Mittwoch, 31. Juli 2013

Eine blutrünstige Schlacht um das Gold

Greg Mankiw hat am Wochenende in einem interessanten Artikel („Budging just a little on investiong in gold“) in NYTimes eine Lanze fürs Gold gebrochen.

Der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor befasst sich argumentativ mit der Frage eines seiner Kollegen, ob Gold in ein Portfolio gehört oder nicht? Nach einer langen Darlegung bemerkt Mankiw, dass er seine anfängliche Abneigung gegen Gold aufgibt und eine Gewichtung von 2% in einem weltweit orientierten Portfolio befürwortet. Ein kleines Stück mache als Teil einer langfristigen Anlagestrategie Sinn. Es seien schliesslich verschiedene börsengehandelte Fonds  (ETF) vorhanden, die in Gold investieren und mit geringen Kosten gehandelt werden können, so Mankiw.

In einer Antwort darauf schreibt John Cochrane in seinem Blog, dass Mankiw die falsche Frage stellt: Die Frage ist nicht, wie viel Gold ich halte, gemäss Varianz-Analyse, in der Annahme, dass ich schlauer bin als alle anderen, sondern die Frage hätte lauten sollen, um wie viel mehr oder weniger als der Marktdurchschnitt ich Gold halten soll? Und was unterscheidet mich von den anderen, so zu handeln? Gold macht einen winzigen Bruchteil des globalen Reichtums aus. So sollte es höchtens einen winzigen Bruchteil eines Portfolios ausmachen, hält der an der University of Chicago lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Die Frage ist im Grunde genommen, was das Gold sich auszahlt. Cochrane liefert dazu eine mögliche Antwort: wenn es zu verhängnisvollen sozialen Unruhen kommt, und das gesamte Finanz- und Währungssystem zerstört wird.

Dienstag, 30. Juli 2013

Phantom Inflation

Inflation ist schlimm. Was aber noch schlimmer ist, wenn die Inflation fehlt. Das hört sich vielleicht wie ein Witz an, ist es aber nicht. Denn es ist der aktuelle Standpunkt der Inflationistas: Phantom Inflation.“Es gibt Inflation. Aber wir sehen sie nicht“. Etwa so lautet das prominente Argument, vertreten durch Peter Schiff, den amerikanischen nervensägenden Wirtschaftskommentator, Autor und Börsenmakler zur Zeit in den USA in politischen Diskussionen.

Wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, führen hohe Haushaltsdefizite nicht zu einem Anstieg der Zinsen. Selbst eine immense Ausweitung der Bilanzsumme der Notenbank durch den Ankauf von Staatsanleihen löst keine Inflation aus, weil die Kapazitäten im Angesicht der schwachen Nachfrage unterausgelastet (output gap) sind. Das ist die eine Seite, die ein Konzept à la Keynes an den Tag legt und seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 mit Vorhersagen recht gehabt hat.

Die andere Seite hingegen hält daran fest, dass wir nicht Japan sind, aber demnächst Weimar Verhältnisse erleben werden: Hohe Zinssätze und hohe Inflation stehen um die Ecke. Es mangelt nicht einmal an Verschwörungstheorien. Das amerikanische Arbeitsministerium (BLS) verfälsche die Inflationsdaten. Man brauche sich nur asset price inflation anzusehen. Es gibt aber so etwas wie Vermögenspreisinflation nicht, wie Noah Smith in seinem Blog elegant darlegt.

SNB macht Gewinn auf Fremdwährungspositionen

Gold verhält sich historisch gesehen im Vergleich zu anderen Finanzanlagen i.d.R. gegenläufig. Aber es ist gleichzeitig volatil und riskant. Das gelbe Metall wirft ausserdem keine Zinsen oder keine Dividenden ab. Ist Gold aber aus Anlagegründen trotzdem eine gute Diversifikation der Währungsreserven?

Der Zwischenbericht der Schweizerischen Nationalbank (SNB) könnte vielleicht einen Hinweis geben. Die SNB hat nämlich heute mitgeteilt, dass sie für das erste Halbjahr einen Verlust von 7,3 Mrd. CHF ausweist. Vor allem auf dem Goldbestand hat ein Bewertungsverlust von 13,2 Mrd. CHF resultiert. Die Interventionen der SNB am Devisenmarkt werden zwar besonders scharf kritisiert. Der Gewinn auf den Fremdwährungspositionen betrug aber für das erste Halbjahr 5,8 Mrd. CHF.

Es darf hervorgehoben werden, dass das Ergebnis der SNB überwiegend von der Entwicklung der Gold-, Devisen- und Kapitalmärkte abhängt. Der Anteil des Goldes an den Währungsreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) lag am Ende des ersten Quartals 2013 bei 10%.

Die SNB legt einen grossen Anteil der Devisenbestände in Staatsanleihen oder als Guthaben bei anderen Zentralbanken an. Am Ende des zweiten Quartals 2013 belief sich der Anteil der Staatsanleihen auf 78% (im Vorquartal 78%). Der Anteil der anderen Anleihen betrug 7%. Rund 71% der Anlagen haben ein AAA-Rating. Anlagen mit AA-Rating machen rund 23% aus.




SNB - Währungsallokation der Devisenreserven seit 1997, Graph: SNB in: Foreign Currency Investments per end of Q2 2013

Montag, 29. Juli 2013

Bank of Israel lässt die Zinsen unverändert

Die Bank of Israel (BoI) hat heute mitgeteilt, den Leitzins für den Monat August bei 1,25% unverändert zu lassen.

Die Entscheidung steht im Einklang mit derZinspolitik der BoI, die dazu bestimmt ist, die Inflationsrate innerhalb der Preisstabilität von 1%-3% in den nächsten 12 Monaten zu verankern und das Wirtschaftswachstum zu fördern, während die finanzielle Stabilität aufrechterhalten werden soll.

Der Pfad des Zinssatzes in Zukunft hängt von den Entwicklungen der Inflation, des Wirtschaftswachstums in Israel und der globalen Wirtschaft, der Geldpolitik der grossen Notenbank und den Entwicklungen des Wechselkurses von Schekel ab.

Der Konsumentenpreisindex (CPI) ist in Israel im Juni um 0,8% gestiegen. Auf Jahresbasis beläuft sich die Inflation auf 2,0%. Die Inflationserwartungen befinden sich zur Zeit unterhalb des Mittelpunkts des Zielbereichs.

Die Indikatoren, die in den vergangenen Monaten verfügbar waren, deuten auf ein moderates Wirtschaftswachstum hin. Die BoI geht davon aus, dass die Zentralbanken in den grossen Volkswirtschaften die expansive Geldpolitik weiterhin fortsetzen.



Israel - feste Zinssätze versus Konsumentenpreisindex (CPI), Graph: Morgan Stanley

Zersiedlung und Chancengleichheit

Detroit ist ein Symbol des Verfalls der alten Wirtschaft. Atlanta hingegen verkörpert den Aufstieg von Sun Belt (Anm. d. Red. Sonnengürtel: Region der USA zwischen Florida und Südkalifornien), schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Stranded by Sprawl“) am Montag in NYTimes.

Doch in einem wichtigen Punkt sieht die boomende Atlanta genauso wie die pleite gegangene Detroit aus: es sind Orte, wo die Kinder der Armen grosse Schwierigkeiten haben, auf der Leiter der Wirtschaft zu klettern. In der Tat ist die soziale Mobilität in Atlanta sogar niedriger als in Detroit. Und sie ist in beiden Städten niedriger als z.B. in Boston oder San Francisco, auch wenn diese Städte deutlich langsamer gewachsen sind als Atlanta, beschreibt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008).

Was ist also los mit Atlanta? Eine neue Studie („The Equality of Opportunity Project“) deutet darauf hin, dass die Stadt zu „unstrukturiert gewachsen“ (spread-out) ist. Atlanta ist der „Sultan von Sprawl“ (Zersiedlung), viel mehr ausgebreitet als andere grosse Städte von Sun Belt. Damit ist ein wirksames öffentliches Verkehrsnetz fast unmöglich zu bewerkstelligen. Als Ergebnis finden sich benachteiligte Arbeitnehmer oft verlassen und hilflos. Es mag irgendwo möglicherweise Jobs geben. Aber sie können dorthin buchstäblich nicht gelangen, legt Krugman dar.

Die scheinbar inverse Beziehung zwischen Zersiedlung und der sozialen Mobilität verstärkt offensichtlich den Fall für ein „intelligentes Wachstum“ in urbanen Strategien. Aber es trägt auch eine lang anhaltende grosse Debatte darüber, was mit der amerikanischen Gesellschaft geschieht. Ja, er sei nicht die einzige Person, die die neue Studie liest und sofort an „William Julius Wilson“ denkt, so Krugman.



Zersiedlung versus soziale Mobilität, Graph: Prof. Paul Krugman

Samstag, 27. Juli 2013

Formen der unkonventionellen Geldpolitik

Wenn die kurzfristigen Zinsen nahe null (zero lower bound) liegen, sind weitere Zinssenkungen nicht mehr möglich. Die Geldpolitik verliert dann an Wirksamkeit. Es gibt aber Instrumente, die helfen, die expansive Geldpolitik weiter aufrechtzuerhalten. Es handelt sich dabei um unkonventionelle Massnahmen, die i.d.R. in drei Formen zum Erscheinen treten, wie Thomas Jordan, SNB-Präsident in einem Referat („Geldpolitik in der Finanzkrise“) vor rund einem Jahr in Zürich festgehalten hat.

(1) Forward Guidance: Darunter versteht man die Ankündigung einer Zentralbank, die kurzfristigen Zinsen für einen bestimmten Zeitraum tief zu halten. 

(2) QE: Das heisst die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) und 

(3) Interventionen am Devisenmarkt.

Die Forward Guidance wird heute v.a. durch die US-Notenbank (Fed) umgesetzt. Seit rund zwei Wochen praktizieren aber auch die EZB und die Bank of England (BoE) das Instrument der expliziten Angabe zur Entwicklung der kurzfristigen Zinssätze. Mit Forward Guidance teilten Notenbanken explizit mit, auf welche Dauer sie mit unveränderten Zinsen rechnen, wie Jordan erläutert.

Mit QE versuchen die Notenbanken, die Wirtschaft anzukurbeln, indem sie Liquidität weiter erhöhen, um die langfristigen Zinsen zu senken. Die QE ist i.d.R. damit verbunden, dass die Notenbank Wertpapiere am offenen Markt kauft. Es handelt sich dabei um US-Staatsanleihen und die von den Regierungsagenturen ausgegebene Anleihen, die mit Hypotheken besichert sind. Aber auch die BoE und die Bank of Japan (BoJ) greifen auf die QE zurück.

Interventionen am Devisenmarkt sind eine weitere Form der QE-Politik. Vor allem hat die SNB in den vergangenen drei Jahren davon ausgiebig Gebrauch gemacht. Aber auch die BoJ hat in den 1990er Jahren zu diesem Instrument gegriffen. Die SNB hat dieses Instrument der QE um einen Schritt weiter verlängert und im September 2011 einen Mindestkurs von 1,20 CHF per EUR festgelegt. Das Ziel ist, eine lang anhaltende Überbewertung des Frankens zu verhindern, zumal die Schweizer Landeswährung weiterhin hoch bewertet gilt.

Wird unkonventionelle Geldpolitik jetzt konventionell?

Die Geldpolitik, die die modernen Zentralbanken in den letzten Jahren zur Bekämpfung der Finanzkrise verfolgen, nennt sich unkonventionell: Quantitative Easing (QE), d.h. die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik. Die an die Zentralbanken gestellten Erwartungen sind im Sog der Finanzkrise stark gestiegen.
Vor fünf Jahren hatte fast niemand von QE was gehört, schreibt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Artikel („Quantitative Easing: The new moneatary ideology“) in The Economist. Es ist die grosse neue Entdeckung in der makroökonomischen Politik, bemerkt der Professor Emeritus of Policital Economy an der Warwick University in Grossbritannien.

Die QE wird zur Stabilisierung des Finanzsystems und zur Milderung der Rezession eingesetzt. Die Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbanken hat sich von einer Notmassnahme zu einem dauerhaften Instrument entwickelt, hält der Autor der Keynes Biographie fest. Die Frage, die nun aufgeworfen wird, lautet, ob die Zentralbanken in Zukunft die unkonventionelle Geldpolitik als konventionell wahrnehmen werden.

Die neue Begeisterung für unkonventionelle Geldpolitik ist umso bemerkenswerter, als niemand ganz sicher versteht, wie die QE genau funktioniert. Es gibt mehrere Mechanismen für die geldpolitische Transmission von Geld bis zu den Preisen (oder dem nominalen Einkommen), v.a. aber die Kreditvergabe durch die Banken und durch das Portfolio-Rebalancing. Alle wurden ausgiebig getestet, mit uneindeutigen Ergebnissen, unterstreicht Skidesky.

Freitag, 26. Juli 2013

Chinas Wachstumsstory ohne Happy Ending?

China verabschiedet sich vom durchschnittlichen Wachstum von 10% in den vergangenen zehn Jahren. Steht die chinesische Wirtschaft aber nun vor einem Soft- oder sogar Hard-Landing? Die Frage kann im Grunde genommen auch einfacher gestellt werden: Wie wird sich die Verlangsamung des Wachstums auf die globalen Märkte auswirken?

Die chinesische Wirtschaft war bislang von der externen Nachfrage und den enormen Investitionen im öffentlichen Sektor getragen. China spürt jetzt die schwache Nachfrage aus dem Ausland. Und es kürzt gleichzeitig die Investitionen im Inland (v.a. duch die Straffung der Rahmenbedingungen im Kreditwesen) radikal. Das Schattenbankensystem darf dabei natürlich nicht vergessen werden, wo der übermässige Fremdkapitaleinsatz wirtschaftliche Verwerfungen verursacht, wie Michael Spence in einem Artikel („China’s End of Exuberance“) in Project Syndicate unterstreicht.

Fest steht, dass Alarmglocken läuten. Der jüngste Anstieg der Zinssätze für Interbankengeschäfte deuten möglicherweise auf eine gewisse finanzielle Fragilität hin, bemerkt James Hamilton in seinem Blog. Der an der University of California, San Diego lehrende Wirtschaftsprofessor hebt v.a. die finanziellen Verflechtungen hervor. Wenn es wesentliche Störungen im chinesischen System für die Finanzierung von Krediten gibt, dann könnte es Auswirkungen für die Kreditvergabe und Kreditaufnahme von chinesischen Unternehmen geben.

 


China Wirtschaftswachstum, Graph: Morgan Stanley in: „China Deleveraging: A Bumpy Ride Ahead“, July 2013

Donnerstag, 25. Juli 2013

Warum die Inflation in den USA so niedrig ist

Martin Feldstein erklärt in einem wunderlichen Artikel („Why is US inflation so low?“) in Project Syndicate, warum die Inflation in den USA so niedrig ist, obwohl die Fed-Bilanz sich enorm ausgeweitet hat. Der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor begründet die historisch niedrige Inflation dadurch, dass die Fed auf die Überschussreserven (excess reserves) der Geschäftsbanken einen Zins von 0,25% zahlt.

Ohne Mühe holt Noah Smith in seinem Blog das argumentative Gerüst von Feldstein herunter: Japan hat eine massive QE-Politik (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) umgesetzt, ohne die Überschussreserven der Banken bei der Bank of Japan (BoJ) zu verzinsen (2001 bis 2008). Japan hat keine Inflation. Es versucht, seit 10 Jahren die Deflation zu überwinden.

Liegen die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound), führt der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) nicht zu einem Anstieg der Inflation. Man muss nicht weit ausholen, um den Mechanismus, der dahinter steht, zu verstehen. Ein einfaches IS-LM-Modell oder ein New Keynesian Analyse schaffen locker eine Abhilfe.

Warum redet die EZB so gern über die Fiskalpolitik?

Ben Bernanke hat vergangene Woche bei der Vorlage seines Rechenschaftsberichts (Semiannual Monetary Policy Report) vor dem US-Repräsentantenhaus u.a. darauf hingewiesen, dass die restriktive Fiskalpolitik auf dem Wirtschaftswachstum laste, und zwar mehr als derzeit erwartet.

Die Debatte über andere fiskalpolitsche Fragen wie z.B. Schuldengrenze (debt ceiling) könnte die wirtschaftliche Erholung verhindern, hält US-Notenbankpräsident fest.

Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, wie viel die Notenbanker sich über die Fiskalpolitik äussern sollen. Eine Antwort lautet: überhaupt nicht. Da fiskalpolitische Massnahmen Auswirkungen auf die Geldpolitik entfalten können, ist es schwierig, sich lange in Schweigen zu hüllen. Warum sollen im Übrigen wichtige Informationen der Öffentlichkeit vorenthalten werden?

Es liegt auf der Hand, dass die Austeritätspolitik, wenn die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound) liegen, die Arbeit der Geldpolitik erschweren, wie Simon Wren-Lewis in seinem Blog hervorhebt.  Wenn ein Notenbanker dies vor der Öffentlichkeit klar darstellt, kann er sich davor schützen, wenn später etwas schief geht, Vorwürfen ausgesetzt zu werden.

Es sollte also kein Tabu für die Zentralbanker geben, über die Fiskalpolitik zu reden, wenn ihre Fähigkeit, die Arbeit zu tun, beeinträchtigt wird, wie der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht.



Kommunikation über die Fiskalpolitik, Graph: ECB in: “Central Bank Communication on Fiscal Policy”, Working Paper Series N0 1477, Sept 2012

Widersinnige Analyse der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik

Es sind v.a. die Anhänger der neoklassischen Schule, die den Einsatz der unkonventionellen Geldpolitik durch die Notenbanken in den fortentwickelten Volkswirtschaften scharf kritisieren.

Im Angesicht der schwer angeschlagenen Wirtschaft stellen die Notenbanken mit der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) Liquidität zur Verfügung. Da der Interbankenmarkt, wo die Banken sich mit liquiden Mitteln versorgen,  in Folge der Finanzkrise von 2008 nicht mehr ganz funktioniert, agieren die Zentralbanken als Vermittler zwischen Banken. Auch der Geldmarkt funktioniert aus demselben Grund  nicht, weil die Banken eben aneinander nicht vertrauen.

Aufgrund des starken Anstiegs der Notenbankgeldmenge (monetary base) argumentieren die Verfechter der Austerität (Austrian School of Economics), dass die Inflation durch die Decke schiessen wird. Die Behauptung hören wir mittlerweile seit fast vier Jahren aufs neue nochmals und nochmals. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Inflation geht überall auf der Welt zurück. Ein weiteres Argument lautet dann, dass die QE-Policy zu einer Überhitzung der Wirtschaft in den sog. Schwellenländern geführt hat.

Die Austerians sägen eigentlich an dem Ast, auf dem sie sitzen. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik hängt es nämlich an die grosse Glocke, dass die Unternehmen anfangen zu investieren, sobald ihnen genug Geld zur Verfügung gestellt werde. Die Unternehmen sitzen aber heute auf dem historisch höchsten Niveau an Barbeständen.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Nicht Inflation, sondern Deflation ist die Gefahr

Die Fed folgt dem Konzept der Kerninflationsrate (core inflation) und beobachtet daher insbesondere die Entwicklung von Core PCE, wo die Preise für Lebensmittel und Energiesektor ausgeschlossen werden. Die Kerninflation gemessen an Core PCE beläuft sich derzeit auf nur 1,1% und deutet damit auf Deflation hin.

Die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der US-Notenbank sind wegen der Unbeständigkeit der Inflation besorgt und dürften demnächst, falls die Inflation nicht anziehen sollte, die aktuellen Anzeichen in ihren Überlegungen mitberücksichtigen, berichtet FT in einem lesenswerten Artikel („Inflation stays low and raises concerns for central bankers“) heute.

Auch Paul Krugman befasst sich heute in seinem Blog mit dem Thema „niedrige Inflation“. Auch wenn die Fed gerade versucht, die Great Recession zu bekämpfen, gibt es viel Lärm um die Inflation. Das Gerede betrifft zum Teil sogar Hyperinflation.

Die Leute, die wegen des starken Anstiegs der Notenbankgeldmenge (monetary base) vorausgesagt hatten, dass die Inflation durch die Decke schiessen würde, treten aber keinen Schritt zurück. Woran liegt es? Abgesehen von der ideologischen Tendenz hat es damit zu tun, dass die Ökonomen gern über galoppierende Inflation reden, argumentiert Krugman, weil es einfach ist, zu erklären: wenn man die Druckmachine betätigt, um das Haushaltsdefizit zu decken, dann hat man Inflation. Punkt.

Die vorhergesagte hohe Inflation ist jedoch nicht nur in den USA ausgeblieben, sondern sie ist überall weitgehend verschwunden.




Dreistellige Inflationsraten (1980-2012), Graph: Prof. Paul Krugman

Dienstag, 23. Juli 2013

Austerität und Deflationsgefahr

Die EWU steckt in einer Krise. Das Problem kann nicht zufriedenstellend durch Deflation gelöst werden. Denn das würde Insolvenzen unter überschuldeten Haushalten und Unternehmen steigen lassen, schreibt Hans-Werner Sinn heute in einem Artikel („It is wrong to portray Germany as the euro winner“) in FT.

Durchwursteln ist die einzige Lösung. Deutschland muss mehr Inflation akzeptieren, während Südeuropa die Inflation reduzieren muss, um die Anpassung der relativen Preise zu realisieren. Dieser Prozess erfordert harsche Austeritätsmassnahmen, argumentiert der Präsident des ifo-Instituts.

Ist die Gefahr aber nicht gross, dass die Austerität zu Deflation führt? Doch. Hier ist die Abfolge des Geschehens.

Nach einer schweren (Finanz-) Krise bieten sich i.d.R. vier Wege an, um die Probleme anzugehen, wie Mark Blyth in seinem Buch Austerity darlegt: (1) Inflation: Da die EZB ein einziges Mandat der Preisstabilität hat, wird der Weg via Inflation nicht zugelassen. (2) Deflation: Anpassung der Löhne und der Preise nach unten, wie die Austrian Schule es propagiert. Da dadurch Arbeitslosigkeit steigt und Instabilität verstärkt wird, wird auch dieser Weg (zumindest nominell) abgelehnt.

Geldaggregate in der Schweiz im Sog der Euro-Krise

Die Geldmenge M3 ist in der Schweiz im Juni mit 11,6% stärker gewachsen als im Mai mit 9,7%. Das ist die höchste Wachstumsrate seit 1988. Das starke Wachstum der Geldaggregate (M1, M2 und M3) zeigt, wie die expansive Geldpolitik vonstatten geht. Die Geldaggregate erfassen die Geldmenge in den Händen der privaten Haushalte und Unternehmen.

Die aktuellen Daten im vergangenen Monat reflektieren auch die Vergabe einer Banklizenz an die Postfinance AG. Seit Juni fliessen nämlich auch die Spareinlagen bei der Postfinance in die Berechnung der weit definierten Geldaggregate, wie die ZKB in DMO berichtet.

Das beschleunigte Wachstum von M3 ist aber in erster Linie auf die Ausweitung der Notenbankgeldmenge (d.h. Notenumlauf + Giroguthaben der Banken bei der SNB) zurückzuführen.

Die SNB hat in den vergangenen Monaten Devisen am Markt gekauft, um den Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR durchzusetzen. Mit der starken Ausdehnung der Giroguthaben der Banken bei der SNB ist die Notenbankgeldmenge (monetary base) seit dem Ausbruch der Euro-Krise aussergewöhnlich kräftig gestiegen. Der stetige Anstieg der Geldaggregate widerspiegelt aber im Wesentlichen die historisch niedrigen Zinssätze. Aus dieser Entwicklung geht keine Gefahr für die Preisstabilität in der Schweiz aus.



Schweiz: Geldmengen, Graph: SNB in: Quartalsheft 2/2013

Preislücke zwischen WTI und Brent

Gestern Nachmittag stand der Preis von WTI (West Texas Intermediate) mit 108,54$ fast genau gleich wie der Preis von Brent mit 108,64$. Bereits am Freitag wurden WTI (ein leichtes, süssliches Rohöl aus den USA) und Brent (die wichtigste Rohölsorte in Europa) zum gleichen Preis gehandelt.

Das ist das erste Mal seit fast drei Jahren, bemerkt James Hamilton in seinem Blog dazu. Der an der University of California, San Diego lehrende Wirtschaftsprofessor warnt zugleich vor Erwartungen, dass die Situation anhalten würde.

Brent und WTI sind sehr ähnliche Produkte und werden historisch im Wesentlichen für den gleichen Preis verkauft. Aber die steigende Produktion aus Kanada und die zentralen Vereinigten Staaten haben die Kapazität für den Transport von Rohöl aus Cushing, Oklahoma, wo bestehende Pipelines das Öl tragen, überwältigt. Daraus hat sich ergeben, dass die US-Raffinerien an der Küste die hohen Weltmarktpreise für das importierte Rohöl zahlen ,weil sie nicht fähig sind, auf das Produkt in Cushing (ohne Zugang zum Meer) zuzugreifen.

Seit 2010 ist die Infrastruktur für den Transport und die Lieferung von Rohöl zu den US-Raffinerien auf Schiene und Binnenschiff enorm gewachsen. Dies hat zwar die Preisdifferenz (spread) zwischen Brent-WTI eingeengt, aber nicht ganz eliminieren können, da Pipelines ein wirtschaftlicher effizienter (und umweltfreundlicher) Weg für den Transport von Rohöl sind.
 


Preisdifferenz (spread) zwischen Brent und WTI, Graph: Prof. James Hamilton

Montag, 22. Juli 2013

Detroit: Der neue Fall Griechenland?

Die Autostadt Detroit hat in den USA Konkurs angemeldet.

Paul Krugman macht sich  in seiner lesenswerten Kolumne („Detroit, the New Greece“) am Montag in NYTimes Gedanken über die voraussichtlichen Auswirkungen auf den politischen Diskurs auf beiden Seiten des Atlantiks. Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor erwartet, dass einige Beobachter nun wieder gern überall Griechenland erkennen würden.

Worum geht es? Wenn man ein paar Jahre zurück denkt, versteht man, was Krugman damit meint. Griechenland war in der Tat ein besonderer Fall, nicht geeignet als irgendwelche Lehre für die breitere Wirtschaftspolitik. Dennoch wurde der politische Diskurs in der westlichen Welt für eine Weile völlig „hellenisiert“. Alles war Griechenland. Oder alles stand kurz davor, zu einem Fall wie Griechenland zu werden. Die intellektuell falsche Abzweigung hat laut Krugman viel Schaden im Hinblick auf die Erholung der Wirtschaft angerichtet.

Nun dürften die Defizit-Schimpfer sich auf den Plan gerufen fühlen. Der Insolvenzfall von Detroit hat nichts mit einer verschwenderischen  Haushaltspolitik zu tun. Detroit hatte laut Krugman (1) eine schlechte Regierungsführung, und (2) die ganze Stadt war einfach ein unschuldiges Opfer der Marktkräfte.

Der Insolvenzfall der Heimatstadt der amerikanischen Autoindustrie scheint durch politische und soziale Dysfunktion verschlimmert, argumentiert Krugman weiter.


„Rostgürtel“ (Rust Belt) Pittsburgh (blaue Kurve) versus Detroit (rote Kurve): Beschäftigte ausserhalb der Landwirtschaft (Rust Belt: die älteste und ehemals grösste Industrieregion der USA), Graph: Prof. Paul Krugman

Der getrimmte Mittelwert in der Schweiz ist wieder über Null

Der getrimmte Mittelwert (TM15) hat im Juni zum ersten Mal seit Ende 2011 einen Wert leicht über der Nullmarke verbucht: +0,1%.

Der knappe Anstieg über null hat wahrscheinlich damit zu tun, dass die jährliche Teuerung der Inlandskomponente der LIK (Landesindex der Konsumentenpreise) im Mai leicht angestiegen ist. Die LIK-Teuerung bleibt nach wie vor negativ.

Der TM15 schliesst jeden Monat die vom Verbraucherpreisindex erfassten Güter mit den extremsten Preisveränderungsrate aus: je 15% an beiden Enden der Verteilung.

Die von der SNB berechneten Kerninflationsraten zeigen dennoch einen historisch tiefen Inflationstrend an.



Schweiz: Kerninflation und TM15 (der getrimmte Mittelwert), Graph: ACEMAXX-ANALYTICS

Sonntag, 21. Juli 2013

Gibt es tatsächlich keine Liquiditätsfalle?

Wenn die nominalen Zinssätze nahe null liegen, bezeichnet man die Situation, in der sich eine Volkswirtschaft befindet, als Liquiditätsfalle. Denn wenn der Nominalzinssatz gegen die Nullgrenze (zero lower bound) geht, wird die Geldpolitik wirkungslos. Keynes zeigt in seiner Genaral Theory, dass geldpolitische Massnahmen, wenn Depression vorherrscht, nicht sehr wirksam sein können.

Joseph Gagnon schreibt aber in einem Beitrag im Blog von Peterson Institute, dass „wir weit entfernt von einer Liquiditätsfalle sind und es schwer vorstellbar ist, dass wir jemals in einer Liquiditätsfalle stecken“ würden.

„Die Liquiditätsfalle-Hypothese hat eine gewisse Gültigkeit, aber nur, wenn man die Definition der Geldpolitik willkürlich auf den Kauf von kurzfristigen risikolosen Anleihen beschränkt“, unterstreicht der Senior Fellow beim PIIE. Es gebe keinen wirtschaftlichen Grund für eine solche eingeschränkte Sicht der Geldpolitik.

Während die Geldpolitik aus Geld-drucken besteht, um Vermögenswerte zu kaufen, besteht die Fiskalpolitik aus Verkauf von Vermögenswerten, um Waren zu kaufen, durch Steuersenkungen oder Erhöhung von Transfers, legt Gagnon dar. Er ist gegen den Einsatz von Fiskalpolitik, um die Krise zu lösen.

Solange es Vermögenswerte gibt, deren Preis durch zusätzliche Nachfrage erhöht werden kann, bleibt die Geldpolitik wirksam und es gibt keine Liquditätsfalle, hebt der Ökonom weiter hervor. Seiner Meinung nach sollen die Zentralbanken auf eine breite Palette geldpolitischer Instrumente nicht verzichten, sondern neue Strategien für die Nutzung aller Werkzeuge entwickeln, um stabiles Wachstum bei niedriger Inflation aufrechtzuerhalten.

Ein China Schock

Das ganze Wirtschaftsmodell Chinas ist scheinbar an seine Grenzen gestossen, schrieb Paul Krugman am vergangenen Freitag in seiner lesenswerten Kolumne in NYTimes.

Das chinesische Modell steht kurz davor, gegen die Grosse Mauer zu fahren.  Chinas verbrauchsarme hohe Investitionen sehen wie eine Art Schneeballsystem (Ponzi scheme) aus, lautet die eine Methapher des an der University of Princeton lehrenden Wirtschaftsprofessors.

Unternehmen investieren wie verrückt, nicht, um Kapazitäten für Verbraucher aufzubauen, die ja nicht viel kaufen, sondern um die Käufer von Investitionsgütern zu versorgen. Im Grunde genommen investieren chinesische Unternehmen, um aus den künftigen Investitionen Vorteile zu ziehen, was im Endeffekt noch mehr Kapazitäten bedeutet. Die Antwort auf die Frage, ob es jemals endgültige Käufer für all das geben würde, was die Kapazität herstellen könnte, bleibt jedoch laut Krugman unklar. Es ist also wie ein Schneeballsystem. Und China scheint nicht zu wissen, wie das Wachstum gebremst werden kann. Marktwirtschaft ist wie ein Fahrrad: Bleibt sie stehen, kippt sie um, lautet die andere Methapher.

Nun stellt Krugman in seinem Blog weitere Überlegungen an, wie stark der Aufprall sein würde:

(1) Es gibt „mechanische“ Verknüpfungen via Exporte, welche überraschend klein sind.

(2) Die Rohstoffpresie, die eine grosse Rolle spielen könnten.

(3) Die politische und internationale Stabilität, die einige schwerwiegende Risiken beinhalten.

Samstag, 20. Juli 2013

Der relativ moderate Ausblick des FOMC

Hier ist eine interessante Abbildung, die die Erwartungen der einzelnen FOMC-Mitglieder der Fed im Hinblick auf den Leitzins (FFR: Fed Funds Rate) jeweils am Ende des Jahres zeigt.

Der Zinssatz, zu dem  die amerikanischen Bank Geld untereinander leihen, wird vom Fed Open Market Committee (FOMC) festgelegt. Wie es aussieht, schliesst die Mehrzahl der FOMC-Mitglieder bis Mitte 2015 keine Zinserhöhung ein. Die Schätzungen liegen in einem relative grossen Bereich von 0,25% bis 3,0%, aber im Durchschnitt von 1,34%.

Doch angesichts der Struktur des FOMC gehen die Analysten von Morgan Stanley davon aus, dass die extremen Werte abgezinst werden können. Daher ergibt sich daraus ein Median-Wert von 1,00%. Oder, wenn  man die extremen Werte jeweils oben und unten ausschliesst, bleibt ein Mittelwert von 1,14% übrig.



Die erwartete Fed Funds Rate durch die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der US-Notenbank (Fed), Graph: Morgan Stanley

The relative dovishness of the FOMC

Fed - unkonventionelle Geldpolitik mit zwei Instrumenten

Liegen die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound), verliert die konventionelle Geldpolitik an Zugkraft. Die Wirtschaft steckt in einer Liquiditätsfalle. Die private Nachfrage ist so schwach, dass die Ausgaben nicht dazu beitragen können, dass die Vollbeschäftigung wiederhergestellt wird. Da die Zinsen nicht unter die Null-Marke fallen können, horten die Investoren Cash.

Unter diesen Umständen greift die gewöhnliche Geldpolitik via Offenmarktgeschäfte zu kurz. Es findet kein trade-off zwischen Ertrag und Liquidität statt. Die Menschen behalten das Geld aus Liquditätsgründen zurück. Da die Zinsen nahe null Prozent liegen, gibt es ohnehin keine Kosten dafür, Liquidität zu halten.

Die Fed bemüht sich vor diesem Hintergrund, weiterhin eine akkommodierende Geldpolitik zu betreiben. Dafür setzt sie, wie Ben Bernanke vor zwei Tagen vor dem US-Repräsentantenhaush bei der Vorlage seines Rechenschaftsberichts (Semiannual Monetary Policy Report) erläutert hat, zwei Instrumente ein: (1) Ankauf von längerfristigen Staatsanleihen (US-Treasury) und Mortgage-Backed Securities (MBS), jeweils in Höhe von 40 Mrd. $ bzw. 45 Mrd. $ pro Monat. (2) „Forward Guidance“ über die Pläne des Ausschusses für die Geldpolitik (FOMC) in Bezug auf die Festlegung der Leitzinsen (Fed Funds Rate) auf mittlere Sicht.

Bernanke erklärt weiter, dass die beiden Werkzeuge irgendwie zwei unterschiedliche Rolle übernehmen. Mit dem Ankauf von Anleihen und die daraus resultierenden Erweiterung der Bilanzsumme der US-Notenbank wird in erster Linie die kurzfristige Dynamik der Wirtschaft gesteigert, mit dem spezifischen Ziel, eine wesentliche Verbesserung der Aussichten für den Arbeitsmarkt in einem Zusammenhang mit der Preisstabilität herbeizuführen.

Freitag, 19. Juli 2013

Chinas Wirtschaftsdaten: Ein Buch mit sieben Siegeln

Wirtschaftsdaten werden am besten als eine besonders langweilige Genre der Science-Fiction angesehen. Aber die chinesischen Daten sind noch fiktiver als die meisten, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Hitting China’s Wall“) am Freitag in NYTimes: Bedenkt man die schiere Grösse des Landes mit einer geheimnisvollen Regierung und einer kontrollierten Presse, erweist sich als schwierig, herauszufinden, war in China wirklich passiert, im Vergleich zu jeder anderen bedeutenden Volkswirtschaft auf der Welt.

Doch die Zeichen sind jetzt unverkennbar. China is in grossen Schwierigkeiten. Die Rede ist nicht von irgendeinem kleinen Rückschlag. Es ist viel mehr: etwas Fundamentales. Die ganze Art und Weise, wie das Land im ökonomischen System Geschäfte (unglaubliches Wachstum in drei Jahrzehnten) macht, hat auf seine Grenzen gestossen. Man könnte sagen, dass Chinas Modell sich gerade anschickt, gegen die Wand zu fahren. Und es ist nur die Frage dessen, wie schlimm der Absturz sein wird.

Krugman fährt dann mit den Daten fort, wie unzuverlässig sie auch sein mögen. Was sofort auffällt, ist das schiefe Gleichgewicht zwischen Konsum und Investitionen. Fast die Hälfte von BIP entfällt auf Investitionen. Wie ist das überhaupt möglich? Die Geschichte, die am meisten Sinn macht, beruht auf einer alten Einsicht des Ökonomen Arthur W. Lewis, erklärt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Interview: Prof. Mark Blyth, Brown University

Mark Blyth is a faculty fellow at the Institute, professor of international political economy in Brown’s Political Science Department and director of the University’s undergraduate programs in development studies and international relations.


Do you see any “austerity fatigue” right now in Europe? If so, what would be the consequences, political and economically?

There is more than fatigue in Europe. There is serious exhaustion. The policy of simultaneous contractions among multiple countries as a route to debt stabilization has been a disaster. It has generated 25 million unemployed above trend and it has destroyed between 20 and 30 percent of GDP in the Southern countries. The problem is that as GDP shrinks the same amount of debt gets bigger rather than smaller, which is why every country that has undergone an austerity diet now has more debt rather than less. It is self-defeating economically and dangerous politically.


Is it the notion of the “new normal” which retains the politicians and mainstream economist to realize that austerity has failed?

If the “new normal” is a permanent unemployment rate of 20 percent and the constant destruction of productive capacity, then the new normal will not be normal very long. At the end of the day you can’t run a gold standard type if monetary regime, which is what the Euro is in that no one can create the currency that they use and so deprived of inflation and devaluation as options the adjustment to shocks occurs entirely through wages and prices, in a democracy. Eventually someone will vote against it, and at that point the entire project can unravel.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Was treibt die Welthandelsströme?

Drei Ökonomen von der Federal Reserve Bank of Dallas befassen sich in einer aktuellen Forschungsarbeit („Economic Shocks Reverberate in World of Interconnected Trade Ties“) (h/t to Mark Thoma) mit der gegenwärtig anhaltenden Diskussion über sog. „Währungskriege“ und Ungleichgewichte im globalen Handel. Es geht v.a. um die Frage, was die Ausfuhren und die Einfuhren eines Landes antreibt.

Genauer gesagt geht es um die Frage, was die internationalen Handelsströme bestimmt? Studien der Leistungsbilanz betonen schon lange die Rolle des Wechselkurses für die Anpassung von übermässigen Leistungsbilanzüberschüssen und –Defiziten.

Im Zusammenhang mit globalen Ungleichgewichten gab es viele Anstrengungen, um das Ausmass der erforderlichen Währungsabwertung zu schätzen, wie das US-Handelsbilanzdefizit verringert wrid, welches vor dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 6% des BIP erreicht hat. Es ist laut Autoren wichtig, die Rolle der Nachfrage zu berücksichtigen, weil die Schwankungen der Nachfrage im Inland und Ausland relative Preisbewegungen ausgleichen können.

Basierend auf einem makroökonomischen Modell mit einer weltweiten Vektor-Autoregression (GVAR) der Handelsströme scheint es, dass die Exporte weltweit auf unerwartete Ereignisse oder Schocks, die auf die Produktion in den USA auswirken, vielmehr reagieren als auf ein vergleichbar ungeplantes Ereignis, welches den US-Dollar betrifft, halten die Ökonomen der Forschungsarbeit fest.



Global Exports in Reaktion auf Anstiege von Produktion in den USA, Graph: Dallas Fed, Economic Letter, Vol. 8, No. 6, July 2013

Chart of the day: Welthandel vs. Weltwirtschaftswachstum

Der Welthandel ist bislang historisch gesehen 1,5 bis 2 mal schneller gewachsen als die Weltwirtschaft.

Im vergangenen Jahr ist der Welthandel jedoch weniger (~2% vs. ~3%) gestiegen als das weltweite BIP, und zwar zum ersten Mal in einem nicht-rezessiven Jahr (2001, 2008 und 2009), wie Morgan Stanley in einer heute vorgelegten Forschungsarbeit berichtet.

Die Verlangsamung des Handels entfaltet u.a. auch auf die Luftfracht stark negative Auswirkungen.




Welthandel versus Weltwirtschaft (BIP), Graph: Morgan Stanley

Big Banks: Satte Gewinne und Leverage

Die Führungskräfte von Big Banks haben die meisten der letzten vier Jahre damit verbracht, zu behaupten, das seine stärkere Regulierung in den USA, darunter höhere Eigenkapitalanforderungen, zu niedrigeren Gewinnen führen, die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben vermindern würde, was am Ende eine langsamere wirtschaftliche Erholung bedeuten würde.

Die grössten Banken in den USA legen nun Quartalsergebnisse auf einem stauenenerregend Niveau der Profitabilität vor, wie Simon Johnson in einem lesenswerten Artikel („High Profits Signal Danger for Big Banks“) in NYTimes bemerkt.

Goldman Sachs hat im zweiten Quartal den Gewinn verdoppelt. JPMorgan Chase konnte für das ganze Jahr einen Gewinn in Höhe von 25 Mrd. $ verbuchen. Bank of America berichtet einen um 63% gestiegenen Nettogewinn. Selbst die Citigroup hat mit 4,2 Mrd. $ Nettogewinn das beste Ergebnis seit 2007 im Quartal vorgelegt.

Doch höhere Eigenkapitalanforderungen sind bereits vorhanden und weitere Schritte sind im Gange, einschliesslich einer strengeren Leverage Ratio, die auf Initiative der FDIC (US-Einlagensicherungsbehörde) umgesetzt werden soll. Das heisst, dass die grössten Banken des Landes sich mit relativ mehr Eigenkapital und mit relativ weniger Verschuldung finanzieren müssen. Und die Regulierung ist zu einem gewissen Ausmass gestrafft worden.

In Europa bleibt die Regulierung schwach. Und die Banken sind marode. In den Vereinigten Staaten werden die Regeln angezogen und die Big Banks haben es gut. Sobald amerikanische Politiker und Regulatoren weiterhin genau reflektieren können, warum die Banken so profitabel sind, wird es auch den Druck auf Europa erhöhen, weitere Reformen in Angriff zu nehmen.

Niedrige Inflation und die Gefahren

Ben Bernanke hat gestern vor dem US-Repräsentantenhaus bei seinem Rechenschaftsbericht darauf hingewiesen, dass der geldpolitische Ausschuss der Fed (FOMC) sich dessen bewusst sei, dass sehr niedrige Inflation Risiken für die Wirtschaft trage, zum Beispiel dadurch, dass sie

(1) die realen Kosten der Kapitalanlage steigere und

(2) das Risiko von Deflation erhöhe.

„Folglich werden wird diese Situation aufmerksam überwachen und agieren, um das Notwendige zu tun, um sicherzustellen, dass die Inflation sich wieder in Richtung des Zielwertes der Fed von 2% über die Zeit bewegt“, erklärt der Fed-Präsident.

Bernanke bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass die dauerhafte Verletzung des Inflationsziel durch Unterschreitung gefährlich ist.

Eine fundamentale Fehlentwicklung in der Eurozone ist, dass das Inflationsziel von Deutschland nie eingehalten wurde. Denn Deutschland hat das gemeinsam festgelegte Inflationsziel von Anfang an verletzt.



Deutschlands Sonderweg in der Eurozone: Unterschreitung des Inflationsziels, Graph: Böckler Impuls, 6/2011, 30. März

Mittwoch, 17. Juli 2013

Wettbewerb mit Zähnen und Klauen

Ein Hedgefonds Kerl will Sears in den Boden treiben, wie Bloomberg Businessweek berichtet. Er trifft seine Abteilungsleiter nicht einmal persönlich. Die Kommunikation erfolgt per Video-Link.

Die Idee von Eddie Lambert ist, dass die Märkte und Wettbewerb alles regeln. Daher zwingt er die verschiedenen Abteilungen von Sears, miteinander in Konkurrenz zu treten, wie wenn sie unabhängige Unternehmen mit individuellen Abteilungen wären, wo die Rentabilität als einziges Kriterium für den Erfolg zählt. Wie Bloomberg Businessweek beschreibt, laufen die Dinge nicht gut.

Wenn die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens Sears keine gemeinsamen Interessen haben, wenn das beste Modell der Wettbewerb mit Zähnen und Klauen ist, warum soll Sears dann überhaupt existieren? Warum soll es nicht in Einheiten aufgebrochen werden, die sonst keinen Grund hätten, mit einander zu konkurrieren?

Vor diesem Hintergrund befasst sich Paul Krugman in seinem Blog mit der Frage, warum ein grosses Unternehmen existieren soll?

Wir leben in einem Markt wie im Meer. Aber das Meer ist mit vielen Inseln verstreut, welche wir Unternehmen nennen, schildert Krugman. Einige davon sind ziemlich gross, wo die Entscheidungen nicht via Märkte, sondern via Hierarchie getroffen werden. Man könnte sogar sagen: via zentrale Planung. Es ist klar, dass es einige Dinge gibt, die man nicht dem Markt überlassen soll. Der Markt sagt es uns selbst, und zwar durch die Erzeugung dieser Inseln der Planung und Hierarchie.

Forward Guidance: Schwellenwert, kein Auslöser

Ben Bernanke hat bei seinem Rechenschaftsbericht vor dem US-Repräsentantenhaus heute gemäss dem vorab veröffentlichten Redetext die Forward Guidance etwas näher erläutert.

Die spezifischen Zahlen für die Arbeitslosigkeit und die Inflation in der Forward Guidance stellen Schwellen dar, keine Auslöser. Das Erreichen eines dieser Schwellenwerte würde daher nicht automatisch zu einer Zinserhöhung führen, sondern dazu, dass der geldpolitische Ausschuss der US-Notenbank (FOMC) Überlegungen anstellt, ob die Aussichten für den Arbeitsmarkt, die Inflation und die allgemeine Wirtschaft eine Zinserhöhung rechtfertigen oder nicht, so Bernanke.

Schweiz: Geldmarktpapiere mit Negativrendite

Auf der Versteigerung von Geldmarktpapieren mit 3 Monaten Laufzeit hat sich in der Schweiz gestern wiederum eine negative Rendite ergeben. Es handelt sich dabei um die 30. Auktion seit Jahresbeginn in Folge mit dem Ergebnis einer Rendite unter der Nullmarke.

Es gingen Gebote in Höhe von 3 Mrd. CHF ein. Zugeteilt wurden 538 Mio. CHF zu einer Rendite von -0.083%.  Die Suche nach sicheren, liquiden und hochwertigen Papiere  veranlassen Investoren, negative Renditen in Kauf zu nehmen. Auch der Repo Overnight Satz beträgt in der Schweiz seit langer Zeit negativ: -0.01%.

Der am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Inflation ist seit Herbst 2011 negativ. Die Jahresteuerungsrate ist zwar in den letzten Monaten leicht gefallen. Dennoch hält die SNB am unkonventionellen Kurs der Geldpolitik fest, um die Deflationsgefahr zu bekämpfen.

Die SNB hat nämlich (1) die Preisstabilität zu gewährleisten und (2) dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Preisstabilität versteht die SNB als Geldgeberin der letzten Instanz so, dass weder Deflations- noch Inflationsgefahr entstehen darf. Der Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR bleibt daher im Einsatz.




Schweiz Kerninflation, Graph: SNB in: Quartalsheft 2/2013, June 2013

Dienstag, 16. Juli 2013

Eine synthetische CDO und der fabelhafte Fab

Fabrice Tourre steht in New York vor dem Gericht. Der ehemalige Händler von Goldman Sachs soll Investoren betrogen haben. Die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) wirft dem Ex-Banker mit dem Spitznamen „Fabelhafter Fab“ u.a. Täuschung vor.
Die neun Geschworenen müssen sich viel Kauderwelsch anhören. Doch die Richterin Katherine Forrest fasst den Fall zusammen, ohne lange zu fackeln: 

„Tourre hat Rotkäppchen eine Einladung zum Haus der Grossmutter ausgehändigt, die Tatsache verschleiernd, dass die Einladung vom grossen bösen Wolf geschrieben worden ist“.

Niedrigzinsen und Anleihekäufe von Notenbanken

Die Inflation ist in der Eurozone sehr niedrig (1,4%). Die Teuerungsrate verläuft unterhalb der Zielmarke der EZB. Diejenigen, die seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 mit dem Hinweis auf die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) vor einem raschen Anstieg der Inflation warnen, liegen damit vollkommen falsch.

Dennoch ist es bemerkenswert, dass das OMT-Programm der EZB vor dem deutschen Verfassungsgericht in Karlsruhe steht, weil die Kläger u.a. behaupten, dass die Absicht der EZB, die Risikoaufschläge (spreads) auf Staatsanleihen (zwischen Kern und Peripherie) in der Eurozone zu verringern, gegen die Preisstabilität (das einzige Mandat der Notenbank) verstosse (*).

Müsste aber die EZB die unkonventionelle Geldpolitik trotz der schwer angeschlagenen Wirtschaft aufgeben, wenn die Kläger vor dem Gericht Recht bekämen? Fest steht, dass die Wirtschaft, die ja in einer Liquiditätsfalle steckt, tiefer in die Rezession zu versenken droht, wenn die EZB am expansiven Kurs der Geldpolitik nicht festhält, was auf der anderen Seite eine regelrechte Deflation zur Folge hätte. Und die Deflation würde sich dann mit der Geldpolitik allein nicht unterbinden lassen.



Arbeitslosigkeit, EU, Grossbritannien und USA im Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Montag, 15. Juli 2013

Auftragseingänge der Industrie in der Eurozone

Die EZB berichtet im aktuellen Monatsbericht, dass sie einen neuen Indikator für die EWU zusammenstellen will: Die Auftragseingänge in der Industrie.

Es ist ein unverzichtbarer Konjunkturindikator, unterstreicht Heiner Flassbeck in seinem Blog. Nur die Auftragseingänge in der Industrie sind ein verlässlicher Indikator für die Konjunktur der nächsten ein bis drei Monate, betont der ehemalige Chefökonom von UNCTAD in Genf.

Der Verlauf ist seit 2011 abwärtsgerichtet. Die Entwicklung bestätigt die These, dass die Wirtschaftspolitik der EU via interne Abwertung (Anpassung der Preise und Kosten) auf der Binnennachfrage lastet. Die Aufträge aus dem Inland nehmen wesentlich stärker ab als die aus dem Ausland, hebt Flassbeck hervor.

Die Geldpolitik greift nicht. Es bedarf daher Stimulus à la Keynes. Wenn die Austerität und die Politik des Lohndumpings nicht sofort beendet werden, droht die Wirtschaft, weiter einzubrechen, mahnt Flassbeck an.


Eurozone: Auftragseingänge in der Industrie, Graph: EZB Statistical Data

Hunger Games und US-Wirtschaft

Vergangene Woche wurde in den USA die Agrargesetzgebung („Farm Bill“) im Repräsentantenhaus verabschiedet.

Etwas Schreckliches ist der Seele der Republikanischen Partei widerfahren. Es ist jenseits von schlechter ökonomischen Lehre. Es geht über Egoismus und Interestenvertretung hinaus, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne (“Hunger Games, USA”) am Montag in NYTimes dazu. Die Rede ist von einem Geisteszustand, mit Freude Menschen in einer bereits miserablen Lage weiteres Leid zuzufügen.

Seit Jahrzehnten hat die Agrargesetzgebung in den USA zwei Pfeile: Direktzahlungen (d.h. Subventionen) an Landwirte und Lebensmittelprogramme (Ernährungshilfe für Amerikaner in Not), v.a. in Form von Essensmarken (heute SNAP genannt: Supplemental Nutrition Assistance Program).

Vor langer Zeit wurden Subventionen an arme Landwirte, als eine Form der Unterstützung für Menschen in Not verteidigt. Im Laufe der Jahre fielen die zwei Pfeile jedoch auseinander. Agrarsubventionen wurden zu einem von Betrug heimgesuchten Programm, welches v.a. Unternehmen und vermögenden Privatpersonen zu Gute kam. Inzwischen wurden Essensmarken (food stamps) zu einem entscheidenden Teil des sozialen Netzes, beschreibt Krugman.

Die Republikaner im US-Repräsentantenhaus haben Agrarsubventionen an Landwirte zugestimmt, und zwar in einem höheren Mass als vom Senat oder vom Weissen Haushaus vorgeschlagen wurde, während Essensmarken von der Farm Bill vollständig abgespalten worden sind. Begründung der Republikaner: „Sie sind persönlich frei, um Armen zu helfen. Aber der Staat hat kein Reicht, Menschen das Geld abzunehmen und sie die Pistole auf sie richtend zu zwingen, es Armen zu geben“.



Lebensmittelmarken und US-Wirtschaft, Graph: Prof. Paul Krugman

Sonntag, 14. Juli 2013

Welche Optionen hat die EZB noch?

Die Eurozone steckt in Rezession. Die Austerität funktioniert nicht. Der Neoliberalismus ist gescheitert. Die Inflation ist niedrig. Und die Risikoaufschläge der Staatsanleihen der EU-Länder an der Peripherie weitet sich gegenüber deutschen Bundesanleihen wieder aus. Es droht Rückfall in Nationalismus.

Die EZB hat am 4. Juli zum Ersten Mal in der fast 15-jährigen Geschichte mitgeteilt, die Zinsen für einen ausgedehnten Zeitraum niedrig zu halten. Unabhängig davon, was „ausgedehnt“ konkret bedeutet, handelt es sich dabei um die Ankündigung von Forward Guidance. Genau wie Ben Bernanke, der US-Notenbankpräsident bedient sich nun auch Mario Draghi, der EZB-Präsident eines kommunikativen Mittels, die Geldpolitik zu steuern, während die Wirtschaft schwer angeschlagen ist.

Würde Draghi die Forward Guidance mit Angabe eines bestimmten Termins und/oder Schwellenwertes konkretisieren, würde es helfen, die Erwartungen in Bezug auf niedrige Zinsen adäquat zu verankern. Das einzigartige Mandat der EZB für die Preisstabilität dürfte jedoch dabei ein Hindernis darstellen, zumal das deutsche Verfassungsgericht das OMT-Programm im September abwerten könnte. Dennoch stehen der EZB drei Instrumente zur Verfügung, monetäre Rahmenbedingungen in der Eurozone zu entspannen, berichten Evan Brown und Calvin Tse von Morgan Stanley in einer am Freitag vorgelegten Forschungsarbeit.

(1) Konventionelle Geldpolitik: Die EZB könnte die Zinsen (konkret: den Refi-Satz) weiter senken. Draghi hat kürzlich gesagt, dass die EZB operationell bereit sei, negative Zinsen auf Einlagen einzuführen. Der Satz für die Einlagefazilität, den die Banken erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken, unter die Null-Marke fallen. Eine „doppelte-Zinssenkung“ könnte den EONIA-Satz senken und die Refinanzierungskosten in Interbankengeschäften verbilligen.



EONIA 1y/1y, Graph: Evan Brown and Calvin Tse, Morgan Stanley

Samstag, 13. Juli 2013

Kritik an QE ist Kritik an Modelle à la Keynes

Die meisten Kommentare, die man in diesen Tagen liest, beklagen negative Folgen der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) durch die modernen Zentralbanken. Die Kritik an Niedrigzinsen und QE-Politik basiert aber auf keinem Wirtschaftsmodell, bemerkt Antonio Fatas in seinem Blog.

Die Kritier verweisen permanent auf die „verzerrten“ Zinsen und „künstlich niedrigen“ Kapitalkosten und Fehlbewertungen der Anleihen hin. Die Behauptung lautet, dass die fehlgeleitete Politik der Zentralbanken ein geringes Wirtschaftswachstum verursache, Unsicherheit und Schwankungen auslöse.

Welches wirtschaftliche Modell liefert aber eine solche theoretische Begründung?

„Wenn wir über die Auswirkungen der Geldpolitik unterrichten, neigen wir dazu, ökonomische Modelle mit einem keynesianischen Beigeschmack zu verwenden, mit einer Form von price rigidity (nach unten starre Preise) und wo Veränderungen des Nominalzinssatzes auf die Realzinsen kurzfristig auswirken, da die Inflation träge läuft. Das funktioniert nur auf kurze Sicht, während Preise starr sind. Sobald Preise flexibel werden, gibt es keine Möglichkeit für die Zentralbank, einen Einfluss auf die relativen Preise zu nehmen (von Vermögenswerten oder Waren und Dienstleistungen)“, erklärt Fatas.

Was der an der INSEAD lehrende Wirtschaftsprofessor rätselhaft findet, ist, dass diejenigen, die über verzerrte und manipulierte Zinsen sprechen, diejenigen sind, die in erster Linie die Vorhersagen der keynesianischen Modelle kritisieren.

EZB und Störung der geldpolitischen Transmission

Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat die Kreditbewertung Italiens von „BBB+“ auf „BBB“ gesenkt: Begründung: schwache Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung. Die S&P hat den Ausblick auf „negativ“ gesetzt. Die Analysten gehen von einer Schrumpfung der italienischen Wirtschaft um 1,9% in diesem Jahr aus.

Eine weitere Begründung für die Herabstufung des Länder-Ratings deutet auf die Störung der geldpolitischen Transmission hin: Das Problem, dass italienische Unternehmen für Kredite höhere Zinsen zahlen müssen als andere Unternehmen im Kern der Eurozone.

Die Risikoaufschläge (spreads) an der Peripherie haben sich seit der Vorstellung des OMT-Programms (geldpolitische Outright-Geschäfte) in der Tat zurückgebildet, wie in der Abbildung schön zu sehen ist. Dennoch bleiben die Kreditzinsen für Unternehmen aus dem Nicht-Finanz-Sektor in der Peripherie höher als im Kern der Eurozone.



Risikoaufschläge für Staatsanleihen (Italien-Deutschland sowie Spanien-Deutschland) und Verlauf der Refinanzierungskosten, Graph: Morgan Stanley