik fordern. Das ist sicherlich nicht, wie eine optimale Fiskalpolitik aussieht.

Im 2011, als die meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften eine kontraktive Fiskalpolitik betrieben, während die Wirtschaftswachstumsrate niedriger lag und die Arbeitslosigkeit höher verlief, schien die OECD eine Haushaltskonsolidierung notwendig zu finden.


Das reale Wirtschaftswachstum weltweit, Graph: OECD

Dienstag, 29. November 2016

Europas deflationäre Stagnation


Das ist eine Abbildung, die einen irgendwie traurig stimmt. Der schmerzhafte Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im Banken-System hält noch an, fast acht Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise (GFC).

Wenn man dazu die von den EU-Behörden vertriebene Defizit-Hysterie, die von Mainstream-Medien zum Teil mitgetragen wird, mit berücksichtigt, kann man sich besser vorstellen, warum die Erholung der europäischen Wirtschaft nicht vom Fleck kommt.

Der Privatsektor spart. Das öffentliche Defizit ist entstanden, weil fehlgeleitete Finanzinstitute im Privatsektor gerettet wurden (bail-out): Die privaten Schulden wurden auf die Bücher des öffentlichen Sektors übertragen.

Ein öffentliches Defizit ist aber im Allgemeinen das Spiegelbild der Ersparnisse des Privatsektors. Wenn der private Sektor sich zurückzieht, um seine Bilanz zu bereinigen, bewegt sich die Bilanz des öffentlichen Sektors in Richtung Defizit. 

Das ist keine Lehre aus der Makroökonomie, sondern eine buchhalterische Identität. Denn das Defizit des einen Sektors entspricht dem Überschuss des anderen Sektors. Wenn wir Sektoren mit Defizit mit Sektoren mit Überschuss zusammenlegen, dann ergibt sich ein Null

Das heisst, dass die Finanzierungssalden [die Bilanz des privaten Sektors (Inland) + die Bilanz des öffentlichen Sektors (Inland) + Ausland] gleich Null ergeben müssen.



Der anhaltende Schuldenabbau-Prozess im europäischen Privatsektor (Banken), Graph: Morgan Stanley

Samstag, 26. November 2016

EZB und Fiscal QE


Heute können wir, ohne um den heissen Brei herumzureden, festhalten, dass QE (quantitative easing) im Grunde genommen Geldschöpfung ist. Und es ist bemerkenswert, dass sie die Märkte nicht zu beunruhigen scheint. Das ist sicherlich zum Teil darauf zurückzuführen, dass die nominalen Zinsen nahe Null (zero lower bound) liegen und gesamtwirtschaftlich die Nachfrageschwäche anhält. 

Es ist daher schwer, zu sagen, wann die Märkte angesichts der Möglichkeit, dass eine Monetarisierung in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, in Panik geraten würden. Aber die Märkte sind zumindest gegenwärtig, was die Gefahr von Monetarisierung von heute betrifft, ziemlich unbekümmert. (*)

Wenn die EZB im Rahmen ihrer QE-Politik langlaufende Staatsanleihen am offenen Markt kauft, verkürzt sie damit die Laufzeit der ausstehenden Staatsanleihen. Im Gegenzug schreibt sie den Geschäftsbanken den entsprechenden Betrag auf deren Konten bei der EZB gut, und zwar elektronisch.

Durch die Verringerung des Angebots an langlaufenden Staatsanleihen versucht die EZB, die Zinsen am langen Ende zu senken, weil z.B. die Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften um das verringerte Angebot an langlaufenden Anleihen wetteifern würden.

Im Gegenzug würde das ausstehende Angebot an kurzlaufenden Staatspapieren steigen und damit den Privatsektor anregen, um sich an das höhere Angebot zu wenden, sodass am Schluss die kurzfristigen Zinsen steigen. Im Endeffekt soll also die gesamtwirtschaftliche Nachfrage animiert werden.


Kenneth Rogoff: The Curse of Cash, Graph: Princeton University Press, 2016

Freitag, 25. November 2016

Warum die SNB am Negativzins weiterhin festhält

Das operative Konzept der Geldpolitik der SNB beinhaltet seit geraumer Zeit zwei Instrumente, die auch eingesetzt werden: (1) Negativzinsen und (2) Interventionen am Devisenmarkt.

Die unkonventionellen Massnahmen dienen dazu, für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, wie die SNB bei jeder Gelegenheit betont.

Die SNB verfolgt mit dem Negativzins in erster Linie den Zweck, die traditionelle Zinsdifferenz zum Ausland zu erhalten, um Anlagen in CHF weniger attraktiv zu machen, wie Andréa Maechler, Mitglied des SNB-Direktoriums in einem Referat vergangene Woche in Zürich unterstrichen hat.

Dass die „klassische Zinsdifferenz“ aus Sicht der Schweizer Geldmarktes im Fokus der SNB liegt, wurde von Fritz Zurbrügg, dem SNB-Vizepräsident in einem Referat am Donnerstag in Bern erneut hervorgehoben.

Die SNB bemüht sich m.a.W. darum, die „traditionelle“ Zinsdifferenz zum Ausland nicht kleiner werden zu lassen, da sonst die Gefahr wächst, dass CHF-Anlagen relativ attraktiv werden. 


Die Zinsdifferenz zwischen dem CHF und dem EUR, Graph: Fritz Zurbrügg SNB, in: „Negativzins: Geldpolitisch notwendig“, Nov 24, 2016

Dienstag, 22. November 2016

Hysterese, Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit


Es gibt heute empirisch gesehen keinen Zweifel daran, dass die Austerität das Wirtschaftswachstum im Euroraum zum Erliegen gebracht hat.

Worauf es in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft ankommt, ist, die Gefahr einer Abwärtsspirale zu verhindern. Deswegen ist das Haushaltsdefizit nicht entscheidend, zumal die Ersparnisse des privaten Sektors heute das öffentliche Defizit in Europa überwiegen. Das heisst, dass Spielraum vorhanden ist und wenn die öffentliche Hand die Ersparnisse nicht aufnimmt, um zu investieren, die Wirtschaft zusammenbrechen kann.

Fakt ist, dass die europäische Wirtschaft immer noch das Vorkrisenniveau anpeilt, obwohl seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise fast acht Jahre vergangen sind. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Euroraum einem Hysterese-Effekt gegenübersteht. Gemeint ist damit eine Situation, die nach einer langen Zeit des niedrigen Wachstums und der hohen Arbeitslosigkeit zu einem dauerhaften Schaden für die gesamte Wirtschaft führen kann. 

Ein augenfälliges Anzeichen ist die fallende Erwerbsbeteiligung und die Unterbeschäftigung. In der Schweiz beispielsweise verlieren jeden Monat rund 3'500 Personen ihr Recht auf die Arbeitslosenentschädigung. Das heisst, dass sie „ausgesteuert“ werden. Und die Anzahl von Personen, die von Kurzarbeit betroffen werden, nimmt gleichzeitig zu.

In diesem Zusammenhang schreibt Roger E.A. Farmer in einem lesenswerten Eintrag im Blog NIESR, dass die britische Staatsverschuldung zwar 1'700 Mrd. GBP (britisches Pfund) beträgt und mit einer Rate von 5'170 GBP pro Sekunde wächst, aber keine Bedrohung für die Solvenz des britischen Schatzamtes darstellt.

Die Staatsverschuldung sollte nicht in Pfund gemessen werden, sondern in BIP, erklärt Farmer. Wenn das BIP hoch ist, so sind die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand. Und damit steigt auch die Zahlungsfähigkeit des Staates, Rechnungen zu begleichen und Staatsanleihen zu bedienen.

Die britische Regierung will zwar den Staatshaushalt bis zum Jahr 2020 ins Plus bringen. Ein Überschuss im öffentlichen Budget ist aber weder notwendig noch ausreichend, um die Staatsschulden zu senken, wenn die Verschuldung als Bruchteil der Rückzahlungsfähigkeit des Staates gemessen wird, erklärt der an der UCLA lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.


Staatsschulden, Haushaltsdefizit und Zinsen im Verhältnis zum BIP, Graph: Prof. Roger E.A. Farmer

Montag, 21. November 2016

Wann ist im Euroraum ein Haushaltsdefizit zu hoch?


Jens Weidmann hat am Freitag beim Bankenkongress in Frankfurt davor gewarnt, dass Brüssel darauf verzichte, die Wirtschaftsregeln der Eurozone anzuwenden, wie FT berichtet.

Nötig seien Strukturreformen, die der EZB-Rat auch unablässig angemahnt habe. 

Der Präsident der deutschen Bundesbank hat damit die Europäische Kommission direkt angegriffen:

„Unglücklicherweise sind die Marktkräfte die einzigen Anreize für solide Staatsfinanzen, da die EU-Kommission praktisch aufgegeben hat, die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts durchzusetzen“, so Weidmann weiter. 

Am Mittwoch hat die EU-Kommission einzelne EUR-Staaten vor einer zu sorglosen Fiskalpolitik gewarnt, aber davon abgesehen, das EU-Defizitverfahren gegen Spanien und Portugal einzuleiten. Noch im Sommer hatte Brüssel empfohlen, die „wegen mangelhafter Haushaltsdisziplin“ drohende Geldbusse gegen beide Länder zu erlassen.



Der private Sektor und die Unternehmen im Euroraum sind Netto-Sparer, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 20. November 2016

Wer wird mit Infrastrukturinvestitionen verschaukelt?

Donald Trump, der designierte US-Präsident will die Steuern für die Superreichen senken, die Ausgaben für das Militär erhöhen und eine Billion USD in die Infrastruktur stecken.

Paul Krugman befasst sich in seinem Blog in NYTimes mit der Frage, was von den geplanten Infrastrukturausgaben zu halten ist.

Vorerst kommt eine Warnung: Wenn Sie etwas mit diesem Kerl investieren wollen, sei es Geld oder Ruf, dann sind Sie einer grossen Betrugsgefahr ausgesetzt, so der am Graduierten Zentrum der City University von New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor.

Entscheidend ist, festzuhalten, dass es sich dabei nicht um einen Plan für die Aufnahme von 1'000 Mrd. USD ($1 Trillion) handelt, die für die dringend benötigten Projekte ausgegeben würden, was im Grunde genommen die direkte, offensichtliche Sache wäre, zu tun.

Nein. Das Vorhaben beinhaltet stattdessen private Investoren, die das Heft in die Hand nehmen und die Projekte in die Tat setzen sollen, und zwar mit Hilfe einer riesigen Steuergutschrift, die ihnen 82% des Eigenkapitals, das sie in die Projekte stecken, zurückgibt.

Vor diesem Hintergrund stellen sich einige Fragen. Erstens: Warum werden private Investoren überhaupt involviert? 


Die Direkt-Investitionen der US-Unternehmen im Ausland, Graph: Morgan Stanley

Der akkumulierte Gewinn der US-Unternehmen im Ausland beläuft sich schätzungsweise auf 2'500 Mrd. USD. Davon werden wiederum rund 1 Mrd. USD in bar und anderen Finanzanlagen gehalten. Der Rest ist in Betrieben investiert und werden daher wahrscheinlich nicht repatriiert werden. 

Freitag, 18. November 2016

Lohnwachstum, Beschäftigung und Preisstabilität im Euroraum


Die EZB hat gestern die Zusammenfassung der geldpolitischen Sitzung („accounts“) des Rates der EZB veröffentlicht. 

In einem kurzen Abschnitt ist zu lesen, dass die EZB auch über die Entwicklung der Löhne im Euroraum diskutiert hat. Mehrere Teilnehmer hätten auf die relativ gedämpfte Lohndynamik hingewiesen.

Das historisch niedrige Lohnwachstum sei im zweiten Quartal 2016 auf 1,1% gesunken (*). 

Die Schattenseite der „schwachen Lohndynamik“ ist m.a.W. nicht zu übersehen. Das niedrige Lohnwachstum führen die Teilnehmer der EZB-Sitzung allerdings auf einige länderspezifischen Faktoren, wie die schwache Wettbewerbsfähigkeit und das geringe Produktivitätswachstum.

Der Erklärungsversuch ist aber bei allem Respekt ziemlich pathetisch. Denn das gedrückte Lohnwachstum ist eine unmittelbare Folge der Wirtschaftspolitik, die die EU-Behörden vorantreiben: „internal devaluation“.

Fallen die Löhne, steigt die Arbeitslosigkeit. Wenn sich die Einkommensaussichten verschlechtern, halten sich private Haushalte mit dem Konsum zurück.

Genau wie Mark Thoma in einem lesenswerten Artikel in CBS money watch unterstreicht: wenn die Verbraucher über ihre Arbeitsplätze besorgt sind, und viele Menschen arbeitslos sind, wie können wir erwarten, dass sie dazu übergehen, auf Kredit dauerhafte Güter zu kaufen?


Rückgang des Lohnwachstums im Euroraum, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 17. November 2016

Der fiskalische Kurs des Euroraums ins leere Nichts

Die Europäische Kommission hat am Mittwoch mit einem Bericht an den Europäische Parlament mitgeteilt, dass „gerade jetzt sowohl die Notwendigkeit besteht als auch die Gelegenheit, an der Fiskalfront aktiv zu werden und den Policy-Mix des Euroraums insgesamt neu auszutarieren“.

Die Verfasser des Berichts unterstreichen, dass die makroökonomische Wirkung der Fiskalpolitik angesichts der besonderen Umstände („zero lower bound“ = Nullzinsgrenze) stärker sein dürfte als in normalen Zeiten.

Es ist eine Überraschung zu beobachten, wie die Europäische Kommission den Multiplikatoreffekt (die Wirkung fiskalpolitischer Massnahmen auf die Realwirtschaft und auch auf die Volkswirtschaften anderer Länder, „spillover-effect“) hervorhebt.

Und es ist auch richtig, wie die Europäische Kommission einsieht, dass private Investitionen im Niedrigzinsumfeld nicht verdrängt würden (keincrowding-out“), weil, wie in diesem Blog vielfach betont, die Produktionslücke (output gap) geöffnet bleibt, die Inflation keine Gefahr darstellt, und die hohe Arbeitslosigkeit anhält.


Fiskalischer Kurs des Euroraums, Graph: European Commission in: 2017 Communication on Fiscal Stance

Mittwoch, 16. November 2016

Infrastrukturinvestitionen dort - Hysterese Effekt hier

Das Blatt hat sich an den Finanzmärkten schnell gewendet. Die sich anfänglich abzeichnende Aufregung wegen der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA hat sich kurzerhand gelegt. Der Auslöser war sicherlich der vom designierten US-Präsidenten mit Nachdruck hervorgehoben Fiscal Stimulus in Form von Infrastrukturinvestitionen in Höhe von rund 1’000 Mrd. USD.

Allein das Versprechen, die Staatsausgaben zu erhöhen, um in den Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur zu investieren, hat Inflationserwartungen steigen lassen. Die Renditen sind v.a. am langen Ende der Ertragskurve stark angestiegen.

Auch die Laufzeitprämien (term-premium), die in den vergangenen Jahren auffallend negativ waren, wieder in den positiven Bereich zurückgekehrt.

In der Eurozone hingegen halten die politischen Entscheidungsträger immer noch am Einsatz der Geldpolitik fest und machen keine Anstalten, Fiskalpolitik zu Hilfe zu holen. 

Inzwischen werden aber immer mehr Stimmen aus der EZB laut, die fordern, dass auch die Fiskalpolitik sich daran beteiligen soll, die Wirtschaft anzukurbeln wie z.B. Vítor Constâncio. Der EZB Vize-Präsident hat am Dienstag die Notwendigkeit unterstrichen, mit dem Einsatz der Fiskalpolitik der „niedrigen Wachstumsfalle“ entgegenzuwirken.



Wachstumserwartungen im Euro-Raum, Graph: Peter Praet, ECB in: „Long-run saving and monetary policy“, Nov 14, 2016

Dienstag, 15. November 2016

Steigende Refinanzierungskosten, Strafzölle und geopolitische Folgen

Eine aktuelle Frage, die in diesen Tagen in der amerikanischen Blogosphäre unter Ökonomen heiss diskutiert wird, ist, ob Trumps Wirtschaftsprogramm eine Expansion oder eine Rezession in den USA auslösen wird? 

Es ist schwer, jetzt schon zu sagen, was geschieht, v.a. bevor die Parameter genau bekannt sind. Es kommt ausserdem auf das Gleichgewicht zwischen den makroökonomischen und handelspolitischen Massnahmen an.

Olivier Blanchard bemerkt vor diesem Hintergrund in einem Eintrag im PIIE-Blog, dass der USD aufwerten würde, in dem Ausmass, wie die Wirtschaft wächst und die Zinsen steigen. Dies würde allerdings ironischerweise zu einem Anstieg des US-Handelsdefizits führen, was ja Trump unterbinden will, wie der designierte US-Präsident im Vorfeld der Wahl mehrmals zum Ausdruck gebracht hat.

Eine Erhöhung der Zölle in einem grösseren Massstab würde das Wachstum beinträchtigen und eine Rezession ermöglichen, sagt Blanchard. 

Handelsbeschränkungen selbst können zwar die Einfuhren reduzieren, die Nachfrage nach inländischen Waren erhöhen und die Produktion steigern, aber die „selbst“ Annahme ist einfach nicht richtig, beschreibt der ehemalige (2008-2015) Chefökonom des IWF.

Straffzölle würde wahrscheinlich einen „Zollkrieg“ (Protektionismus) auslösen und dadurch die Ausfuhren verringern. Und der Rückgang der Einfuhren und Ausfuhren wäre kein Schlag ins Wasser.


Anstieg der Rendite der US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg

Montag, 14. November 2016

Wachstum und populistische Wirtschaftspolitik


Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit ist zum ersten Mal seit Januar wieder auf 3% geklettert. Noch im Juli belief sich die Rendite der 30-jährigen US-Treasury Bonds auf 2,0882%.

Seit der Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten ist an den globalen Märkten ein Anstieg der Renditen für Staatspapiere in den grössten Volkswirtschaften zu beobachten. 

Die bisher öffentlich bekannten wirtschaftspolitischen Vorhaben des republikanischen Politikers werden in den Märkten allem Anschein nach als „potentiell inflationär“ betrachtet, was die Fed veranlassen dürfte, die Zinsen früher und schneller zu erhöhen als geplant.

Der designierte US-Präsident hat am Wochenende sein Engagement für Infrastrukturen wiederholt unterstrichen. Investoren gelangen damit zum Schluss, dass die Kombination einer Umstellung auf eine sehr expansive Fiskalpolitik und ein deutlicher Abbau der Regulierung in den Sektoren von Energie über Finanzen bis hin zu Medikamentenpreisen die Nachfrage animieren und die US-Wirtschaft fördern (reflation) würde.

Im Ergebnis steigen nun die Real-Zinsen und Inflationserwartungen im Markt. Und der US-Dollar neigt zur Stärke.

Der von Peter Navarro und Wilbur Ross, Trumps Beratern präsentierte Plan beinhaltet einen Ansatz, der auf Steuergutschriften für Eigenkapital-Investitionen setzt und auf die Beteiligung des privaten Sektors basiert, die aber nicht die bedeutendsten Projekte abdeckt, legt Larry Summers in seiner lesenswerten Kolumne in FT dar.


Donald Trump’s Steuersenkungspläne und Auswirkungen, Graph: Morgan Stanley
Die Staatseinnahmen würden demnach in den nächsten 10 Jahren um rund 10'000 Mrd. USD abnehmen.

Sonntag, 13. November 2016

Prosperity for All

Buchbesprechung:

Roger E. A. Farmer: Prosperity for All. How to Prevent Financial Crisis, Oxford University Press, New York, London, 2017.


Wie die Great Depression (1930) ist auch die Great Recession (2008) ein transformatives Ereignis, das sowohl zu einem Paradigmenwechsel als auch zu einer grundlegenden Änderung der Wirtschaftspolitik führen wird, schreibt Roger Farmer in seinem neuen Buch.

Der an der UCLA lehrende Wirtschaftsprofessor bietet dazu eine neue Theorie, die seinen Ausführungen nach nicht nur die Depression, sondern auch die Stagflation mit berücksichtigt.

Im Gegensatz zu Keynes glaubt Farmer aber nicht, dass die Fiskalpolitik (mehr Staatsausgaben) die richtige Antwort darauf wäre. Sein Stichwort lautet Finanzpolitik („a new financial policy of asset market control“). Das heisst, dass die Zentralbank und das Finanzministerium gemeinsam in die Finanzmärkte systematisch eingreifen sollen, um die „Schwankungen der Preise von Vermögenswerten, die unser Leben entkräften“, zu verhindern.

Depressionen sind laut Farmer sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Vor allem betont er, dass es so etwas wie den freien Markt nicht gibt. Die Pareto-Optimalität ist ein schwaches Konzept. Und der freie Handel führt im Allgemeinen nicht zu einem Pareto optimalen Ergebnis. Es gibt zwei Gründe, weshalb die Märkte fehlschlagen: (1) ein systemisches Versagen des Finanzmarktes und (2) ein systemisches Versagen des Arbeitsmarktes. 

Das ist der Ausgangspunkt, weshalb Farmer gestützt auf seine Erkenntnisse den „Lebensstandard aller Menschen verbessern“ will. Und er verfolgt dabei zwei Zielsetzungen: Erstens, makroökonomische Theorie zu reparieren und zweitens, das Finanzsystem in Ordnung zu bringen.

Das Problem mit dem Arbeitsmarkt hat mit nach unten starren Löhnen („sticky“) und Preisen nichts zu tun, es ist viel wesentlicher: Arbeitslosigkeit geschieht nicht, weil die Löhne und Preise sich nicht anpassen können, sondern, weil es keinen Preis für die Job-Suche gibt, argumentiert Farmer. 

Freitag, 11. November 2016

Erdrutsch-Wahl und neue Wirtschaftspolitik in den USA

Nach der Wahl von Donald Trump, dem republikanischen Kandidaten zum 45. Präsidenten der USA werden die Karten an den Märkten neu gemischt. Die Positionierung und die Unsicherheit hinterlassen bereits deutliche Spuren am Markt für Anleihen. 

Da die Risikoprämien für Inflation und die Laufzeitprämie (term premium) steigen, neigt sich die US-Treasury Kurve steiler.

Die hohe Erwartung von fiskalpolitischer Stimulanz (in Form von erhöhten Ausgaben für die Infrastruktur und Steuersenkungen) lässt sich unmittelbar am Anstieg der Breakeven-Sätze und der Real-Renditen ablesen. 

Eine aktuelle technische Analyse von Morgan Stanley zeigt, dass die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, wenn die Unsicherheit anhält und die Volatilität zunimmt, bis auf 2,15-2,30% hoch klettern kann. Dieselbe Analyse prognostiziert einen Wert von 2,90-3,15% für die 30-jährigen US-Treasury Bonds auf die kurze und mittlere Sicht.

Eine besondere Eigenschaft des amerikanischen Anleihemarktes in den vergangenen Jahren war die relativ geringe Höhe der Laufzeitprämien. 

Das aktuelles Zinsstruktur-Modell der Analysten hat bislang auf eine Laufzeitprämie von minus 20 Basispunkte (d.h. 0,25%) hingedeutet. Mit dem Anstieg der Renditen nach den US-Wahlen scheint sich das Blatt jetzt zu wenden. Das Modell von Morgan Stanley legt heute einen Übergang der Laufzeitprämie in den positiven Bereich nahe.


Die Laufzeitprämien für US-Staatsanleihen mit 10 und 30 Jahren Laufzeit, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 10. November 2016

US-Wirtschaftspolitik von Ronald zu Donald


Amerika hat gewählt. Donald Trump, der Republikaner wird der 45. US-Präsident. 

Die Märkte haben trotz eines sich anfänglich abzeichnenden „risk-off“-Modus verhalten reagiert. Schliesslich übernimmt Trump eine US-Wirtschaft in einer ziemlich guten Form: 

Das reale Wirtschaftswachstum hat sich in den vergangenen Monaten erholt. Die Arbeitslosenquote ist gesunken. Der S&P-Index hat zuletzt angesichts des Rückgangs des Ölpreises und des USD-Wechselkurses einen moderaten Anstieg der Gewinne gemeldet.

Am Aktienmarkt zählen nun der Pharma-Sektor und die Banken zu den Gewinnern. Hillary Clinton hat nämlich während des Wahlkampfs mehrmals ihrem Unmut über die zu hohe Medikamentenpreise Luft gemacht. Trump hat zwar Reformen im Gesundheitssystem versprochen, aber sich in Details nicht konkret festgelegt.

Da Trump bereits gestern den Aufbau einer „allerbesten Infrastruktur für Amerika“ ankündigt hat, erwarten Investoren jetzt ein grosses Infrastrukturprogramm (fiscal stimulus), welches die Wirtschaft ankurbeln und damit die Inflation stärken würde.

Abgesehen davon, dass eine grosse Portion Unsicherheit bestehen bleibt, scheint das gegenwärtige Umfeld für Aktien gut geeignet. Für Bonds hingegen drohen in erster Linie Kursverluste.



Die Rendite der inflationsindexierten amerikanischen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit (US-TIPS), Graph: FT

Dienstag, 8. November 2016

ESBies: Kommt European Safe Bond oder nicht?

Die Idee von „European Safe Bond“, die vor ca. fünf Jahren in den akademischen Kreisen die Runde gemacht hatte, scheint jetzt wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.

Ein Experten-Gremium des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (European Systemic Risk Board), das dem EZB-Präsidenten Mario Draghi Bericht erstattet, befasst sich mit dem Thema.

Benoît Cœuré, Direktoriumsmitglied der EZB, hat vergangene Woche in einem Vortrag an der Harvard University das Konzept angeschnitten.

Die Idee von ESBies wurde zum ersten Mal von Markus Brunnermeier im Jahr 2011 vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine sichere Anleihe, die von einer privaten Institution oder einer öffentlichen Behörde (z.B. ESM als European Agency) ausgegeben wird. Der Emittent kauft EUR Staatsanleihen auf, bis zu 60% des EWU-BIP und bildet ein Portfolio zusammen und gibt damit (d.h. via Verbriefung) European Bonds aus: in junior und senior Tranchen.

Wenn ein Mitgliedstaat im Euro-Raum Zahlungsunfähigkeit (default) erklärt, wird davon in erster Linie die junior-Tranche (die mit Risiken behafteter Teil der Anleihe) der European Bonds betroffen. Die Ausfälle sollen also von privaten Gläubigern (junior bondholders) getragen werden.

Mit dem dazu zugrundeliegenden Ansatz wollen die Protagonisten nach eigenen Angaben die grenzübergreifende „Flucht in Sicherheit“ in „Flucht von European junior Bonds in European safe bonds“ umleiten.


Der Teufelkreis (mit einem zweifachen Rückkopplungseffekt) zwischen Staatsschulden und Banken, Graph: Markus Brunnermeier in: ESBies: Safety in the tranches, Working Paper Series, No 21, Sept 2016, ESRB

Sonntag, 6. November 2016

Keine Einsicht in Europa für die neue Sicht der Fiskalpolitik

Anzeichen mehren sich, dass die Erkenntnis sich auch in Europa verbreitet, dass die Geldpolitik nicht mehr viel bewirken kann, wenn die nominalen Zinsen an der Null-Grenze (zero lower bound) ankommen und dort eine lange Zeit verbleiben. 

Nicht nur Mario Draghi, EZB-Präsident, sondern auch Direktoriumsmitglieder der EZB unterstreichen seit Jahresbeginn (in zahlreichen öffentlichen Auftritten) die Bedeutung der Fiskalpolitik, die lockere Geldpolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft zu begleiten.

Die politischen Entscheidungsträger scheinen aber die Rolle der Fiskalpolitik immer noch nicht anerkennen zu wollen. Wie in der folgenden Abbildung dargestellt ist, bleibt die Fiskalpolitik auch im nächsten Jahr restriktiv.

Jason Furman, Vorsitzender des Council Economic Advisers von Präsident Barack Obama hat vergangene Woche in einem Referat unter dem Titel „Neue Sicht der Fiskalpolitik“ fünf Aspekte hervorgeheben, warum eine aktive Fiskalpolitik heute aus theoretischen und empirischen Gründen angebracht ist.

(1) Die Fiskalpolitik ist als eine Ergänzung zur Geldpolitik für eine wirksame antizyklische Politik von Vorteil.



Aktive Fiskalpolitik bleibt in Europa allem Anschein nach auch im kommenden Jahr eine Mangelware, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 3. November 2016

Wenn alle Sektoren sparen, bricht die Wirtschaft zusammen


Der deleveraging-Prozess im europäischen Banken-Sektor setzt sich mit einem verhaltenen Tempo fort. Die Bilanz der europäischen Banken (gemessen an RWA) schrumpft weiter und liegt um 22% unter ihrem Höchststand, berichtet Morgan Stanley.
Es wäre nicht abwegig, darzulegen, dass der anhaltende Schuldenabbau-Zyklus (deleveraging) in Europa mit früheren nach-Krise-Erfahrungen vergleichbar ist, z.B. mit Japan in den 1990er Jahren, wie in der folgenden Abbildung dargestellt ist.

Allerdings befindet sich die Bilanzsumme seit den letzten Quartalen in einem Seitwärts-Trend. Die leichte Verbesserung der neuen Kreditvergabe ist wahrscheinlich auf die EZB-Ankündigung zur Fortsetzung des Anleihekaufprogramms zurückzuführen.

Das durchschnittliche Darlehen-Einlagen-Verhältnis (LTD-ratio *) liegt im zweiten Quartal 2016 um 2% niedriger als im Vorquartal und steht damit heute mit 106% tiefer als der Spitzenwert von 138%.



Der Schuldenabbau-Prozess im Banken-Sektor im historischen Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 1. November 2016

Die neoklassische Lösung als Last für die Realwirtschaft

Huw van Steenis erklärt in einem lesenswerten Artikel in FT, warum die Zentralbanken etwas Friktion in ihren Modellen benötigen.

Gemeint sind die neoklassischen Modelle, weshalb die meisten Zentralbanken i.d.R. von stabilen Verhältnissen ausgehen, ohne Friktionen in der Finanzwelt, zum Beispiel mit Agenten, die nie in Verzug geraten.

In einer friktionslosen Volkswirtschaft fliessen die Mittel zu den produktivsten Projekten, unabhängig davon, wer das Geld hat, wie die Risikobereitschaft ist, oder wie die Anreize gelagert sind. Und die Zentralbanken, die sich auf die neoklassischen Modelle berufen, betrachten die Märkte als vollkommen. Die Annahme von Unvollkommenheiten würde daher helfen, monetary stimulus Pläne zu verfeinern, argumentiert der neue Global Head of Strategy bei Schroders.

In einer neoklassisch geprägten Welt gäbe es keine Banken, da jeder zu demselben (risikolosen) Zinssatz Kredit aufnehmen und Geld verleihen würde. Und es gäbe auch keinen Bedarf fürs Geld, da jedermanns Schuldschein (IOU) sofort und vollkommen überall akzeptabel wäre. Das ist aber eine Fantasiewelt.


Das erwartete Realwachstum in den grössten Volkswirtschaften des Euro-Raums, Graph: ECB in Economic Bulletin, Oct 31, 2016