Freitag, 30. September 2016

Verfehlte Sparpolitik und Einkommenspolarisierung

Larry Summers verweist in einem lesenswerten Artikel in WaPo auf eine aktuelle IWF-Studie über die Einkommenspolarisierung in den USA.

Die Autoren der Forschungsarbeit verwenden standard-ökonometrische Techniken, um die Auswirkungen des Einkommensrückgangs der Mittelschicht auf die gesamten Konsumausgaben zu schätzen. 

Die Analyse kommt zum Schluss, dass die Einkommenspolarisierung die privaten Ausgaben um mehr als 3% (rund 400 Mrd. USD pro Jahr) verringert.

Wenn das vorliegende Ergebnis einer genauen Prüfung standhält, hat es wichtige wirtschaftspolitische Konsequenzen. Denn die genannte Summe ist in der Tat enorm. Wenn die Verbraucher 3% mehr ausgeben würden, gäbe es Spielraum für die Vollbeschäftigung und die Zinsen, sich wieder dem neutralen Zinssatz (Gleichgewichtszinssatz) anzunähern, argumentiert Summers.

Was wäre zum Beispiel eine wirtschaftspolitische Implikation? 

Der an der Harvard University tätige Wirtschaftsprofessor sagt, dass es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, die Arbeitnehmerrechte zu stützen, von Tarifverhandlungsvereinbarungen über Investitionen in die Infrastruktur bis zu einem progressiv gestalteten Steuersystem.



Der gesamte Konsumrückgang von 1998 bis 2013 in der US-Wirtschaft, Graph: IMF via Larry Summers in WaPo

Mittwoch, 28. September 2016

Austerität hält die Zinsen niedrig


Der im Jahr 2010 gegründete und 2012 in Kraft getretene ESM hat die Aufgabe, „überschuldete Mitgliedstaaten“ der Eurozone mit Notkrediten und Bürgschaften zu unterstützen.

Wie ironisch, dass der Rettungsschirm von Investoren bezahlt wird, sich am Markt Kapital zu besorgen. Der ESM hat gerade eine Anleihe mit einer Negativrendite ausgegeben, und zwar für eine Laufzeit von 9 Jahren.

Das ist sicherlich ein weiterer Hinweis darauf, dass die Staatsschulden von Anfang an nicht die Ursache der Krise in der Eurozone waren. Die anhaltende Krise ist eine Folge von Ungleichgewichten im Aussenhandel. Mit dem restriktiven Fiskalpakt hat sich Europa selbst auf den Holzweg begeben.

Das Problem sind heute hohe Arbeitslosigkeit und sogar Deflationsgefahr, nicht Haushaltsdefizite.

Wenn alle Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Probleme mit internal devaluation zu lösen, ist es nicht erstaunlich, dass daraus deflationäre Tendenzen hervorkommen. Die Grundsätze der doppelten Buchhaltung legen nahe, dass nicht alle Volkswirtschaften die Krise durch mehr Exporte und Überschuss im Handel überwinden können.



ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus begibt eine 9-jährige Anleihe mit Negativ-Rendite,  Graph: Bloomberg

Dienstag, 27. September 2016

Das Geld der Zukunft: Zentralbanken versus Dezentralisierung


Eine Notenbank in einer fortentwickelten Volkswirtschaft führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik des Landes.

Der Auftrag für die SNB beispielsweise lautet, die Preisstabilität zu gewährleisten und der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen, damit Produktion und Beschäftigung steigen.

Wichtig ist, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch Deflation (ein anhaltender Rückgang des Preisniveaus) das Ziel der Preisstabilität verletzt.

Für die Umsetzung der Geldpolitik kommt es auf die Finanzmarktinfrastrukturen an. Die Finanzmarktinfrastrukturen werden in der Schweiz von der SIX Group betrieben, wobei die SNB nach eigenen Worten „eine aktive Rolle in der strategischen Beeinflussung gewisser Funktionen spielt“.

Die Finanzmarktstrukturen leisten damit einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems, durch z.B. die Erleichterung und Sicherung von bargeldlosen Zahlungssystemen.

Die SNB achtet darauf, für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen und gleichzeitig nützliche Innovationen zu fördern. Thomas Jordan hat in einem aktuellen Referat in Genf neulich darauf hingewiesen, dass sichere und effiziente Lösungen dort entstehen, wo ein Interessenausgleich zwischen Marktteilnehmern, Regulatoren und Zentralbanken gelingt.

In Sachen neue Technologien, die das Tor für neue Finanzdienstleistungen öffnen, schlägt Jordan im Allgemeinen einen nüchternen und umsichtigen Ton an. Viele Grundfunktionen in der Finanzindustrie bleiben nämlich weitgehend gleich.



Das gegenwärtige System (zentral), Graph: FT

Montag, 26. September 2016

Policy Mix und „r“-Stern


Mensch! Policy Mix scheint das Gebot der Stunde zu sein. Der Ansatz, dass die Wirtschaftspolitik sich am optimalen Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik orientieren soll, rückt allem Anschein nach immer stärker in den Fokus der meisten Regierungen.

Gavyn Davies berichtet in seiner Kolumne bei FT, dass laut JPMorgan’s Schätzungen in den meisten Industrieländern in den kommenden Jahren mit einer Lockerung der restriktiven Fiskalpolitik zu rechnen ist.

Gemessen am strukturellen Haushalt (structural budget balance) erwartet die amerikanische Investmentbank eine Entspannung um 0,2% des BIP in diesem und im kommenden Jahr.

Die Wirksamkeit der Austeritätspolitik, die im Jahr 2013 die Spitze erklommen hatte, und am Ende des vergangenen Jahres abzuklingen begann, wird inzwischen von immer mehr Analysten in Zweifel gezogen.

Die Pläne, demnächst so rasch wie möglich von einem kombinierten Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik Gebrauch zu machen, um die Vollbeschäftigung wiederherzustellen und die Wirtschaft zu „normalisieren“, sind v.a. in China und Japan am auffälligsten.

Aber auch in Grossbritannien, den USA und sogar in der Eurozone gibt es laut Davies Anzeichen von Bemühungen, zumindest Investitionen in die Infrastruktur zu beschleunigen.



Der strukturelle Haushalt in den Industrieländern, Graph: JPMorgan via Gavyn Davies in FT

Freitag, 23. September 2016

Keine guten alten Zeiten mehr für Haushaltskonsolidierung

Das ist eine besonders aufschlussreiche Abbildung über die Gesamtsituation der europäischen Wirtschaft. Gezeigt werden die Finanzierungssalden in einzelnen Sektoren:

Was auffällt ist, dass die Ersparnisse der Unternehmen seit geraumer Zeit wieder steil ansteigen, während die privaten Haushalte längst auf der Sparer-Seite verweilen.

Beide Sektoren sind also Netto-Sparer. Das heisst, dass die Finanzierungssalden der privaten Haushalte und der Unternehmen einen Überschuss aufweisen.

Wer angesichts dieser prekären Konstellation auch noch die Staaten im Euro-Raum auffordert, Schulden abzubauen und Überschüsse im Haushalt zu erzielen, hat bei allem Respekt nicht alle Tassen im Schrank. Denn es besteht sonst die Gefahr, dass die Wirtschaft zusammenbricht, wenn auch die öffentliche Hand die Gürtel enger anschnallt.



Finanzierungssalden der privaten Haushalte und der Unternehmen sind im Euro-Raum im Überschuss, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 22. September 2016

BoJ und monetäre Staatsfinanzierung


Die US-Notenbank hat gestern den Leitzins (Fed Funds Rate) erwartungsgemäss unverändert gelassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Straffung der Geldpolitik im Dezember kommt, ist inzwischen sofort über 50% geklettert.

Janet Yellen, Fed-Chefin hat auf der Pressekonferenz mit Nachdruck betont, dass sie keine Überhitzung der Wirtschaft anstrebe und deswegen eine Überschiessung der Inflation nicht dulden werde.

Bemerkenswert war vor diesem Hintergrund die Mitteilung der japanischen Notenbank (BoJ), die zuvor nach einem zweitätigen Treffen eine „neue Art lockere Geldpolitik“ vorgestellt hat: quantitative and qualitative monetary easing with yield curve control“.

(1) Zinskurvensteuerung: Die Rendite der japanischen Staatsanleihen (JGB) soll auf Null stehen (cap). Es wird also eine Deckel darauf gesetzt: Das heisst, dass die BoJ bereit ist, alle JGBs zu kaufen, die geboten werden.

Das Volumen der Bond-Käufe von 80 Billion JPY pro Jahr bleibt dabei unverändert. Aber die BoJ will weniger langlaufende Anleihen erwerben. Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die Ertragskurve (yield curve) eine steilere Form annimmt.



Fed: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen (Fed Funds Rate) im Dezember erhöht werden, Graph: FT

Dienstag, 20. September 2016

Lehren aus der Krise und New Normal

Was haben wir aus der Krise gelernt? Das war die Frage, mit der sich Paul Krugman in seinem Referat am Graduate Institute Geneva in der Schweiz am Dienstag auseinandergesetzt hat. 

Der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor erinnert daran, wie die Globale Finanzkrise, je nach Interpretation im Juli 2007 mit BNP Paribas’ Verbot von Rückzügen aus zwei seinen Fonds oder im September mit dem Konkurs von Lehman begann, eine globale Rezession ausgelöst hat.

Was bemerkenswert ist, dass die Nachbeben uns heute noch beschäftigen, obwohl der freie Fall Mitte 2009 zu einem Ende kam. Die Wachstumsrate danach fiel im Allgemeinen niedriger aus als vor der Krise. Und die Weltwirtschaft hat den verlorenen Boden seither nicht wieder gutmachen können.

Die Rede ist von 8 bis 9 Jahren, die seither verstrichen sind, was im Grunde genommen einen längeren Zeitraum erfasst als die berühmt-berüchtigte Ära der Stagflation in den 1970er und den frühen 1980er Jahren. Die Kosten der Krise und der Nach-Krise sind viel höher als die der Stagflation Ära, mit viel steileren und längeren Rückgängen im Einkommen, der Beschäftigung und mit mehr sozialer und politischer Zerrüttung.

Was laut Krugman seltsam ist, dass die Globale Finanzkrise, während die Stagflation einen grossen Einfluss auf das wirtschaftliche Denken (sowohl auf der akademischen Ebene als auch auf konventionelle Weisheit unter den politischen Entscheidungsträgern) ausgeübt hat, viel weniger Einfluss hatte.


Globale Einkommensungleichheit: Was ist der Unterschied zwischen der absoluten und der relativen Ungleichheit, Graph: Miguel Nino-Zarazua, Laurence Roope and Finn Tarp in: voxeu: „Income inequality in a globalising world


Montag, 19. September 2016

Unternehmen, Wachstumsschwäche und neoliberale Angebotspolitik

The Economist hält es für ein gigantisches Problem, wie eine Gruppe von Unternehmen sich heute im Alltag im Herzen der Weltwirtschaft immer fester verankert.

Die Superstars sind in vielerlei Hinsicht bewundernswert; sie produzieren Produkte, die das Leben der Verbraucher erleichtern und verbessern, von Smartphones bis zu den schärferen Fernsehern.

Es gibt aber zwei Störstellen, so der Sonderbericht weiter: Mit dem Aufstieg von kolossalen Unternehmen wird der Wettbewerb gedrückt und die Unternehmen von gewaltigem Ausmass verwenden dabei „die dunkleren Künste des Managements“, um weiterhin an der Macht zu bleiben. Das ist nicht leicht zu lösen. Aber nichts zu tun, bedeutet mehr Risiken für die Menschen.

Die Welt braucht eine gesunde Dosis von Konkurrenz: Während die Superstar-Unternehmen weltweit gefeiert werden, gilt es, darauf zu achten, dass sie mit beiden Füssen fest auf der Erde stehen, so das Fazit von The Economist. Die politischen Entscheidungsträger sind herausgefordert, insbesondere das anti-Kartell-Gesetz für das digitale Zeitalter neu zu erfinden.

Einen Tag vor dem Erscheinen des oben zitierten Artikels wurde in Makroskop zum selben Thema ein viel interessanter Blogeintrag, der ergänzend dazu unbedingt gelesen werden muss, gepostet.

Heiner Flassbeck geht es v.a. um die veränderte Rolle der Unternehmen aus mikroökonomischer Sicht mit makroökonomischen Folgen.



Finanzierungssalden der Wirtschaftssektoren im Euroraum, Graph: Heiner Flassbeck in Makroskop

Unternehmen und private Haushalte sparen netto, nur die öffentliche Hand gibt Geld aus und das Ausland kauft dem Euroraum Güter und Dienstleistungen ab.

Freitag, 16. September 2016

Der jüngste Anstieg der Renditen am Anleihemarkt

Trotz der Bemühungen der BoJ und EZB durch umfangreiche Anleihekaufprogramme, das Wirtschaftswachstum zu animieren und Inflation anzuheizen, gab es im Allgemeinen Bedenken im ganzen Sommer lang über das Ausmass der Rally am Bond-Markt. Obendrauf wurden von einigen Fed-Gouverneuren in diversen öffentlichen Auftritten Signale gesendet, wonach die Fed demnächst die Zinsen erhöhen müsste.

So kam es vergangene Woche zu einem Dammbruch am Markt für festverzinsliche Papiere. Die Anleihepreise sind abgestürzt und die Renditen sind (vice versa) gestiegen. Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist nach 1 ½ Monaten wieder über die Null-Marke hinausgeklettert.

Der Wert der Anleihen, die mit Negativ-Rendite gehandelt werden, ist inzwischen nach Angaben von Tradeweb auf 12,6 Mrd. USD zurückgeschrumpft, wie FT berichtet.

Auch der Wert der Unternehmensanleihen am europäischen Markt (EUR denominated corporate bonds) hat sich unterdessen von 916 Mio. USD am 6. September auf 731 Mio. USD verkleinert.


Die meisten Zentralbanken unterbieten das eigene Inflationsziel seit mehreren Jahren, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 14. September 2016

Geldpolitik im Übergang und öffentliche Investitionen


Die Geldpolitik ist die einzige Möglichkeit („the only game in town“), sagt eine Vielzahl der Mainstream-Ökonomen bei jeder Gelegenheit, wie es in den Medien öfters zitiert wird.

Die Zentralbanken in den fortentwickelten Volkswirtschaften haben seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 in der Tat eine Reihe von unkonventionellen und unpopulären Massnahmen ergriffen, um die Nachfrage zu stützen und die Wirtschaft anzukurbeln. Aussergewöhnliche Umstände erfordern aussergewöhnliche Schritte.

Die auffälligsten Symptome der gegenwärtigen Situation der Weltwirtschaft sind die Niedrigzinsen. Der seit rund 20 Jahren anhaltende Trend ist allerdings auf den Rückgang der realen Zinsen und der Inflationserwartungen zurückzuführen.  Das ist natürlich zum wesentlichen Teil das Ergebnis der (deflationären) Geldpolitik.

Nun ist es nicht schwer, festzuhalten, dass die Geldpolitik die Realzinsen über die lange Frist nicht bestimmen kann, auch wenn sie kurzfristig die nominalen Zinsen festlegt.

Der starke Rückgang des geschätzten natürlichen Realzinses und die Analyse der dahinter liegenden Faktoren legen nahe, dass wir wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum mit extrem niedrigen Zinsen zu leben haben, schreibt Martin Wolf in seiner Kolumne bei FT am Dienstag.



Der Verfall des geschätzten natürlichen (neutralen) Zinssatzes im Vergleich, Graph: Martin Wolf, FT

Dienstag, 13. September 2016

US-Geldpolitik: Lael Brainard sagt Vorsicht


Die Fed will die Zinsen erhöhen. Die Fed will die Zinsen nicht erhöhen. Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt wie’s ist. 

Etwa so werden die Äusserungen der verschiedenen Fed-Gouverneure seit Jahresbeginn interpretiert, angedeutet und ausgelegt, ob der nächste Schritt der US-Notenbank eine Zinserhöhung wird oder nicht.

Nun hat Fed Gouverneurin Lael Brainard in einem beachtenswerten Referat („The New Normal und What it Means for Monetary Policy“) am Montag Vorsicht in Bezug auf eine Straffung der Geldpolitik empfohlen.

Die im FOMC stimmberechtigte Notenbankerin hat damit die Erwartung gestützt, dass eine Zinserhöhung durch die Fed im September unwahrscheinlich ist.

Die Warnung vor einer zu frühen Straffung der Geldpolitik hat u.a. dazu beigetragen, dass die Laufzeitprämie (term premium) am Markt für US-Staatsanleihen gesunken ist.

Frau Brainard hat im Wesentlichen auf fünf Aspekte hingewiesen, um zu zeigen, warum Vorsicht (prudence) geboten ist:



Das implizite secular stagnation-Szenario verhärtet sich mit den tiefen und anhaltenden Rezessionen und geldpolitisch einer zögerlich handelnden Fed, Graph: Morgan Stanley

Die Märkte preisen vor diesem Hintergrund einen fallenden langfristigen neutralen nominalen Fed Funds Rate ein: mittlerweile unter 1,5%.

Montag, 12. September 2016

Anleihen treiben globale Risikopapiere


Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit hat am Freitag ins Plus gedreht. Damit liegt die Rendite erstmals seit Mitte Juli wieder im positiven Bereich.

Der Auslöser war wahrscheinlich der Standpunkt der EZB auf der Pressekonferenz am Donnerstag, die geldpolitische Lockerung vorerst nicht weiter voranzutreiben. Auch die Fed hat am Freitag angedeutet, die Zinsen früher als bislang erwartet anzuheben.

Nach dem Einbruch an der Wall Street am Freitag fallen nun am Montag die Aktienkurse auch an den meisten Börsenplätzen Europas.

Die Entwicklung zeigt im Grunde genommen, dass ein vorbeugender Ansatz der Geldpolitik zu viele Risiken trägt, z.B. durch eine Verschlechterung der Wachstumsaussichten und durch einen Anstieg der Realzinsen, was möglicherweise das Potential hat, Druck auf den Preis der riskanten Anlagen (sprich: Aktien) zu setzen.



Die Rendite der deutschen Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit klettert wieder über die Null-Marke, nach 1 ½ Monaten, Graph: Bloomberg

Samstag, 10. September 2016

Policy-Mix und Inflation-linked Bonds

Die Wirtschaft steckt seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 in Stagnation. Die Produktionslücke bleibt geöffnet und die Inflation verläuft deutlich tiefer als der Zielwert der Zentralbanken. Es herrschen deflationäre Tendenzen.

Von der extra-lockeren Geldpolitik profitieren nicht nur die Anleihemärkte, sondern auch die Aktienmärkte.

Während die Niedrigzinsen die Bondmärkte stützen, kommen die Dividenden-Titel v.a. wegen des Transmission Mechanismus der (unkonventionellen Geldpolitik), d.h. Portfolio-Rebalancing (Wirkungskanal der QE-Politik) in den Genuss der Anleger.

Inzwischen pfeifen es aber die Spatzen von den Dächern, dass die Geldpolitik (in welcher Form auch immer) schon längst an ihre Grenzen gestossen ist.

Die öffentliche Debatte über die anhaltenden Negativ-Zinsen gibt endlich Anlass, über einen Policy-Mix nachzudenken. Das Thema der gleichzeitigen Durchführung verschiedener Massnahmen der Wirtschaftspolitik rückt damit immer weiter in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Der kombinierte Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik wurde zuletzt von Mario Draghi am Donnerstag auf der EZB-Pressekonferenz klar aufgefordert.



Performance der inflationsgeschützten Staatsanleihen im Überblick, Graph: FastFT

Freitag, 9. September 2016

Ungleichgewichte und Überschüsse im Übermass


Deutschland hat in der ersten Hälfte des Jahres 2016 einen höheren Überschuss im Haushalt vorgelegt als erwartet: EUR18.5bn. Die grösste Volkswirtschaft Europas verbucht damit einen Überschuss in Höhe von 1,2% des BIP.

Deutschlands Sparsamkeit und die wirtschaftlichen Probleme Europas sind aber via Handel und Kapitalströme eng verbunden. Mit dem Übergang des deutschen Haushalts von Minus ins Plus ist auch der deutsche Leistungsbilanzüberschuss durch die Decke geschossen. Heute beträgt das entsprechende Verhältnis zum BIP rund 9% im Jahr.

Der Zusammenhang zwischen dem Haushalt und der Leistungsbilanz mag auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar sein. Aber der IWF hat 2011 eine Reihe von Forschungsarbeit vorgestellt, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Haushaltskürzungen damit einhergehen, dass Investitionen fallen, Ersparnisse steigen und die Leistungsbilanz von Defizit in Richtung Überschuss wandert.

The Economist zitiert vor diesem Hintergrund das Paper von Ricardo Caballero, Emmanuel Farhi und Pierre-Olivier Gourinchas („On the global ZLB economy“).

Die Autoren unterstreichen, dass lockere Geldpolitik (monetary expansion) in einem Überschussland nahe Nullzins-Grenze (zero lower bound) das Risiko trägt, die Liquiditätsfalle ins Ausland zu „exportieren“ und damit andere Länder in die „eigene“ Liquiditätsfalle zu ziehen. Expansive Fiskalpolitik hingegen würde weltweit positive Übertragungseffekte (spillover) auslösen, wie Brad Setser in seinem Blog erläutert.



Deutschlands Haushalt und Leistungsbilanz: Überschuss im Übermass, Graph: The Economist

Mittwoch, 7. September 2016

Brexit und danach: Erwartungen und Wunschdenken


Brexit ist ohne Zweifel eine tragische Entwicklung. Was aber die Folgen betrifft, da scheiden sich die Geister.

Paul Krugman beispielsweise hat in seinem Blog von Anfang an auf die Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Konsequenzen hingewiesen. Sein Standpunkt hat sich v.a. auf das in den Medien öfters wiedergegebene Argument über die „Unsicherheit“, die angeblich negative Auswirkungen auf die Wirtschaft entfalte, bezogen.

Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor hat gesagt, dass er damit einverstanden sei, dass mit dem Brexit Unsicherheiten wachsen und längerfristig auf der Angebotsseite der britischen Wirtschaft mit Schaden gerechnet werden muss.

Das alles sei aber nicht ausreichend, davon auszugehen, dass eine Rezession bevorstünde. Rezessionen sind nämlich das Ergebnis von fallender Nachfrage, nicht von höheren Handels-, Investitionen- und Migrationsbarrieren, die in Grossbritannien später tatsächlich kommen könnten.

Wer jedoch behaupte, das ist in der Tat eine überwältigende Mehrheit von Ökonomen, dass auch kurzfristig negative Auswirkungen zu erwarten seien, liege falsch. Man braucht nicht um den heissen Brei herum zu reden, um festzuhalten, dass solche Vorhersagen mit der Standard Makroökonomie nicht im Einklang stehen.



Die „politische Unsicherheit“ steht auf Rekordhoch, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 6. September 2016

BoJ und längerfristige Anleihen

Die Renditen der längerfristigen Staatsanleihen (JGB) Japans sind in den letzten Tagen spürbar gestiegen. Das heisst, dass die Investoren JGBs verkaufen. Und damit fallen die Preise der Wertpapiere.

Die Rendite der japanischen Staatspapiere mit 10 Jahren Laufzeit hat beispielsweise gestern Morgen mit minus 0,02% den höchsten Wert seit sechs Monaten verbucht.

Und der Anstieg der längerfristigen Renditen prägt die Ertragskurve steiler. Zur Erinnerung: Die Ertragskurve (yield curve) hatte sich im Juni besonders stark verflacht, sodass sich die Rendite-Differenz (spread) zwischen 2- und 40-jährigen Staatspapieren nach Angaben von Morgan Stanley auf den niedrigsten Wert seit Februar 2008 verkleinert hatte.

Was geht hier ab? Kuroda, BoJ-Präsident hat gesagt, dass die BoJ am lockeren Kurs der Geldpolitik festhalten will, bis die Zielinflationsrate von 2% erreicht werde. Das ist aber im Grunde genommen nichts Neues.

Was hingegen auffällt, ist die jüngste Berichterstattung der japanischen Banken: Die Gewinnmarge im Kreditgeschäft sei im zweiten Quartal auf 1% zurückgefallen, wobei der nachdrückliche Hinweis nicht irrelevant ist: Die sich verschlechternde Fristentransformation (term transformation). 

Banken wollen das Geld kurzfristig möglichst günstig aufnehmen und langfristig zu einem höheren Zinssatz weiter verleihen, um damit die Differenz als Profit einzustreichen.



Japan: Kerninflation, Graph: FT

Sonntag, 4. September 2016

Bargeldabschaffung statt Policy Mix


Es gab diese Woche ein paar interessante Artikel zum Thema Bargeld-Abschaffung.

Narayana Kocherlakota ist beispielsweise ein Befürworter. Der ehemalige Fed-Präsident von Minneapolis (2009 bis 2015) vertritt in seiner Kolumne bei Bloomberg View eine etwas eigensinnige Meinung: Wenn Sie freie Märkte wollen, schaffen das Bargeld ab.

Wenn die Nachfrage nach sicheren Anlagen stark genug ist, können die Realzinsen tief ins Negative fallen. Es gibt jedoch zwei staatlich kontrollierte Mechanismen, die verhindern, dass die Realzinsen zu weit in den negativen Bereich gehen, argumentiert der an der University of Rochester lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.

Der erste ist Bargeld, weil die Menschen Bargeld horten würden, um Negativzinsen nicht akzeptieren zu müssen. Der zweite ist das Versprechen der Zentralbanken, die Inflation niedrig und stabil zu halten. Der Zielwert beträgt in den meisten fortentwickelten Volkswirtschaften rund 2 Prozent. Aus diesem Grund haben die Menschen weniger Anlass, eine Finanzanlage, die weniger als minus 2% Ertrag abwirft, zu halten; vielleicht 3%, weil das Bargeld sperrig und schwer zu lagern ist.

M.a.W. legt der Staat durch Cash-Ausgabe und Inflationssteuerung eine Untergrenze fest, wie tief die Zinsen fallen und wie hoch die Vermögenswerte steigen können. Das sei kein Freimarkt, so Kocherlakota im Grossen und Ganzen.

Die öffentliche Hand verursache damit Ineffizienz. Weil, wenn verhindert werde, dass die zukünftigen Preise nach Gütern und Dienstleistungen steigen, werde die Nachfrage nach gegenwärtigen Gütern und Dienstleistungen eingeschränkt. Die Nachfrageschwäche veranlasse Unternehmen, weniger Arbeitnehmer einzustellen und weniger in neue Technologien zu investieren, womit Überkapazitäten entstehen und die Produktivität niedrig bleibe.



Kassenbestand von US-Unternehmen, Graph: FT, Aug 25, 2016

Freitag, 2. September 2016

Neutral Real Rate Down

Christine Lagarde schreibt im IMF-Blog (iMFdirect), dass kraftvolle Massnahmen nötig sind, um eine Wachstumsfalle (low-growth trap) zu vermeiden.

Die geschäftsführende Direktorin des IWF betont zwar die Notwendigkeit, die Nachfrage zu stützen. Aber sie bekräftigt im gleichen Atemzug ihre längst bekannte Forderung nach Strukturreformen: Das Wundermittel (snake oil) der internationalen Eliten zur Lösung aller Probleme.

Das ist bei allem Respekt einfach langweilig. Die europäische Wirtschaft steckt aus einer Makroperspektive in einer Depression.

Die EZB unterbietet die Zielinflationsrate seit mehr als drei Jahren, weil es aufgrund einer deflationären Wirtschaftspolitik an Nachfrage mangelt, während die einseitig getragenen Anpassungskosten (internal devaluation an der Peripherie) zur Überwindung der Ungleichgewichte (ausgelöst durch Handelsbilanz-Ungleichgewichte; Stichwort: Merkantilismus) im Euro-Raum die Situation weiter verschlimmern.

Lagarde spricht zwar latent von der Gefahr von secular stagnation. Aber eine fiskalische Expansion kommt aus Ihrer Sicht nicht in Frage. Und sie hüllt sich auch darüber in Schweigen, wie die von den Gläubiger-Ländern (mit Leistungsbilanzüberschuss) verfolgte Politik der Haushaltskonsolidierung in einem schwer angeschlagenen Umfeld der europäischen Wirtschaft die Nachfrage im Euro-Raum zusätzlich beeinträchtigt.



Tatsächliche Inflation und die Zielinflation der EZB im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 1. September 2016

Was Europa nach dem „Brexit“ braucht

Vor rund zwei Monaten wurde ein offener Brief von einer Reihe von renommierten Ökonomen (Barry Eichengreen, Olivier Blanchard, Paul De Grauwe, Peter Bofinger u.a.) veröffentlicht. 

Die Unterzeichner der bei voxeu verfassten Erklärung stellen Überlegungen darüber an, was getan werden soll, um die EU nach dem Brexit-Referendum stabiler zu gestalten.

Die Argumentation der Autoren hat allerdings keine besondere Resonanz gefunden. Brad DeLong beispielsweise gefällt die öffentliche Erklärung überhaupt nicht.

Auch Paul Krugman betrachtet die Übereinstimmung in seinem Blog als unverständlich. Die Initiatoren fordern u.a. Liquiditätsunterstützung, wo ein Schuldenerlass angebracht wäre. 

Eine gemeinsame Einlagensicherung in der EWU wird nicht einmal erwähnt. Es wird zwar auf die Möglichkeit von secular stagnation verwiesen. Aber in Sachen fiscal stimulus füllen sich die Autoren in Schweigen. Und natürlich bleibt das Manifest nicht ohne die Aufforderung des universellen Elixiers der Eliten: Strukturreformen.



Die Rendite der deutschen und japanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FastFT