Samstag, 27. April 2019

Geldpolitik am Ende – Und Fiskalpolitik?

Die unerträglich lange Stagnation, das hohe Niveau an Unterbeschäftigung und das anhaltend träge Lohnwachstum legen nahe, dass die rigide Sparpolitik (besser gesagt die fiscal austerity) nach der Finanzkrise von 2008-2009 (GFC) ein Fehler war.

Was jetzt vorrangig ist, Investitionen voranzutreiben. Wenn der private Sektor es nicht tut, muss der öffentliche Sektor die Rolle übernehmen, gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen. 

SNB Präsident Thomas Jordan hat am Freitag in Bern gesagt, dass die konventionelle Geldpolitik endet, wenn das Zinsniveau die Nullzinsgrenze erreicht.

Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Schweizer Regierung, dass das Telefon für eine lockere Fiskalpolitik klingelt: nimm es endlich ab und antworte.

Auch Mario Draghi hat in diesem Sinn bei den jüngsten Frühjahrstagungen des IWF in Washington vergangene Woche die Regierungen in Europa zu mehr Unterstützung aufgerufen.

EZB Präsident hat besonders hervorgehoben, dass „unsere derzeitige Geldpolitik bereits sehr akkommodierend ist und bei Bedarf noch verstärkt werden kann. Aber wir erreichen einen Punkt, an dem die Fiskalpolitik immer wichtiger wird“.


Die öffentlichen Schulden in den fortentwickelten Volkswirtschaften und die Zinskosten, Graph: FT, Apr 26, 2019 

Mittwoch, 24. April 2019

Der Nachfrageausfall und das öffentliche Defizit im Euroraum


Das öffentliche Defizit und der öffentliche Schuldenstand haben sich im Euroraum im Jahr 2018 im Vergleich zum Jahr 2017 verringert.

Das hat das Statistische Amt der EU, kurz Eurostat am Dienstag gemeldet.

Gemessen am BIP ging das öffentliche Defizit im Euroraum von 1,0% im Jahr 2017 auf 0,5% im Jahr 2018 zurück.

Das ist Wahnsinn! Zinsen auf Rekordtief, Defizite auf Rekordtief. Wem ist eigentlich damit zu helfen?

Wenn ein Sektor in der Volkswirtschaft spart, fällt unmittelbar die Nachfrage für die anderen Sektoren aus. 

Wenn die privaten Haushalte sparen, d.h. weniger verbrauchen, sinken Umsätze und Gewinne bei Unternehmen. Und die öffentliche Hand verbucht geringere Einnahmen. 

Wenn der Staat sich mit Investitionen zurückhält, reduziert sich zugleich auch die Nachfrage für Unternehmen. Und die Unternehmen investieren daraufhin weniger. 


Das öffentliche Defizit im Euroraum im Verhältnis zum BIP, Graph: PictetWM, Apr 23, 2019

Samstag, 20. April 2019

Abgesicherte Investoren und Staatsanleihen


Neulich haben wir hier darauf hingewiesen, dass die Rendite der 5-jährigen Staatsanleihen Griechenland inzwischen so stark gesunken ist, dass sie niedriger notiert als die vergleichbaren Staatsanleihen der USA.

Nun etwas mehr Technisches zum Hintergrund der sog. „Rendite-Jagd“ und Absicherungskosten und zwei aktuelle Charts.

Mit einem handels-gewichteten US-Dollar nahe dem teuersten Niveau seit 20 Jahren und den im Vergleich zu Europa und Japan hohen US-Zinssätzen sind die Kosten der Absicherung (hedging) der US-Staatsanleihen (UST) gegen Schwankungen mittlerweile nahezu auf ein Allzeithoch geklettert.

Und dies führt dazu, dass US-Treasury Bonds, die eine risiko-freie Basis von Anlageportfolios auf der ganzen Welt bilden, für viele ausländische Käufer zu einer negativ rentierenden Anlage werden, wie Colby Smith bei FT am vergangenen Donnerstag berichtet. 

Aus Sicht der abgesicherten Anleger (gegen Währungsrisiken) in Europa beläuft sich damit die Rendite der US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit auf minus 0,5%, verglichen mit einer nicht abgesicherten Rendite von 2,58%.

Ferner: Aus Sicht der Anleger in Japan, die das Währungsrisiko hedgen, ergibt sich eine UST-Rendite von minus 0,3%.


Die Rendite der griechischen Staatspapiere mit 5 Jahren notieren niedriger als die entsprechenden US-Staatspapiere, Graph: Colby Smith, FT, Apr 18, 2019


Donnerstag, 18. April 2019

Wie kommt’s? Keine Inflation und keine Vollbeschäftigung


Das ist eine interessante Abbildung, die Bloomberg neulich geliefert hat.

Es geht um die Vollbeschäftigung in den USA im historischen Vergleich.

In den Jahren 1949 bis 1979, bevor die Idee von NAIRU* (die die Inflation nicht beschleunigende Arbeitslosenquote) von den Zentralbanken fest umarmt wurde, befand sich die US-Wirtschaft zu zwei Dritteln der Zeit in Vollbeschäftigung.

Das Verhältnis fiel jedoch seit 1980 auf ein Drittel zurück.

Zur Erinnerung: Die Fed hat per Gesetz zwei Mandate: Preisstabilität und maximale Vollbeschäftigung.

Während die Inflation seit geraumer Zeit hinter dem Ziel der Fed zurück bleibt, fühlen sich die geldpolitischen Entscheidungsträger mittlerweile veranlasst, über den Teil „Vollbeschäftigung“ ihres Mandats wieder nachzudenken.



US Vollbeschäftigung, Graph: Matthew Boesler, Bloomberg, Apr 15, 2019

Dienstag, 16. April 2019

Schuldenbremse: In Deutschland liegt das Geld auf dem Bürgersteig


St. Galler Kantonalbank schreibt am Montag im täglich erscheinenden „Daily Focus“, dass die Schweiz ein Schuldenproblem hat. Gemeint ist die Schuldenquote der Schweizer Privathaushalte von 212% des verfügbaren Einkommens. 

Es geht also um den Privatsektor.

Alarmglocken schrillen.

Im Artikel wird jedoch darauf hingewiesen, dass die hohe Verschuldung sich damit erklären lässt, dass die meisten Haushalte in der Schweiz die Hypotheken auf ihren Wohnliegenschaften nicht abzahlen.

Im Gegensatz zu den Kreditkartenschulden der amerikanischen Verbraucher sind die Hypotheken der Schweizer durch die Substanz der Immobilien gedeckt. Ferner ist die finanzielle Belastung der privaten Haushalte durch die tiefen Zinsen gering.

Wo ist das Problem?

Die Zinsen werden nicht auf ewig tief bleiben. Ein Anstieg der Zinsen wird auf dem frei verfügbaren Geld lasten. 

Und wenn die Konsumenten ihre Ausgaben kürzen, wird dies die Konjunktur belasten. Wenn die erwarteten Einkommen fallen, werden die Schulden rasch zu einem Problem, so lautet das Fazit des Artikels.


Ökonomen zeigen mit dem Finger auf Deutschland (2018: 54 Mrd. EUR) und andere Länder mit Finanzierungsüberschüssen, die in der Lage sind, viele Impulse zu geben, dies aber nicht tun, Graph: WSJ, Apr 14, 2019 

Beim IWF steht Deutschland unter Druck, Wachstum anzuregen. Der von den USA unterstützte IWF hat am Wochenende in Washington Berlin und andere Länder mit Haushaltsüberschüssen dazu gedrängt, die Steuern zu senken und/oder die Ausgaben zu erhöhen, um das Wachstum zu stützen.

Freitag, 12. April 2019

Zinspause und das Diktat der Finanzmärkte


Das ist sicherlich eine Abbildung, die diese Woche am meisten hervorsticht. 

Die Rendite der griechischen Staatsanleihen (2,199%) mit 5 Jahren Laufzeit ist geringer als die Rendite der amerikanischen Staatsanleihen (2,314%) mit vergleichbarer Laufzeit. 

Wenn ein Land Mitglied einer Währungsunion (EWU) wird, verzichtet es auf die eigene Währung und übernimmt die Gemeinschaftswährung (EUR). Die Währung wird dann von einer gemeinsamen Zentralbank (EZB) gemanagt. 

Eine Implikation für die betreffenden Mitglieder ist, dass sie eine Anleihe in einer Währung ausgeben, die sie selbst nicht (mehr) drucken können. 

Das bedeutet, dass die nationalen Regierungen den Anleihegläubigern im Grunde genommen keine Garantie dafür geben können, dass das Bargeld (d.h. EUR) am Fälligkeitstag der Anleihe zur Verfügung steht.


Rendite der Staatsanleihen mit 5 Jahren Laufzeit: Griechenland: 2,199% (EUR) und USA: 2,314% (USD), Graph: Bloomberg, Apr 12, 2019

Donnerstag, 11. April 2019

Nullzinsen und Angst vor „Japanisierung“ Europas


Die Angst vor der „Japanisierung“ Europas geht um, so lauten die Schlagzeilen in den jüngsten Tagen.

Die Protagonisten sind die Mainstream-Medien.

Was soll aber an Japans Wirtschaft so schlimm sein?

Die japanische Wirtschaft verharre „seit Jahrzehnten in einer deflationären Situation, geprägt von geringem Wachstum, und ultraniedrigen Zinsen“, wird erzählt.

Als Gründe werden die Spätfolgen einer geplatzten riesigen Immobilienblase in den 1980er Jahren angeführt. Nun, das mag stimmen.

Parallelen in Europa werden aber v.a. wegen der „chronischen Nullzinsphase“ gezogen, mit angeblich „verheerenden Folgen für alle Sparer“.

Damit wird weiter Angst geschürt: „Eine Japanisierung des Euroraums würde also bedeuten, dass wir nicht nur weitere Jahre mit Nullzinsen leben müssten, sondern Jahrzehnte“.


Japan: Arbeitslosigkeit (weisse Kurve) versus Inflation (blaue Kurve), Graph: Bloomberg, Apr 10, 2019

Dienstag, 9. April 2019

Negativzinsen und Gesinnungswandel der EZB


Banken verlangen Abschwächung des Negativzinses, berichtet FAZ online am Montag.

Die möglichen Nebenwirkungen der langanhaltenden Tiefzinsen waren tatsächlich auch ein Thema an der jüngsten EZB-Sitzung, wie es aus dem Protokoll, das vergangene Woche veröffentlicht worden ist, des Treffens hervorgeht.

Die EZB hatte erstmals 2015 den Einlagesatz auf unter null Prozent gesenkt. Der Satz liegt gegenwärtig bei minus 0,4%. Der Leitzins der EZB liegt seit März 2016 auf 0,0%.

Die EZB denkt allem Anschein nach über einen gestaffelten Einlagesatz als eine Möglichkeit nach, um den „Druck auf die Gewinnmargen“ der Banken etwas zu erleichtern. 

Das heisst, dass die EZB möglicherweise nach dem Vorbild der Schweizer Nationalbank (SNB) Freibeträge für die Überschussliquidität der Banken einsetzen würde.


Wann wird die EZB die Zinsen erhöhen? Die Erwartungen verschieben sich immer weiter, Graph: Dhara Ranasinghe, Reuters, April 8, 2019

Mittwoch, 3. April 2019

Trickle-down Theorie und Geschenke des Staates an Reiche


Donald Trump hat 2017 ein wichtiges Gesetz verabschiedet: Steuersenkung für Konzerne und Superreiche. 

Die begünstigten Unternehmen haben damit mehr als 150 Mrd. USD eingespart, schreibt Paul Krugman in seiner Kolumne bei NYTimes

Und das bedeutet zugleich, dass das US Haushaltsdefizit sich im Laufe der nächsten 10 Jahre um mehr als 2‘000 Mrd. USD erhöhen wird.

Das mehrere Milliarden tragende Steuergeschenk wurde mit dem Argument verkauft, dass der Wohlstand der Reichen nach und nach durch Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickern würde.

Das wird im volkswirtschaftlichen Lehrbuch als „trickle-down Theorie“ beschrieben: Das Versprechen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Die Idee beruht auf dem Say’schen Theorem und findet v.a. unter Neoliberalen viele Anhänger.

Unabhängige Beobachter waren aber von Anfang an skeptisch: sie räumten ein, dass die Steuersenkung zu einem kurzen „sugar high“ (Strohfeuer) führen würde. Und die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum würden bald verschwinden.

Wie die folgende Abbildung zeigt, hat das Wachstum der US-Wirtschaft unterdessen in der Tat deutlich nachgelassen.


US-Wirtschaftswachstum (BIP). Trumps Steuersenkungen haben keinen Wachstumsschub ausgelöst, Graph: Paul Krugman, NYTimes, March 30, 2019