Dienstag, 31. Januar 2017

Europas nicht-ausgeliehene Ersparnisse und Inflation


Die Erwartungen wurden enttäuscht. Die Inflation in Europa schiesst doch nicht durch die Decke. Oder?

Die Einzelhandelsunternehmen in Deutschland setzten im Dezember 2016 real 1,1% weniger um als im Vorjahresmonat, wie destatis heute Morgen mitgeteilt hat.

Wie kann man einen signifikanten Anstieg der Inflation erwarten, wenn der deutsche Konsum seit Jahren flach wie ein Brett läuft? Ohne Lohnwachstum ist es seltsam, sich nach einem nachhaltigen Anstieg der Inflation zu sehnen, nur weil die Teuerungsrate im vergangenen Monat etwas angestiegen ist.

Solange die privaten Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand netto-Sparer sind, ist es offensichtlich, dass Haushaltskonsolidierung die Stagnation nur verlängern kann.

Es ist Trugschluss der Komposition (fallacy of composition) eine Rückkehr der Inflation zu erwarten, solange nicht ausgeliehene Ersparnisse (unborrowed savings) herumliegen.


Fiskal-Politik im Euroraum, Graph: IMF Paper: „Fiscal Politics in the Euro Area“, Jan 30, 2017.

Montag, 30. Januar 2017

Success and Luck

Buchbesprechung

Robert H. Frank: Success and Luck – Good Fortune and the Myth of Meritocracy, Princeton and Oxford, 2016

Robert Frank macht keinen Hehl daraus, dass das Glück nicht die alleinige Basis für den Erfolg im Geschäftsleben sein kann. Doch wer im Vorteil ist (z.B. bedingt durch Gene, Umfeld, unbekannte Einflüsse usw.), gewinnt. 

Und in einer Welt, die zunehmend von winner-take-all-Märkten dominiert wird, lassen sich Chance-Gelegenheiten und triviale Anfangsvorteile mit der Zeit oftmals in viel grössere und enorme Einkommensunterschiede umsetzen. Der Autor zeigt, wie falsche Glaubensüberzeugungen gegen das Glück trotz anhaltender Beweise bestehen bleiben.

Deshalb ist die Frage berechtigt, in wie fern Glück und Zufall eine Rolle spielen, im Geschäftsleben Erfolg zu haben. Zumal mit dem zunehmenden Wettbewerb, Zufallsereignisse noch wichtiger werden. 

Noch einmal: Es geht nicht um Können oder Glück. Das Buch richtet sich gegen die Meritokratie bzw. die Anhänger der Idee von einer „Leistungsgesellschaft“, die z.B. in Europa von der neoliberalen Doktrin voreingenommen, mit besonderen Merkmalen wie Abbau des Staates, Privatisierung und Deregulierung auffällt, was von Albrecht Müller in seinem im Jahr 2009 erschienen Buch meisterhaft darlegt wird.

Es ist augenfällig, dass gerade in dieser Hinsicht viele Menschen mit einer konservativen Vorstellung von der Welt sich von den Menschen, die den sozialen Sinn des Lebens nicht übersehen, unterscheiden, weil sie diejenigen, die ein Vermögen anhäufen, fast immer als talentiert und tüchtig betrachten. Aber auch die Liberale (im amerikanischen Sinne) liegen nicht falsch, wenn sie bemerken, dass unzählige andere Menschen mit gleichen Qualitäten nicht auf den grünen Zweig kommen.

Und tatsächlich entdecken Sozialwissenschaftler seit einigen Jahren, dass der Zufall eine viel wichtigere Rolle im Leben spielt als die meisten Menschen denken.

Sonntag, 29. Januar 2017

Wie verkleinert die Fed ihre Bilanz?


Die Bilanzsumme der Fed hat vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise (GFC) rund 900 Mrd. USD betragen. Heute beläuft sie sich auf etwa 2'500 Mrd. USD.

Der geldpolitische Ausschuss der Fed (FOMC) hat zwar deutlich gesagt, dass die Straffung des geldpolitischen Kurses letztlich auch die Schrumpfung der Bilanzsumme mit sich bringen würde. Aber die Fed-Beamten haben zugleich unterstrichen, dass der Prozess nicht vor der Normalisierung des Leitzins-Niveaus beginnen würde.

Das heisst im Klartext: zunächst Zinserhöhung und dann die Bilanzverkleinerung.

Trotzdem melden sich seit einigen Tagen eine Reihe von Fed-Gouverneuren öffentlich zum Wort, dass es Zeit sei, Überlegungen anzustellen, wie die aufgeblähte Bilanz der Fed verringert werden kann. 

Es entsteht damit der Eindruck, wie wenn die Fed demnächst Schritte in dieser Richtung ankündigen würde.

Dem ist nicht so. Ben Bernanke schreibt in seinem Blog, dass der Fed-Ansatz in Bezug auf die Normalisierung der Bilanz seines Wissens inzwischen nicht verändert wurde.

Er selbst würde die Massnahmen zum Abbau der Bilanz vorerst zurückstellen, bis die kurzfristigen Zinsen höher liegen als der Zeitpunkt zum Ausbruch der Krise, wo die Fed veranlasst wurde, eine unkonventionelle Geldpolitik auszuführen.

Die Bilanz der Fed wie auch die der BoJ, EZB und SNB ist in erster Linie das Spiegelbild der geld- und währungspolitischen Aktivitäten zur Stabilisierung des Finanzsystems und der Förderung der Wirtschaft.


Wertpapierbestand der Fed im Verhältnis zum BIP (in Prozent), Graph: Morgan Stanley

Samstag, 28. Januar 2017

US-Dollar und US-Protektionismus

Die auf „alternative Fakten“ beruhende Wirtschaftspolitik der neuen US-Administration unter Trump gewinnt allmählich an Konturen. 

Die Umrisse lassen aufhorchen: Mauerbau, Einschüchterung der öffentlichen-rechtlichen Agenturen, Drohungen gegen die freie Presse, um nur einige „Stossrichtungen“ zu nennen.

Zudem hat das Weisse Haus am Donnerstag gesagt, dass Präsident Trump die Einführung eines 20%-igen Zolls auf alle Einfuhren aus Mexiko erwäge.

Obwohl Trump, der den internationalen Handel allem Anschein nach als „rat race“ der Nationen sieht, das US-Handelsbilanzdefizit verringern will und sein designierter Finanzminister Steven Mnuchin den US-Dollar als „sehr, sehr stark“ für die US-Wirtschaft bezeichnet, könnte es so weit kommen, dass das Defizit zunimmt und der US-Dollar stärker wird.

Zur Erinnerung: In der Reagan-Ära wurden die Militärausgaben stark erhöht und die Steuern wesentlich gesenkt. 

Folglich hat das Haushaltsdefizit erheblich zugenommen, was zu einem starken Anstieg der Zinsen geführt hat. Der darauf folgende Zufluss des Kapitals aus dem Ausland hat zudem den US-Dollar aufwerten lassen, was wiederum auf der verarbeitenden Industrie gelastet hat. 

Das Handelsbilanzdefizit ist dann gestiegen und der Rückgang des Anteils der Produktion der gesamten Beschäftigung hat sich drastisch beschleunigt. 


Bestände der ausländischen Investoren on US-Treasury Bonds vs globale Währungsreserven der ausländischen Zentralbanken, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 26. Januar 2017

Handelsbilanz, Wirtschaftswachstum und einfache Fakten

Peter Navarro und Wilbur Ross versuchen in einem wunderlichen Artikel in WaPo, gestützt auf "alternative Fakten" die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration unter die Leute zu bringen.

An einer entscheidenden Stelle ist der folgende Satz zu lesen: Wenn die Netto-Exporte negativ sind, d.h. wenn ein Land ein Handelsdefizit ausführt, indem es mehr importiert als exportiert, muss es vom Wachstum abgezogen werden.

Es ist aber nicht wahr. Es handelt sich dabei um einen Fehler, der häufig vorkommt. Darum ist es wichtig, zu erklären, warum es falsch ist, das Handelsdefizit vom Wachstum abzuziehen.

In der Volkswirtschaftslehre begegnen wir ganz am Anfang der folgenden Gleichung:

BIP = Konsum + Investitionen + Staatsausgaben + Nettoexporte

wobei Nettoexporte = Exporte – Importe

Daraus folgt

BIP = Konsum + Investitionen + Staatsausgaben + Exporte – Importe

Weil Importe ein negatives Vorzeichen in dieser Gleichung haben, denken viele Leute, dass das BIP (und damit das Wachstum), wenn die Importe steigen, sinken muss. Das ist aber nicht richtig, wie Noah Smith in seiner Kolumne bei Bloomberg View erläutert.

Importe tragen nämlich auch zu Konsum-, Investitionen- und Staatsausgaben bei.

US-Wirtschaftswachstum und Handelsbilanz im Vergleich, Graph: Menzie Chinn und Michael Klein in EconoFact

Mittwoch, 25. Januar 2017

Neue US-Wirtschaftspolitik und Inflationserwartungen

Die Fed hat vor rund acht Jahren begonnen, in drei Schritten Wertpapiere am offenen Markt zu kaufen, genannt QE-Politik, d.h. die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik.

Die Bilanzsumme der US-Notenbank ist seither auf 4'500 Mrd. USD gewachsen. 

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass die Inflationserwartungen erstmals während des ganzen Jahres 2016 in den USA gestiegen sind. 

Und der Anstieg der Inflationserwartungen hat sich während der Woche der US-Wahlen relativ verstärkt. Was ist davon zu halten?

Eine Möglichkeit, Inflationserwartungen zu beobachten ist, die Breakeven-Sätze zu messen, d.h. die Differenz zwischen der Rendite der nom. US-Treasury Bonds und der (realen) Rendite der TIPS (inflationsgeschützte Staatsanleihen).

Der Breakeven-Satz für Inflationserwartungen mit 10 Jahren Laufzeit belief sich am 4. November auf 1,7%. Das heisst, dass die Investoren in den nächsten 10 Jahren mit einer Inflation von 1,7% rechnen.



US-Inflationserwartungen gemessen an Breakeven-Sätzen, Graph: Paulina Restrepo-Echavaria, Sen Research Associate, Fed St. Louis

Dienstag, 24. Januar 2017

TARGET 2 und Leistungsbilanzüberschüsse


Mario Draghi hat gestern in einer kurzen Stellungnahme betont, dass der jüngste Anstieg der TARGET2-Salden weitgehend die Liquiditätsströme, die aus dem Anleihekaufprogramm (APP) der EZB stammen, widerspiegeln. 

TARGET2-Salden steigen seit dem APP-Start und der Anstieg ist teilweise auf technische Faktoren zurückzuführen, weil die Abwicklungsdienste im Besonderen auf einige Finanzzentren konzentriert bleiben.

Die grenzüberschreitenden Zahlungen von nationalen Zentralbanken für Wertpapiere, die Rahmen von APP erworben werden, erhöhen die TARGET2-Salden, erklärt EZB-Präsident weiter. 

Fast 80% der Anleihen, die von nationalen Zentralbanken gekauft wurden, wurden von Gegenparteien verkauft, die nicht im selben Land ansässig sind und rund die Hälfte der Käufe kommt laut Draghi von Gegenparteien, die ausserhalb des Euroraums lokalisiert sind, die wiederum via Deutsche Bundesbank Zugang zum europäischen Zahlungssystem finden.

Deswegen steigt der TARGET2-Saldo der Deutschen Bundesbank vis-à-vis der EZB. 

Und dies ist zugleich eine Reflektion der Finanzstruktur im Euroraum, wo die Banken mit Geschäftsmodellen, die mehr Liquidität anziehen, i.d.R. in einer kleinen Anzahl von Finanzplätzen beheimatet sind.


Total TARGET balance, Graph: Economic Bulletin ECB in Issue 7, 2016


Montag, 23. Januar 2017

Protektionismus, Arbeitsplätze und globale Ungleichheit


Eine Frage, ob der Rückgang der Beschäftigung in der Industrie auf die Globalisierung zurückzuführen ist, dürfte 2017 aus aktuellem Anlass besonders rege diskutiert werden.

Die Produktivität ist sicherlich ein wesentlicher Faktor. 

Der Grossteil der globalen Ungleichheit wird aber durch Einkommensunterschiede zwischen den Ländern erklärt, nicht innerhalb der Länder, schreibt Dani Rodrik in seiner am Wochenende vorgelegten Forschungsarbeit („Is Global Equality the Enemy of National Equality?“).

Präsident Trump verspricht hingegen, Arbeitsplätze zurückzubringen.

Fakt ist, dass die USA in den 2000er Jahren mehr als 5 Millionen Arbeitsplätze im Fertigungsbereich verloren haben. Aber der Verlust der Arbeitsplätze in der Fertigung begann vor mehr als 30 Jahren und es geschieht weltweit in fortgeschrittenen Ländern wie Japan, Deutschland und dem Vereinigten Königreich, legt das neue Blog EconFact an der Tufts University dar.

Die Produktion in den USA ist auf einem Allzeithoch, auch wenn die Anzahl der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe geschrumpft ist. Der Grund ist Automatisierung. In den USA und anderen fortgeschrittenen Ländern wird mit weniger Arbeitnehmern mehr hergestellt.


Arbeitsplätze im Fertigungsbereich, Graph: EconoFact

Samstag, 21. Januar 2017

Haushaltskonsolidierung und GDP-linked Bonds

Austerität oder Haushaltskonsolidierung, wie sie in Europa genannt wird, hat sich als die falsche Strategie erwiesen, die Folgen der globalen Finanzkrise von 2008 zu bekämpfen, wie an einer Vielzahl von wesentlichen Eckdaten der Wirtschaft heute abgelesen werden kann: Wirtschaftswachstum kommt seit mehr als sieben Jahren kaum vom Fleck, die Inflation ist zu niedrig, die Arbeitslosigkeit ist zu hoch usw.

Trotzdem bleibt das Thema „balanced budget“ auf der Tagesordnung. Da die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP in manchen Ländern (z.B. Griechenland 177%, Italien 133%, Portugal 129%) inzwischen über 100% gestiegen ist, suchen Politiker und Ökonomen tatkräftig nach Möglichkeiten, die Schuldenlast zu erleichtern.

Ein prominenter Vorschlag ist, Staatsanleihen auszugeben, die am BIP gekoppelt sind (die sog. GDP-linked Bonds). Das ist dann der Fall, wenn die Höhe der Schuldenbegleichung am Wohlergehen der Wirtschaft verknüpft wird.

Cecchetti und Schoenholtz erklären in ihrem gemeinsam verwalteten Blog, worum es geht. Die Anhänger des Konzeptes sehen v.a. zwei wesentlich Vorteile.

Der erste ist, dass solche Bonds die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Staatsverschuldung durch die Decke schiesst. Das heisst, dass das Zahlungsausfallrisiko (default) geringer wird. So wird möglich, die maximale Höhe der nachhaltigen Schulden zu erhöhen und eine grössere Kapazität für antizyklische Fiskalpolitik bereitzustellen. 

Der zweite ist, dass am Wirtschaftswachstum gekoppelte Staatsanleihen Investoren eine kostengünstige Möglichkeit zur Diversifizierung bieten. 

Cecchetti und Schoenholtz finden die Idee grundsätzlich gut und nützlich. Aber sie denken, dass es in der Praxis erhebliche Hindernisse geben würde, wenn man z.B. die Revision der BIP-Daten mit berücksichtigt.


Zwei Varianten von BIP-gekoppelten Staatsanleihen, Graph: Cecchetti und Schoenholtz

Freitag, 20. Januar 2017

ACEMAXX-ANALYTICS auf Instagram


(personal and trivial)

Ich habe neulich ein Instagram-Konto (@benacemaxx) eröffnet, um die Illustrationen, die ich in meiner Freizeit zeichne, zu veröffentlichen.

https://www.instagram.com/benacemaxx/?hl=de 

Das Thema ist „natürlich“ Makroökonomie (aus dem Lehrbuch). Der Zweck ist Heiterkeit & Unterhaltung. Und so weiter.

So sieht z.B. eine kürzlich angefertigte Illustration aus, zum Thema „Kreditvergabe durch Banken“:


Illustration: @benacemaxx

Mittwoch, 18. Januar 2017

Italien unter Austerität-Druck

Die EU macht Druck. Brüssel fordert von Italien zusätzliche Kürzungen der öffentlichen Ausgaben, wie FT aus London berichtet.

Zur Erinnerung: Die EU-Behörden haben im vergangenen Jahr Portugal und Spanien angehalten, den Haushalt auszugleichen.

Nun kommt Italien dran. In einem am Dienstag verschickten Schreiben an die italienischen Behörden verlangt Brüssel von der drittgrössten Wirtschaft in der Eurozone, Massnahmen zu ergreifen, um das Haushaltsdefizit um 3,4 Mrd. EUR zu kürzen.

Das projizierte Haushaltsdefizit der italienischen Regierung ist zuletzt auf 2,3% gestiegen. Auch wenn dies deutlich unter dem von den EU-Vorschriften festgelegten Schwellenwert von 3% liegt, betrachtet Brüssel Italien Staatsverschuldung im Allgemeinen als zu hoch.

Rom führt den Fehlbetrag auf die durch die Erdbeben ausgelösten Kosten und die „Migrantenkrise“ zurück.

Warum Brüssel Haushaltsdefizite nicht im Verhältnis zu Ersparnissen des privaten Sektors bewertet, ist rätselhaft. Denn die Frage, ob das betreffende Defizit im Budget zu hoch ist, kann nur im Zusammenhang mit den Ersparnissen des Privatsektors beantwortet werden.


Die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FT

Dienstag, 17. Januar 2017

Finanzkrise und Zentralbank als Kreditgeber in letzter Instanz


Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Aufgabe, den Geldmarkt in CHF mit Liquidität zu versorgen. So steht es im Nationalbankgesetz (Art. 5) geschrieben.

Die SNB wirkt m.a.W. als Kreditgeber in letzter Instanz (d.h. LOLR, lender of last resort). Auch die Instrumente und Verfahren sind festgelegt, welche die SNB zur Umsetzung ihrer Geldpolitik einsetzt.

Auch die Bedingungen, zu welchen solche Geschäfte abgeschlossen werden und welche Wertpapiere als Sicherheit (collateral) verwendet werden können, sind definiert.

Wie wichtig die Versorgung des Geldmarktes mit Liquidität ist, ist während der globalen Finanzkrise von 2008 deutlich zum Vorschein gekommen. Allerdings ist zugleich auch eine Debatte über die Beschränkungen und Grenzen der LOLR-Politik entfacht. 

Ulrich Bindseil und Luc Laeven befassen sich vor diesem Hintergrund mit der Kritik an LOLR in einem lesenswerten Artikel („Confusion about the lender of last resort“) in voxeu.

Ein Vorwurf betrifft den Sicherheiten-Rahmen der Zentralbanken. Das Kollateral-System in der Eurozone basiere auf Bedingungen, die von der EZB festgelegt werde und nicht aber vom Markt. Auf diese Weise werde die Marktdisziplin untergraben.


Überschussliquidität, Graph: Morgan Stanley

Die Überschussliquidität errechnet sich aus der Summe aus dem Current Account und dem Deposit Facility bei der EZB, bereinigt um den ausstehenden Betrag auf der marginal lending facility und den erforderlichen Rücklagen

Sonntag, 15. Januar 2017

Die Fed und Fiskalpolitik der neuen US-Regierung

Die Stimmung im Markt ist positiv. Die Themen, die seit der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA auf der Tagesordnung stehen, sorgen für einen schwungvollen Kursanstieg an den Aktien-Börsen. 

Steuersenkungen, Repatriierung von Gewinnen der US-Unternehmen, Fiscal Stimulus, Abbau der Regulierung in bestimmten Sektoren schmücken die Schlagzeilen in den Medien. 

Staatsanleihen werden verkauft. Aktien werden gekauft. Die Renditen am langen Ende der Ertragskurve steigen. Der US-Dollar wertet auf.

Die Aussicht auf höhere Staatsausgaben, niedrigere Steuern und grösseres Haushaltsdefizit unter der neuen US-Regierung scheint den wichtigsten Faktor zu bilden, der die jüngsten Marktbewegungen ausgelöst hat.

Die Fed hingegen reagiert bisher nüchtern auf die künftigen fiskalpolitischen Veränderungen. Janet Yellen selbst hat im Dezember von einer „Wolke der Unsicherheit“ geredet. Die Prognosen der US-Notenbank für die nächsten Jahre sind daher unverändert geblieben. 

Wie berücksichtigt eigentlich die Fed die Fiskalpolitik bei ihrer Planung? Was erklärt den grossen Unterschied zwischen den Reaktionen der Fed und der Märkte auf den Wandel der fiskalpolitischen Perspektiven?

Ben Bernanke, der ehemalige Fed-Präsident geht in seinem Blog auf diese Fragen ein und liefert eine trockene Analyse.



US-Zinsen und Erwartungen, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 13. Januar 2017

Europa steckt immer noch in der Liquiditätsfalle


Paul Krugman hat in seinem Blog kürzlich bekräftigt, dass Europa sich noch ziemlich tief in der Liquiditätsfalle befinde.

Das bedeutet, dass Europa Fiscal Stimulus braucht, weil die Geldpolitik an Zugkraft verliert, während die nominalen Zinsen nahe Nullzins-Grenze (zero lower bound) liegen, d.h. wenn die Wirtschaft in der Liquiditätsfalle steckt.

Es mangelt ohne Zweifel an Nachfrage. Die mehr Ersparnisse der privaten Haushalte bedeuten weniger Nachfrage für Unternehmen. Deshalb ist es entscheidend, dass der Staat dafür sorgt, dass Sparen und Investieren wieder in Einklang kommen („sectoral financial balances“).

Die Ausgaben des einen sind nämlich die Einnahmen des anderen. Wenn der private Sektor spart, um z.B. Schulden zurückzuzahlen (deleveraging), bedarf es Investitionen der öffentlichen Hand, weil auch die Unternehmen sich mit Ausgaben zurückhalten, weil sie wegen der fallenden Nachfrage mit sich verschlechternden Absatzaussichten konfrontiert werden.

Die alte Doktrin von einem „balanced budget“ (ausgeglichenen Haushalt) und „fiscal austerity“ hilft daher nicht, um die Konjunktur wieder zu beleben. 

Da die Haushaltskonsolidierung in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft falsch ist, fordert der IWF von der Eurozone, den fiskalpolitischen Spielraum zu nutzen, um die Nachfrage anzukurbeln. Auch die EZB fordert von Brüssel und Berlin, die akkommodierende Geldpolitik mit Fiskalpolitik zu begleiten, um die Produktionslücke (output gap) zu schliessen und die Beschäftigung zu stützen.


Entwicklung des strukturellen Defizits in Deutschland, Graph: Bundesministerium der Finanzen

Mittwoch, 11. Januar 2017

China investiert


Wie der Verlauf der Krise zeigt, gibt es keine direkte Beziehung zwischen Haushaltszielen und dem Inflationsziel. China hat die Situation rasch erkannt und dementsprechend reagiert: In einer schwer angeschlagenen Wirtschaft ist eine antizyklische Fiskalpolitik unerlässlich. 

Während die EWU sich, koste was es wolle, an einem ausgeglichenen Staatshaushalt orientiert, hat die chinesische Führung darauf verzichtet, das Hauptaugenmerk auf numerische Haushaltsziele zu legen.

Die folgende Abbildung zeigt die Anlageinvestitionen in China. Es ist deutlich zu sehen, dass China öffentliche Investitionen erhöht, gerade zu dem Zeitpunkt, wo die privaten Investitionen zurückfallen.


China: Anlageinvestitionen, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 10. Januar 2017

Produktivität: Deutschland versus Frankreich

Markus Brunnermeier stellt die unterschiedlichen Weltanschauungen zwischen Deutschland und Frankreich in den Mittelpunkt seines jüngst veröffentlichten, lesenswerten Buches, um dazu beizutragen, die wirtschaftspolitischen Positionen der beiden Gründungsstaaten des europäischen Projektes besser zu verstehen und die Reaktionen auf die anhaltende Krise möglichst rasch auf Vordermann zu bringen.

Thomas Piketty nimmt am Montag in seinem Blog die bevorstehenden Wahlen in Deutschland (im Herbst) und Frankreich (im Frühjahr) zum Anlass, um die „angebliche wirtschaftliche Asymmetrie“ zwischen den beiden Ländern (Deutschland wohlhabend und Frankreich im Abstieg) zu ergründen.

Der französische Ökonom unterstreicht mit Nachdruck die Tatsache, dass die Produktivität der deutschen und der französischen Volkswirtschaften, gemessen am BIP pro geleistete Arbeitsstunde, nahezu identisch ist.

Darüber hinaus sei die Produktivität auf höchster Weltebene, was zeige, dass das europäische Sozialmodell eine glänzende Zukunft habe, ungeachtet dessen, was die „Brexiter“ und „Trumper“ denken mögen, so der Wirtschaftsprofessor an der Paris School of Economics.

Als Fazit hält der Autor des insbesondere in den USA viel Aufmerksamkeit erweckten Buches („Das Kapital im 21. Jahrhundert“) fest, dass Deutschland und Frankreich ähnliche Produktivität an den Tag legen, aber sie auf sehr unterschiedliche Art und Weise verwenden:


Produktivität in Deutschland und Frankreich im Vergleich (gemessen am BIP pro geleistete Arbeitsstunde), Graph: Thomas Piketty

Sonntag, 8. Januar 2017

Wann ist Fiscal Stimulus wirksam?

Ökonomen bilden Modelle, um herausragende Aspekte der sozialen Interaktionen zu erfassen, schreibt Dani Rodrik in seinem lesenswerten Buch („Economics Rules“).

Ein Wirtschaftsmodell richtet das Augenmerk nach bestimmten Ursachen und versucht, zu zeigen, wie sie sich durch das System entfalten.

Interessierte Leser wissen, dass Paul Krugman u.a. ein einfaches IS-LM-Modell verwendet, um die Situation seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise von 2008 zu analysieren.

Das Modell, das die Dinge sehr vereinfacht und daher nicht unbedingt als „abschliessend“ wahrgenommen werden kann, hat bislang trotzdem sehr nützliche Vorhersagen darüber geliefert, was in der Wirtschaft unter ungewöhnlichen Umständen geschehen würde.

Mit anderen Worten: Die Ökonomen, die sich eines einfachen IS-LM-Modells bedient haben, haben den Verlauf der gegenwärtigen Krise bislang ziemlich gut einschätzen können, ohne sich von der neoklassischen Theorie komplett vereinnahmen zu lassen.

Eine grundsätzliche Aussage ist, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage den Zinssatz reflektiert und die Geldpolitik sich gegen die Veränderungen im BIP lehnt. Die LM-Kurve ist daher nach oben gerichtet, weil es aber sehr schwer ist, die Zinsen unter null zu senken, verläuft die Kurve bei niedrigem BIP-Niveau flach (Liquiditätsfalle).


IS-LM-Modell: Wo stehen wir heute?, Graph: Paul Krugman, Blog, NYTimes, Jan 2017.

Freitag, 6. Januar 2017

Reflationspolitik, oder was?

Reflationspolitik ist auch im neuen Jahr in aller Munde. Worum geht es? 

Es handelt sich dabei um Policy-Mix. Das heisst eine Kombination von Fiskal- und Geldpolitik, die darauf abzielt, die Wirtschaft anzukurbeln und v.a. die Auswirkungen der Deflation einzudämmen. 

Senkung der Steuern, Anpassung des Geldangebots, Senkung der Zinsen beispielsweise zählen zu den Massnahmen, die dabei ergriffen werden. Reflationspolitik kommt also zum Einsatz, um die Konjunktur wieder zu beleben und die Schrumpfung der Wirtschaft zu verhindern.

Da das Zusammenspiel der eingesetzten Vorkehrungen entscheidend ist, lohnt sich, kurz einen Blick darauf zu werfen, wie es in den grossen Volkswirtschaften heute aussieht.

Während die Fed sich derzeit anschickt, die Straffung der Geldpolitik im neuen Jahr voranzubringen, halten die EZB und die BoJ am Einsatz der unkonventionellen Mittel (Anleihekaufprogramm, Negativzinsen, Forward Guidance usw.) fest, wahrscheinlich noch eine lange Zeit.

Was jedoch ins Auge fällt, ist, dass die EU-Behörden auch 2017 einen ausgeglichenen Haushalt anstreben. Dazu kommt, dass inzwischen Stimmen laut werden, die den Anstieg der Inflation in Deutschland im Dezember auf 1,1% als „galoppierend“ (siehe FT) bezeichnen.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, festzuhalten, dass es nicht viel Sinn macht, wenn die expansive Geldpolitik von einer restriktiven Fiskalpolitik begleitet wird. Sonst wäre es ja keine kompromisslose Reflationspolitik, die benötigt wird, um die Nachwirkungen in einer schweren Rezession zu besänftigen.


Die Differenz in Real-Renditen, die den Wechselkurs USD EUR bewegen, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 4. Januar 2017

Inflation Blues in Deutschland


Die Mainstream-Media feiert das „Comeback von Inflation“ in Deutschland. Das Statistische Bundesamt hat gestern mitgeteilt, dass die Verbraucherpreise in Deutschland im Dezember voraussichtlich um 1,7% höher liegen als im Dezember 2015.

Der Haupttreiber sind wahrscheinlich die Energiepreise (+12,6%), die zum ersten Mal seit drei Jahren im Vergleich zum Vorjahresmonat kräftig angestiegen sind.

Im Jahresdurchschnitt dürfte die Inflationsrate 2016 nach bisher vorliegenden Ergebnissen bei 0,5% liegen (2015: 0,3%), wie destatis weiter unterstreicht. 

Obwohl die Inflation (headline*) auch in der Eurozone im Dezember von 0,6% auf 1,1% im November gestiegen ist, gibt es keinen Grund zur Freude, weil erstens die Inflation in der Eurozone deutlich unter dem Zielwert (knapp 2%) der EZB bleibt und zweitens der private Verbrauch nach wie vor unter stagnierenden Löhnen leidet. Da die Kaufkraft abnimmt, könnte der Konsum sogar u.U. stärker betroffen werden.


Inflation: Erwartungen im Markt versus Zielinflationsrate, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 3. Januar 2017

Unabhängigkeit der Zentralbanken


Damit eine Zentralbank in einer Krise als „Kreditgeberin der letzten Instanz“ (lender of last resort) agieren kann, muss sie ein gewisses Mass an Unabhängigkeit haben. 

Vor allem darf sie nicht offenlegen, welche Banken als zerbrechlich für die Kreditaufnahme angesehen werden, was die Liquiditätsengpässe im Finanzsystem sonst verewigen und Panik auslösen könnte. 

Gleichzeitig darf die Zentralbank an insolvente Banken keinen Kredit gewähren, was die Banken, die zwar solvent, aber illiquid sind, von der Suche nach Mittelaufnahme sonst abhalten könnte.

Vor diesem Hintergrund unterstreichen Cecchetti und Schoenholtz in ihrem gemeinsam verwalteten Blog, dass der Median-Prognose der FOMC-Teilnehmer zufolge mit drei Zinserhöhung in den USA im Jahr 2017 zu rechnen ist.

Das wäre das erste Mal in einem Jahrzehnt, dass die Fed die Zinsen um insgesamt um 75 Basispunkte (0,75%) in einem Jahr anhebt. Es ist laut Cecchetti und Schoenholtz natürlich, zu fragen, welcher Kritik die Fed damit gegenüberstehen würde und ob ihre Unabhängigkeit bedroht wäre.

Die Bedenken der Autoren ergeben sich aus Aussagen des designierten US-Präsidenten Donald Trump während des Wahlkampfes und aus Legislativvorschlägen verschiedener republikanischen Kongressabgeordneten.


Fed Funds Rate, Graph: Cecchetti and Schoenholtz