Sonntag, 29. April 2018

Beggar-thy-Neighbor-Politik in der Europäischen Währungsunion


Die beggar-thy-neighbour Policy ist eine merkantilistische Strategie der Volkswirtschaft zur Maximierung des Handelsbilanzüberschusses, ohne Rücksicht auf Verluste. Auf Deutsch: „seinen Nachbarn zum Bettler machen“.

Simon Wren-Lewis hat vor rund drei Jahren in seinem Blog die Krise in der Eurozone mit dem Hinweis auf die Lohnzurückhaltung in Deutschland als „untold story“ beschrieben. Er hat sich aber nach seinen eigenen Angaben davor zurückgehalten, dafür den Ausdruck „beggar-thy-neighbor“-Politik zu verwenden.

Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass Berlin sich damit einen immensen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Rest der Eurozone verschafft hat.

Nach der Lektüre von Peter Bofingers Artikel („German wage moderation and the EZ crisis“) bei voxeu sei der an der Oxford University in Grossbritannien lehrende Wirtschaftsprofessor nun aber zur Überzeugung gelangt, dass Deutschland mit „wage moderation“ seine Nachbarn in der Eurozone „bewusst unterboten“ hat.

Was damit gemeint, ist „internal devaluation“.


Wie Deutschland mit Lohnzurückhaltung seine Nachbarn in der Eurozone seit der EUR-Einführung in die Enge getrieben hat, Graph: Bloomberg Markets, Apr 24, 2018


Sonntag, 22. April 2018

Makroökonomische Ungleichgewichte: Europas Lücke in Wettbewerbsfähigkeit


Die jüngsten Wirtschaftsdaten und Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum nachlässt.

Dabei ist das reale BIP in 19 aufeinanderfolgenden Quartalen angestiegen. Die Inflationsentwicklung ist jedoch verhalten geblieben.

Der EZB-Rat hat drei Kriterien, (Konvergenz, Vertrauen und Widerstandsfähigkeit) die erfüllt sein müssen, um sicherzustellen, dass die Inflation sich nachhaltig auf dem Weg in Richtung des Zielwertes der EZB etabliert.

Erst dann will die EZB den Ankauf von Anleihen (APP: asset purchase programme) im offenen Markt einstellen. Das heisst, dass sie die sog. Normalisierung der Geldpolitik erst dann in Angriff nehmen kann. 

Vor diesem Hintergrund hat Peter Praet, Mitglied des EZB-Direktoriums neulich in einem Referat in Washington in den USA gesagt, dass ein umfangreicher geldpolitischer Impuls immer noch notwendig sei, damit sich der Inflationsdruck weiter ausbreitet und mittelfristig die Inflationsentwicklung (headline inflation) unterstützt.

Bemerkenswert ist die Betonung durch den Chefvolkswirt der EZB, dass Preisstabilität eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum in Europa ist. 

Es hat sich im Vorfeld der Krise gezeigt, dass makroökonomische Ungleichgewichte inmitten von Preisstabilität zunehmen können. Und dass anhaltende Verluste an Wettbewerbsfähigkeit zu makroökonomischen Ungleichgewichten führen können, die schmerzhafte Anpassungen erzwingen. 


Inflation im Euroraum und der Trend, Graph: Peter Praet, ECB, Apr 16, 2018

Freitag, 20. April 2018

Steuert die Fed auf die erste Zinssenkung in zwei Jahren zu?


Bond-Bullen sind voller Elan.

Die Märkte preisen ein, dass der Zinserhöhungszyklus der Fed im Jahr 2020 oder Anfang 2021 zu Ende geht und zugleich eine gewisse Lockerung der Geldpolitik eingeleitet wird, was, allem Anschein nach, den Verkaufsdruck auf die US Treasury Bonds gegenwärtig abmildert.

Das ist der Schluss, den die Entwicklung des Spreads (*) zwischen dem 3-Jahres-Forward 1-Jahr US Overnight Index Swap Satz und dem 2-Jahres-Forward 1-Jahr Satz nahelegt. 

Der Spread ist nämlich ins Negative gerutscht, was darauf hinausläuft, dass die Fed den Straffungszyklus demnächst tatsächlich beendet.

Wenn die Zentralbank die Zinsen erhöht, richtet sich das Augenmerk auf die Wirtschaft, die wieder Tritt fasst und wo die Währung zur Stärke neigt.

Die anhaltende USD-Schwäche regt aber an, darauf zu blicken, dass die US-Zinsen inzwischen an das neutrale (natürliche) Niveau herankommen. 

Der Greenback hat 2018 bislang rund 3% an Wert verloren. Die Abwertung für das gesamte Jahr 2017 beläuft sich auf rund 12 Prozent gegenüber dem EUR.


Der Spread zwischen den 3y1y und den 2y1y US-Swap-Sätzen, Graph: FT, Apr 19, 2018

Mittwoch, 18. April 2018

Ist der Marktzyklus am Ende?


Die US-Notenbank hat im Dezember 2015 begonnen, die Zinsen (Fed Funds Rate) allmählich zu erhöhen. 

Der Tagesdurchschnittszinssatz für täglich fällige Kredite zwischen Banken ist seither insgesamt sechsmal angehoben worden.

Der Leitzins der Fed beläuft sich nun mit der letzten Erhöhung vom März 2018, die ja im „Rahmen der Erwartungen“ lag, auf 1,5% bis 1,75%. Das Stichwort heisst „Normalisierung“; nach GFC („Great Financial Crisis“) von 2008 wohlgemerkt.

Bemerkenswert ist aber, dass die Ertragskurve (yield curve) eine unzweideutige Botschaft vermittelt:

Die Abflachung der Kurve deutet darauf hin, dass die Erwartungen auf lange Sicht nicht besonders günstig sind: Während die kurzfristigen Zinsen ansteigen, kommen die langfristigen Zinsen kaum vom Fleck. (*)

Deutsche Bank Research hat am Montag die folgende Abbildung präsentiert, um zu zeigen, dass der US Treasury Markt in der Tat damit rechnet, dass die Fed im Jahr 2021 beginnt, die Zinsen wieder zu senken.

Das heisst, dass die Märkte davon ausgehen, dass die Zinsen in drei Jahren niedriger liegen werden als heute. Das wirft natürlich die Frage auf, ob wir damit am Ende des Markt-Zyklus sind?


US-Swap-Sätze, Graph: John Authers, FT, Apr 17, 2018

Samstag, 14. April 2018

Europas Spardiktat lastet auch auf dem Aktienmarkt


Das ist eine bemerkenswerte Abbildung, die zeigt, dass Europa die einzige Region ist, in der EPS (Gewinn je Aktie) nicht annähernd ein Allzeithoch erreicht hat und derzeit 20% niedriger liegt als vor 10 Jahren.

Worauf ist die Entwicklung zurückzuführen?

Die Antwort ist offensichtlich: fiscal austerity, der fiskalpolitische Sparkurs, und zwar in diversen Formen wie „fiscal compact“ „balanced structural budget“, „debt brake“ (Schuldenbremse) und „schwarze Null“-Politik.

So lässt sich auch die anhaltende Stagnation in Europa erklären. 

Es fehlt an Nachfrage. Aber die EU-Behörden sehen lediglich Strukturfehler und schlagen Strukturreformen vor, d.h. Massnahmen auf der Angebotsseite.

Was die EMU im Grunde genommen fordert, ist, dass alle Mitgliedsstaaten ihrer Produktivität entsprechend leben, d.h. weder über ihre Verhältnisse noch unter ihren Verhältnissen.

Deswegen gilt es, das gemeinsam festgestellte und von der EZB angestrebte Inflationsziel von rund 2 Prozent, einzuhalten.


Gewinn je Aktie (EPS) in Europa, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 13. April 2018

Rendite Kurve vermittelt eine Botschaft


Der Abstand für US-Treasury Bonds-Renditen für 2- und 10-jährige (45,7 Basispunkte) und 5- und 30-jährige (37,2 Basispunkte) Laufzeiten ist am Mittwoch auf das niedrigste Niveau seit 2007 gefallen.

Wie aus dem am Mittwoch vorgelegten Protokoll der letzten Sitzung der US-Notenbank von Ende März hervorgeht, halten alle Fed-Vertreter weitere Zinsschritte für angebracht.

Die Abflachung der Rendite-Kurve (yield curve) spricht vor diesem Hintergrund Bände:

Die Botschaft liegt auf der Hand: Angst vor einem Fehler durch die Fed, wie John Authers in seiner Kolumne bei FT unterstreicht. 

Die Fed-Vertreter sehen laut FOMC-Minutes keine Abwärtsrisiken mehr für die Inflation. Das heisst, dass sie von einer weiter steigenden Teuerung ausgehen.

Das heisst, dass sie daran festhalten, die lockere Geldpolitik im gleichen Tempo zurückzufahren.


Die US Ertragskurve: Der Rendite-Abstand zwischen 5y30y und 2y10y US Treasury Bonds, Graph: Bloomberg Markets

Dienstag, 10. April 2018

Die ersten Anzeichen einer inversen Ertragskurve


Nach der Ausweitung Anfang Februar hat sich der Trend wieder umgekehrt. 

Die Rede ist von der Form der US-Rendite-Kurve (UST yield curve). 

Der Rendite-Abstand (spread) zwischen den US Treasury Bonds mit 2 und 10 Jahren Laufzeiten hat sich so eingeengt wie zuletzt im Jahr 2007.

Das birgt das Risiko einer inversen Kurve, wenn die Renditen am kurzen Ende der Kurve höher liegen als die am langen Ende.

Bemerkenswert ist, dass eine leichte Inversion der Kurve bereits am Geldmarkt für Forward-Zins-Sätze (OIS; siehe die zweite Abbildung in der folgenden Seite) beobachtet werden kann, was ja als eine „Annäherung“ für den Verlauf der Fed Funds Rates gilt. 


Steht die Inversion der US-Ertragskurve bevor? Graph: Bloomberg Markets

Freitag, 6. April 2018

Handelsstreit: Sind Zölle inflationär oder deflationär?


Die Auseinandersetzung zwischen Washington (Zölle) und Peking (Vergeltungsmassnahmen) in Sachen Defizite und Überschüsse im Handel schlägt hohe Wellen.

Den Aktienmärkten droht der Absturz, wie die heftigen Rückschläge in den vergangenen Tagen zeigen. Die Volatilität meldet sich zurück.

Larry Kudlow, der neue Wirtschaftsberater des amerikanischen Präsidenten eilt zu Hilfe und sagt, um die Aktienmärkte zu beruhigen: Es handele sich dabei bisher nicht um beschlossene Massnahmen, sondern bloss um Vorschläge.

Handelskonflikte können in der Tat über verschiedene Kanäle der Wirtschaft schaden. Der unmittelbarste Effekt ist über den Finanzmarkt zu spüren. Eine erhöhte Volatilität deutet auf eine erhöhte Unsicherheit hin, die sowohl Investitionen als auch auf Konsum dämpfen kann.

Welche Auswirkungen lösen aber Zölle sonst aus, was das Wirtschaftswachstum und die Inflation betrifft?

Der direkte Effekt der Zölle auf das Wachstum wäre wahrscheinlich bescheiden, schreibt Paul Krugman in seiner Kolumne („Trade wars, stranded assets and the stock market“) bei NYTimes am Dienstag.


Handelsstreit: Die Auswirkungen der Zölle auf die US-Inflation, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 1. April 2018

Vollbeschäftigung oder warum wir mehr Arbeitsplätze brauchen


Josh Bivens von EPI präsentiert die folgende Abbildung, um die unscharfe Linie zwischen „Arbeitslosen“ und „Nicht in der Erwerbsbevölkerung“ zu unterstreichen.

Arbeitslose werden in den USA vom Bureau of Labor Statistics (BLS) in eine von zwei Kategorien eingestuft: entweder „arbeitslos“ oder „nicht erwerbstätig“.

Um in dem Monat, in dem sie befragt werden, als arbeitslos zu gelten, müssen Menschen aktiv nach Arbeit suchen.

Wenn sie nicht aktiv nach einem Job suchen, werden sie als „nicht erwerbstätig“ eingestuft.

Die Arbeitslosenquote ist definiert als die Zahl der Arbeitslosen, dividiert durch die Summe der Erwerbstätigen und der Arbeitslosen (oder der Arbeitskräfte, labor force).

Die Quote versucht genau zu erfassen, welcher Anteil der erwachsenen Bevölkerung arbeiten will, aber keine Arbeit gefunden hat.

Deshalb findet sie als das am häufigsten genannte Mass Verwendung, um die „Flaute“ (slack) auf dem Arbeitsmarkt zu beschreiben, oder dafür, wie viele Erwachsene neue Arbeitsplätze brauchen, die es zu besetzen gilt.


Der Anteil neu eingestellter Arbeitnehmer, die im Vormonat keine Arbeit suchten, Graph: Josh Bivens, Economic Policy Institution (EPI), March 28, 2018