Montag, 29. September 2014

Unsichtbare Superreiche

Vor einem halben Jahrhundert hat sich The New Yorker in einem Artikel mit dem Titel „Our Invisible Poor“ (Unsere unsichtbare Armen) mit dem damals weit verbreiteten Mythos auseinandergesetzt, dass Amerika eine Wohlstandsgesellschaft ist, mit nur wenig Armutsfall. Für viele kamen die Fakten über die Armut wie eine Offenbarung vor, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Our Invisible Rich“) am Montag in NYTimes.

Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor denkt nicht, dass die Armen heute nicht sichtbar sind. Heutzutage sind es die Reichen, die nicht sichtbar sind. In der Tat haben die meisten Amerikaner keine Ahnung davon, wie ungleich die amerikanische Gesellschaft geworden ist.

Der neueste Beweis in diesem Sinne ist eine Umfrage, wo die Leute in verschiedenen Ländern gefragt wurden, wie ihrer Meinung nach die Top-Führungskräfte grosser Unternehmen mehr verdienen als die ungelernten Arbeitskräfte. In den USA glaubt der Median-Befragte, dass die Chefs 30 mal so viel verdienen wie ihre Mitarbeiter, was ungefähr wahr ist, was 1960er Jahre betrifft. Seither ist die Lücke erheblich grösser geworden: Heute verdienen CEOs etwa 300 mal so viel wie normale Arbeitnehmer.

Das heisst, dass die Amerikaner keine Ahnung haben, wie viel die Meister des Universum (Master of the Unverse) verdienen, ein Befund, der sehr im Einklang mit dem Beweis steht, dass die Amerikaner die Konzentration von Reichtum an der Spitze erheblich unterschätzen, erklärt der als Mitglied im Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises weiter.

Samstag, 27. September 2014

Laufzeitprämie und Zinserwartungen

Die Abbildung zeigt die historische Entwicklung der Laufzeitprämie und der Zinserwartungen gestützt auf die nominale Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit.

Diese beiden Komponenten repräsentieren die grössten Treiber der Rendite der 10-jährigen US-Treasury Bonds im Laufe der Zeit.

Wer also einen Anstieg der Renditen in diesem Jahr erwartet, muss davon ausgehen, dass entweder die Laufzeitprämie oder die Zinserwartungen steigen.


US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit: Laufzeitprämie und Zinserwartungen,
Graph: Morgan Stanley

Ist die EZB zwischen Skylla und Charybdis?

Die EZB hat zwar am 4. September aufgrund der anhaltenden Stagnation und der weiter fallenden Inflationserwartungen den Refi-Satz auf 0,05% gesenkt und ein neues Kreditkaufprogramm angekündigt.

Aber es ist trotzdem kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.

Woher soll der Aufschwung kommen?

Während die Wirtschaft an die Nullzinsgrenze (zero lower bound) geraten ist, dämpft die „interne Abwertung“ unter dem Deckmantel „Strukturreform“ (d.h. Lohnzurückhaltung oder Lohnsenkung) die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

Und die Inflation gemessen am HICP-Index fällt weiter, obwohl die Kerninflation (core inflation) sich inzwischen etwas zu stabilisieren scheint. Die latent vorhandene Deflationsgefahr hält aber an.

Vor diesem Hintergrund richtet sich das Augenmerk auf das statistische Amt der Europäischen Union (kurz: Eurostat). Die Behörde will nächste Woche die Erstschätzung der Inflation (HICP flash estimate) präsentieren und über die Beschäftigung (Arbeitslosenquote) informieren.



Eurozone Inflation und Kerninflation, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 26. September 2014

Die angeberische Gesellschaft

Linke sprechen über Umstände; Konservative über Charakter, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Show-off Society“) am Freitag in NYTimes.

Die geistige Kluft ist am deutlichsten, wenn es um die anhaltende Armut geht, unterstreicht der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor. 

Linke konzentrieren sich auf die Stagnation der Reallöhne und den Abbau der Arbeitsplätze für die Mittelschicht genauso wie auf die ständige Unsicherheit, die damit einhergeht, dass man keinen Job oder Vermögen hat. Konservative hingegen meinen, dass die Menschen es nicht hartnäckig genug anpacken.

Um fair zu sein, betont Krugman, dass es auch einige Konservative gibt, die den Reichen einen Tadel erteilen. Peggy Noonan schreibt über unsere „dekadenten Eliten“. Im Charles Murrays Buch „Coming Apart“ geht es hauptsächlich um den angeblichen Verfall der Werte unter der weissen Arbeiterklasse, wobei auch die „Unschicklichkeit“ der Superreichen mit ihrem aufwendigen Lebensstil und gigantischen Häusern angeprangert wird, so Krugman.

Gab es aber tatsächlich eine Explosion der Prahlerei der Eliten?

Krugman zitiert dazu einen Artikel aus Fortune vom Jahr 1955 mit dem Titel „How top executives live“: Es stellt sich heraus, dass das Leben einer früheren Generation der Eliten in der Tat weit mehr zurückhaltend war, d.h. schicklich bzw. anständig, wenn Sie es so wollen. 

Und warum hat sich die Elite von der Prahlerei und Zurschaustellung der Vergangenheit zurückgezogen? Die grosse Yacht ist im Meer der progressiven Besteuerung gesunken, beschreibt Fortune.

Donnerstag, 25. September 2014

Ungleichheit als hohes Risiko für den Fortschritt der Menschheit

Ungleichheit ist ein enormes Risiko für den Fortschritt der Menschheit. Der wirtschaftliche Preis ist hoch: soziale Mobilität und Chancengleichheit leiden.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Einkommensungleichheit durch die Finanzkrise verschärft wurde. Zumal die Ungleichheit nicht nur die Folge der wirtschaftlichen Aspekte ist, sondern auch das Ergebnis von politischen Massnahmen.

Als Parameter kann man dazu (1) das fragmentierte Bildungssystem (Zukunftschancen der jungen Menschen hängen von Einkommen und Status der Eltern ab), (2) das Steuerrecht (die reichsten Menschen zahlen deutlich weniger Steuern) und (3) Unternehmen mit monopolistischen Kräften zählen.

Die Folgen der Ungleichheit liegen auf der Hand: (a) Untergrabung der Demokratie, (b) Spaltung der Gesellschaft und (c) steigende Chancenungleichheit.

Die Konsumausgaben erfuhren in den USA in der infolge der Finanzkrise von 2008 ausgelösten Rezession den stärksten Rückgang in der Geschichte überhaupt, wie in der von Morgan Stanley gelieferten Abbildung deutlich zu sehen ist.




Verbraucherausgaben in den USA während Rezessionen, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 24. September 2014

Lohnwachstum als probates Mittel

Es ist mittlerweile fast sechs Jahre her, als die Finanzkrise ausbrach und anschliessend eine heftige Rezession ausgelöst wurde. Es ist die schwerste Krise seit der „Great Recession“ in den 1930er Jahren, weshalb führende Ökonomen die gegenwärtige Krisensituation als „Lesser Depression“ beschreiben. Die Beschäftigung ist zwar wieder angestiegen. Aber die Arbeitlosigkeit ist nach wie vor hoch.

Jetzt gibt es aber eine grosse Unsicherheit darüber, woran die gegenwärtige Flaute der Wirtschaft gemessen werden soll, schreibt Brad De Long in seinem Blog.

Ist der Messwert eine Art Arbeitslosenquote oder eine Art Beschäftigungsquote? Beide Mittel liefern via Okuns Gesetz völlig unterschiedliche Ergebnisse, wie der Leerlauf zwischen der gegenwärtigen Produktion und der Beschäftigung und dem Potenzialwachstum und der Vollbeschäftigung beschaffen ist.

Die Frage lautet im Grunde genommen, wie weit die Produktionslücke (output gap) derzeit geöffnet ist.



Produktionslücke (ouput gap) der US-Wirtschaft, Graph: Prof. Brad DeLong

Dienstag, 23. September 2014

Ist Deutschland der Zahlmeister Europas?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass eine Mehrzahl des deutschen Volkes den Euro-Rettungsschirm abgeschafft sehen würde. Die irreführende Debatte über die Rettungspakete im Euro-Raum und die obskure Diskussion über die etwas komplexe Target-II-Salden dürften dazu beigetragen haben.

Die Konsequenz ist jedoch, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, als ob Deutschland der Zahlmeister Europas wäre.

Vor diesem Hintergrund unterstreicht Sebastian Dullien in einem lesenswerten Artikel in Die Zeit online (aus dem e-bookDie 10 Mythen der Eurokrise“) drei Missverständnise.

(1) Die Hilfspakete an die von der Krise am stärksten betroffenen Staaten sind keine Transfers, sondern Kredite, die irgendwann zurückgezahlt werden müssen, und zwar mit Zinsen.

(2) Bei den sog. Target-II-Salden handelt sich um eine Art Verrechnungskonten der europäischen Zentralbanken im Euro-Raum in Zusammenarbeit mit der EZB. Die Behauptung, dass die Bundesbank alle Forderungen abschreiben müsste, falls die Gemeinschaftswährung zusammen bräche, ist falsch, hebt Dullien hervor.



Die 10 Mythen der Euro-Krise und warum sie falsch sind: Einleitung: Henning Meyer und Andrew Watt via Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sept 2014

Montag, 22. September 2014

Lauter faule Arbeitslose in Amerika?

Letzte Woche hat John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses vor einem Publikum am American Enterprise Institute erklärt, was die Beschäftigung in Amerika aufhalte: Faulheit. Die Menschen haben die Idee „Ich muss wirklich nicht arbeiten. Ich will es wirklich nicht tun. Ich denke, ich sitze lieber nur herum“, so Boehner.

Es ist kaum das erste Mal, dass ein prominenter konservativer etwas in dieser Richtung gesagt hat, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Those Lazy Jobless“) am Montag in NYTimes dazu.

Seit die Finanzkrise zur Rezession geführt hat, ist es ein nonstop Refrain auf der rechten Seite des politischen Spektrums, dass die Arbeitslosen sich nicht gern bemühen, eine Stelle zu finden und es dank dem grosszügig organisierten Arbeitslosengeld ganz locker nehmen. 

Es ist immer dieselbe Leier: Der Staat zahle die Menschen, nicht zu arbeiten. Und der Drang, die Opfern einer depressiven Wirtschaft zu beschuldigen, erweist sich als unempfindlich für Logik und Beweise, beschreibt der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.

Es ist aber immer noch erstaunlich und aufschlussreich, mitzubekommen, wie oft diese Textzeile wiederholt wird. Die Menschenmenge „gib‘ die Schuld dem Opfer“ hat alles, was sie braucht: Die Vergütung insbesondere für die Langzeitarbeitslosen wird gekürzt oder abgeschafft. Und es sind trotzdem die Tiraden gegen die Penner, die angeblich von der Sozialhilfe leben. Und wenn sie keine Penner sind, sie waren es nie, so Krugman, dann gibt keine Sozialhilfe. Warum?



Arbeitslosenhilfe im Verhältnis zum BIP in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Sonntag, 21. September 2014

Das Kapital des Staates

Buchbesprechung:

Mariana Mazzucato: Das Kapital des Staates. Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum, Verlag Antje Kunstmann, München, August 2014.



Wir leben in einer Zeit, in der der Staat immer schlanker werden soll. In der schwersten Rezession seit der Great Depression in den 1930er Jahren wird in Europa derzeit gespart. Das Spardiktat ist die Folge der rigiden Austeritätspolitik, die die EU-Behörden trotz der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit durchsetzen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Dahinter steckt ein Dogma: Der Markt ist die Lösung – Der Staat ist das Problem. Der Abbau des Staates wird öfters mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Wirtschaft dynamischer, wettbewerbsfähiger und innovativer sein müsse. Der Staat gilt als träge.

Noch nie war es also nötiger als heute, über die Rolle des Staates in der Wirtschaft nachzudenken. Genau das tut Mariana Mazzucato in ihrem kürzlich vorgelegten ausgezeichneten Buch.

Die Autorin will zeigen, dass der Staat als Motor der Innovation und des Wandels agieren kann. Innovation ist zwar nicht die Hauptaufgabe des Staates, aber vielleicht der wirkungsvollste Weg, seine Existenzberechtigung zu verteidigen, unterstreicht die an der Universität Sussex lehrende Wirtschaftsprofessorin.

Zumal die ökonomische Standardtheorie staatliche Interventionen rechtfertigt, wenn die gesellschaftliche Rendite aus einer Investition höher ist als die private Rendite und es daher unwahrscheinlich ist, dass ein privates Unternehmen investieren wird. Der staatliche Handeln soll den Mut der privaten Unternehmer verstärken. Im iPhone z.B. steckt nicht eine einzige Technologie (Internet, Drahtlosenetzwerke, GPS, Mikroelektronik, Touchscreen-Displays, SIRI), die nicht staatlich finanziert wurde. Der Staat betreibt aber kein gutes Marketing in eigener Sache.

Samstag, 20. September 2014

Die politisierte Rhetorik um „keynesianische“ Wirtschaftspolitik

Wenn Sie das Wort „Keynesian“ als Synonym für „Sozialist“, „progressiv“ oder „liberal“ (*) verwenden, dann liegen Sie falsch, schreibt Noah Smith in einem lesenswerten Artikel („How Keynes became a dirty word“) in BloombergView.

Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass die Blogger und Autoren, die sich Keynesian nennen, in der Tat liberal veranlagt sind. Und noch wichtiger: John Maynard Keynes selbst war gewissermassen pro Umverteilung und pro staatliche Interventionen in der Wirtschaft.

Warum macht es aber keinen Sinn, in dieser Hinsicht das Wort „Keynesian“ zu gebrauchen? Der eine Grund ist, wie Smith erklärt, dass es nicht die Art und Weise ist, wie akademische Ökonomen es verwenden. Es gibt eine Klasse von Wirtschaftsmodellen, die „New Keynesian“ genannt werden , die beschreiben, wie Geldpolitik auf die Wirtschaft Einfluss nehmen kann.

Das Interessante daran ist aber, dass diese Modelle trotz ihrer Bezeichnung Keynesian nicht annähernd das darlegen, was Keynes konzipiert hat. In der Tat liegen sie sehr nah an den Ideen von Milton Friedman, argumentiert Smith weiter.

Miles Kimball, der Doktorvater von Noah Smith, hat versucht, den Namen der Modelle als „Neomonetarist“ umzuändern. Der Versuch ist aber gescheitert. Das Etikett „New Keynesian“ bleibt anhaften.

Ferner sind viele Ökonomen, die die New Keynesian Modelle entwickelten, in der Tat politisch konservativ, wie z.B. Greg Mankiw und John Taylor, um zwei populäre Namen aus den Medien zu nennen.

Mittwoch, 17. September 2014

Trotz negativer Renditen gibt es kein öffentliches Investitionsprogramm

Deutschland hat heute eine zweijährige Staatsanleihe mit einer negativen Rendite aufstocken können. Es gingen Gebote in Höhe von 7,5 Mrd. EUR ein. Zugeteilt wurden 3,3 Mrd. EUR zu einer Minus-Rendite von 0,07%.

Damit wurde erstmals seit Dezember 2012 auf einer Auktion von Schatzanweistungen mit zwei Jahren Laufzeit eine negative Rendite erzielt.

Das Erstaunliche dabei ist, dass die deutsche Regierung trotz des aktuellen Niedrigzinsumfeldes einen ausgeglichen Haushalt anstrebt. Die öffentlichen Investitionen liegen in Deutschland mit 1,6% im Verhältnis zum BIP deutlich niedriger als der Durchschnitt von 2,3% im Rest der Eurozone.

Ein öffentliches Investitionsprogramm würde dem Euro-Raum gut tun: Kurzfristig würde die gesamtwirtschaftliche Nachfrage angekurbelt. Und langfristig würde das Potenzielwachstum gefördert.

Das Argument, dass die Staatsschulden eine Belastung zukünftiger Generationen darstellen, ist ein Trugschluss. Künftige Generationen ererben schliesslich nicht nur Verbindlichkeiten, sondern auch Vermögenswerte (d.h. Kapitalstock) z.B. in Form von Infrastruktur.




Öffentliche Investitionen in der Eurozone, GraphProf. Paul De Grauwe

Dienstag, 16. September 2014

Ein Schreckgespenst namens Depression

Paul Krugman liefert in seinem Blog die folgende Abbildung, um deutlich vor Augen zu führen, wie die Lehren der 1930er Jahren in Europa ignoriert werden.

Als die Finanzkrise 2008 ausbrach, hatten diejenigen, die etwas über die Geschichte wissen, Alpträume über eine eventuelle Wiederholung der 1930er Jahre, nicht nur, was die Tiefe der Depression betrifft, sondern auch die abwärtsgerichtete Spirale in Diktaturen und Kriege.

Aber diesmal war es anders: Die Bankenkrise wurde unter Kontrolle gebracht. Der plötzliche Sturz der Produktion und der Beschäftigung hat sich eingepegelt.

Alles klar! Oder vielleicht doch nicht.

Im Hinblick auf die Volkswirtschaft folgte in Europa eine verquere Wendung zu Austerität in einer Kombination aus schlechter Geldpolitik und einem Währungssystem, welches in mancher Hinsicht schlimmer ist als der Goldstandard, wie Krugman weiter darlegt.

Auch wenn es am Anfang nicht so aussah, war die wirtschaftspolitische Antwort Europas auf die Krise eigentlich schlimmer als im Jahr 1935.



Europa in den 1930er Jahren und Euro-Raum seit 2008, Graph: Prof. Paul Krugman

Montag, 15. September 2014

Steuersätze und Wirtschaftswachstum

In einer kürzlich vorgelegten Studie untersuchen William Gale und Andy Samwick den Zusammenhang zwischen den Steuersätzen und dem Wirtschaftswachstum in den USA.

Dietz Vollrath, der die Analyse gelesen hat, fasst sie in seinem Blog zusammen: Es gibt keine Beziehung. Die Autoren ermitteln keine Veränderung im Trend der Wachstumsrate der realen Wirtschaftsleistung (BIP) pro Kopf in Bezug auf die Grenzsteuersätze, seien es Einkommen-, Ertrags- oder Bundessteuern.

Gale und Samwick deuten auf eine Studie („Growth Effects of Flat-Rate Taxes“) von Stokey und Rebelo aus dem Jahr 1995 hin, wo nachgewiesen wird, dass die Einführung der sehr hohen Steuersätze im Zweiten Weltkrieg das Trendwachstum der Wirtschaft gemessen am BIP pro Kopf nicht im geringsten verändert hat. Man denke daran, dass die hohen Steuersätze von damals auch nach dem Ende des Kriegs effektiv waren und eine gewisse Dauerhaftigkeit erlangten.

Auch die Analyse („Taxes and the Economy“) von Hungerford aus dem Jahr 2012, der im Grunde genommen nur die Nachkriegszeit unter die Lupe nimmt, ob die Schwankungen in den oberen Grenzsteuersätzen (auf Einkommen oder Kapitalgewinne) im Zusammenhang mit Wirtschaftswachstumsraten stehen: Das Ergebnis lautet: Nein. Wenn überhaupt, gehen höhere Kapitalerträge mit schnellerem Wirtschaftswachstum einher.



Steuersätze und Wirtschaftswachstum, Graph: William G. Gale and Andrew A. Samwick in: Effects of Income Tax Changes on Economic Growth, Sept 2014

Wo befindet sich die US-Wirtschaft im Konjunkturzyklus?

Das ist sicherlich eine gute Frage, die vom Zentrum der öffentlichen Debatte sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 nicht wegzudenken ist.

Die Ökonomen von Morgan Stanley unternehmen einen Versuch, anhand von vier Kriterien

Beschäftigung
Kreditbedingungen
corporate aggressiveness
Zinsstrukturkurve

eine Abhilfe zu schaffen. Die gesamte Analyse beruht auf der Abweichung dieser Messgrössen vom langfristigen Trend.




Wo sich die US-Wirtschaft im Konjunkturzyklus derzeit befindet, Graph: Andrew Sheets, Morgan Stanley

Sonntag, 14. September 2014

Wie Deutschland mit Lohn-Dumping seine Nachbarn unterboten hat

Das Problem in der Eurozone ist, dass Deutschland von 2000 bis 2007 im Verhältnis zu anderen Ländern in der EWU „zu wettbewerbsfähig“ geworden ist, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Ein Blick auf die Entwicklung der Lohnstückkosten (ULC: unit labor costs) in der Eurozone führt das deutlich vor Augen. Heiner Flassbeck hat bereits vor mehreren Jahren immer wieder darauf hingewiesen.

Nicht die EU-Peripherie, sondern Deutschland ist der Ausreisser, betont auch Francesco Saraceno in seinem Blog mit Hinweis auf die unterschiedliche Entwicklung der realen Lohnstückkosten in der EWU.

Während von 1999 bis 2008 die Lohnstückkosten in Deutschland flach verliefen, legten die Kosten in Italien um 2%, in Frankreich um 3%, in Belgien um 2,1% und in den Niederlanden um 2,3% zu.


Real-Löhne  und Produktivität in Deutschland, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis in: mainly macro

Patente, Innovationen und Wirtschaftswachstum

Es ist ein Mythos, zu glauben, dass Innovation rein auf Forschung und Entwicklung (F&E) basiert, schreibt Mariana Mazzucato in ihrem lesenswerten BuchDas Kapital des Staates“.

Auch die Bedeutung von Patenten für Innovationen und Wirtschaftswachstum wird heute falsch eingeschätzt, unterstreicht die an der Sussex University in Grossbritannien lehrende Wirtschaftsprofessorin.

Der Anstieg der Patente (z.B. in der Pharmabranche) reflektiert nicht einen Zuwachs an Innovationen, sondern einen Wandel

(1) in den Patentgesetzen und

(2) eine Vermehrung der Gründe, warum Patente angemeldet werden.

Was die wachsende Patentanmeldungen betrifft, betont Mazzucato, dass es in der Informations- und Kommunikationstechnik  eine Verschiebung gegeben hat

weg von der Entwicklung und dem Schutz firmeneigener Technologien, die aus F&E im eigenen Unternehmen hervorgegangen sind,

hin zu Kreuzlizenzen mit dem Ziel, Technologien (und damit verbunden Patente) einzukaufen, die anderswo entwickelt wurden.

Wenn man sich also nur die Zahl der Patente anschaut, ohne diese Dynamik mit zu berücksichtigen, ergibt sich ein falsches Bild.




Mariana Mazzucato: „Das Kapital des Staates“, Graph: Kunstmann Verlag

Samstag, 13. September 2014

Innovation bedeutet nicht unbedingt BIP-Wachstum

Während über die These säkulare Stagnation weiterhin energisch debattiert wird, gibt es zugleich auch Hinweise auf die technologische Innovation als die ultimative Quelle des wirtschaftlichen Wachstums.

Joel Mokyr schreibt in einem Artikel in WSJ, dass es grundsätzlich einen endlosen Spielraum gibt, dass sich die technologische Innovation fortsetzt: Autos ohne Lenker, Nano-Technologie, Materialwissenschaften, Biokraftstoffe usw.

Kurzum: Die Ideen gehen nicht aus.

Bedeuten all diese Innovationen aber ein Wachstumsschub für das BIP? Vielleicht, aber es hat in erster Linie mit dem BIP zu tun, nicht mit Innovation, bemerkt das The Growth Economics Blog dazu.

Viele neue Güter und Dienstleistungen sind teuer zum Gestalten (design). Sobald sie aber funktionieren, können sie zu sehr geringen oder sogar Null-Kosten leicht kopiert werden. Das heisst, dass sie tendenziell wenig zu Produktion (output) beitragen, auch wenn ihre Auswirkungen auf das Wohlergehen der Verbraucher sehr gross ist.

Bewertung der Wirtschaft, die auf Aggregaten wie dem BIP beruht, führt daher zunehmend irre, während Innovation sich beschleunigt, hebt Mokyr hervor.

Inflation-Kult und Politik

Jesse Eisinger schreibt im Deal Book von NYTimes, dass die Menschen, die ständig eine galoppierende Inflation vorhersagen, „wahre Gläubiger“ sind: Ihr Glaube an einer vorausgesagten Apokalypse bleibt bestehen, auch wenn ihre Vorhersage kläglich scheitert.

Paul Krugman stimmt in seiner lesenswerten Kolumne („The Inflation Cult“) am Freitag in NYTimes zu: Die bemerkenswerte Sache ist, dass diese Experten, die immer fehlschlagen, und nie Zweifel zeigen, weiterhin einen grossen politischen Einfluss auf die Öffentlichkeit ausüben.

Es ist etwas los hier, so Krugman. Was es ist, ist nicht ganz klar. Der am Graduierten Zentrum der City University of New Yorker (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor hat in seinem Blog mehrmals darauf hingewiesen, wie die Reichen dazu neigen, sich gegen die easy money-Politik zu stellen, was sie als Widerspruch zu ihren eigenen Interessen betrachten. Aber das erklärt nicht die breite Anziehungskraft der Propheten, die mit ihren Prophezeiungen kläglich versagen.

Zum Teil ist die Anziehungskraft eindeutig politisch. Es gibt einen Grund, warum: Paul Ryan warnt vor einer Währungsabwertung und davor, dass der Staat umverteilt, von den „Machern“ zu den „Abnehmern“. 

Inflation-Kultanhänger verbinden die Geldpolitik der Fed immer mit Beschwerden über die Staatsausgaben. Sie liegen völlig falsch, was die Details betrifft, so Krugman. Nein, die Fed drückt nicht Geld, um das Haushaltsdefizit zu decken. Aber es ist wahr, dass die Regierungen, deren Schulden in der Landeswährung denominiert sind, über mehr fiskalpolitische Flexibilität verfügen, um Gegenmassnahmen zu treffen, wenn es notwendig wird.

Donnerstag, 11. September 2014

Wie die QE-Politik den Haushalt entlastet

Die folgende Abbildung des WSJ zeigt, wie die Kosten an Zinsen, die die US-Regierung decken muss, in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen sind.

Der Rückgang des Zinsaufwands verdankt der Staat in erster Linie der QE-Politik der US-Notenbank (Fed), die im Sog der Finanzkrise von 2008 als unkonventionelle Massnahme ergriffenwurde, betont das WSJ mit Nachdruck.

Das Haushaltsdefizit mag mit 500 Mrd. USD nach wie vor hoch erscheinen. Aber es liegt im Vergleich zur Wirtschaftsleistung unter dem Durchschnitt der letzten vier Jahrzehnte.

Die Fed hat im Rahmen der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (quantitative easing) auf offenem Markt Staatsanleihen im Wert von 4‘000 Mrd. USD gekauft.

Der durchschnittliche Zinssatz der US-Regierung für Verbindlichkeiten beläuft sich im laufenden Geschäftsjahr auf 1,8%. Damit beträgt Schuldendienst heute als Anteil an der Wirtschaftsleistung (BIP) deutlich niedriger als vor 40 Jahren, obwohl die ausstehenden Schulden proportional dreimal so hoch sind als damals.



Zinsaufwand der US-Regierung, Graph: WSJ in: “Thank the Fed for that lower deficit

Mittwoch, 10. September 2014

„Geldabwurf aus dem Helikopter“ versus „Quantitative Easing“

Was ist der Unterschied zwischen dem „Geldabwurf aus dem Helikopter“ (helicopter money) und der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (quantitative easing)?

Es gibt grundsätzlich zwei Unterschiede, wie Simon Wren-Lewis in seinem Blog erklärt.

Der erste Unterschied ist, wohin das Geld fliesst: QE, wie sie in Grossbritannien und in den USA umgesetzt wird, beinhaltet in gewissem Umfang „Geld-drucken“ (money printing), um Staatspapiere zu kaufen, argumentiert der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Geldabwurf aus dem Helikopter ist wie wenn die Zentralbank an alle in der Wirtschaft einen Scheck schicken würde.

Der zweite Unterschied ist, ob die Schaffung des neuen Geldes dauerhaft oder vorübergehend ist. QE ist, wenn man die Zentralbanker fragt, zeitlich begrenzt, also temporär. Wenn die Wirtschaft sich wieder erholt, und es das erste Anzeichen einer Inflation gibt, wird die QE-Politik wieder zurückgestellt.

Der Geldabwurf aus dem Hubschrauber wird hingegen als dauerhaft angesehen, da die Zentralbank Schecks schickt und keine Kredite vergibt.

Dienstag, 9. September 2014

SNB’s Mindestkurs vor einer neuen Herausforderung

Die SNB hat vor drei Jahren im September 2011 einen Mindestkurs (minimum exchange rate) von 1,20 CHF pro EUR festgelegt.

Begründung: Die massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine aktue Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung.

Die EZB hat am 4. September 2014 die Geldpolitik weiter gelockert und zielt u.a. darauf ab, den Euro zu schwächen. Nach Mario Draghis Presserklärung ist der EUR gegenüber dem CHF tatsächlich schwächer geworden.

Während sich die SNB also einen festen EUR wünscht, strebt die EZB einen schwachen EUR an. Bemerkenswert ist, dass die SNB in den letzten zwei Jahren den Mindestkurs mit Interventionen am Devisenmarkt nicht mehr durchsetzen müssen.

Nachdem die Zinsdifferenz nun deutlich abgenommen und auch Inflationsunterschied zwischen der Eurozone und der Schweiz sich reduziert hat, stellt sich die Frage, ob der Mindestkurs einer neuen Herausforderung gegenüber steht? Die Antwort ist ein klares Ja.



EUR zum USD zum ersten Mal seit Juli 2013 unter 1,30, Graph: ZKB in DMO

Montag, 8. September 2014

Steigende Realrenditen in der Eurozone und „Helicopter Mario“

Der Nachfragemangel ist derart frappant, dass inzwischen auch die Eurozone auf der Null-Grenze (zero lower bound) angekommen ist wie die US-Notenbank bereits vor einigen Jahren.

Mario Draghi hat nun endlich zugegeben, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen in der Eurozone nicht mehr verankert sind, weil es mittlerweile lächerlich wurde, das Gegenteil zu behaupten

Was jetzt geschieht ist, dass die Inflation fällt und die Realzinsen steigen. Antonio Fatas liefert in seinem Blog die folgende Abbildung, um die unterschiedliche Entwicklung der Realzinsen zwischen den USA und Europa zu zeigen. Die Berechnung beruht auf Leitzinsen der Zentralbanken abzüglich der einjährigen Inflation gegenüber dem Vorjahr.



Realzinsen im Vergleich: USA versus Eurozone, Graph: Prof. Antonio Fatas

Schotten-Referendum und Land ohne Währung

Am 18. September werden die Schotten darüber abstimmen, ob sie weiter zum Vereinigten Königreich gehören oder einen eigenständigen Staat haben wollen. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge befürwortet erstmals eine Mehrheit in Schottland eine Abspaltung von Grossbritannien. Bisher gingen Beobachter davona aus, dass die Schotten sich gegen eine Loslösung von Grossbritannien aussprechen würden.

Es sei Aktivisten für die Unabhängigkeit gelungen, den „fear factor“ zu verringern. Damit ist die Besorgnis über das wirtschaftliche Risiko des Alleingangs gemeint, schreibt Paul Krugman hat in seiner lesenswerten Kolumne am Montag in NYTimes und sendet eine Botschaft für die Schotten: fürchtet Euch, fürchtet Euch sehr. Die Risiken des Alleingangs sind riesig. Sie mögen denken, dass Schottland zu einem neuen Kanada wird. Aber es ist nur allzu wahrscheinlich, dass es daraus am Ende Spanien ohne Sonne wird.

Schottland mit Kanada zu vergleichen, mag auf den ersten Blick ziemlich vernüftig erscheinen. Schliesslich ist Kanada wie Schottland eine relativ kleine Wirtschaft, die den meisten Handel mit dem viel grösseren Nachbarn treibt. Und was das kanadische Beispiel zeigt, kann es funktionieren, erklärt Krugman.

Kanada hat aber seine eigene Währung. Ein unabhängiges Schottland nicht. Die schottische Unabhängigkeitsbewegung hat die deutliche Absicht unterstrichen, das Pfund als Währung zu behalten. Und die Kombination der politischen Unabhängigkeit mit einer gemeinsamen Währung ist ein Rezept für eine Katastrophe, argumentiert der am Graduierten-Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor, womit das warnende Beispiel Spanien ins Spiel kommt.

Sonntag, 7. September 2014

Mythos über Fachkräftemangel

Die Behauptung, dass es auf dem Arbeitsmarkt eine riesige „Qualifikationslücke“ (skills gap) gibt, dass ein Grossteil der Arbeitslosigkeit strukturell ist, was eine unzureichend gerüstete Erwerbsbevölkerung (work force) widerspiegele, beruhen im Allgemeinen darauf, dass wir in einer ungewöhnlichen Situation sind, wo es viele offene Arbeitsplätze gibt, auch wenn es viele arbeitslose Menschen gibt.

Als Beispiel kann ein Artikel über den angeblichen „Fachkräftemangel“ (skills gap), der u.a. von Jamie Dimon Anfang des Jahres  mit geschrieben worden ist, angeführt werden, wie Paul Krugman in seinem Blog unterstreicht.

Heute gibt es in den USA 11 Millionen arbeitslose Amerikaner. Doch zur gleichen Zeit gibt es 4 Millionen unbesetzte Stellen. Das ist die „Qualifikationslücke“, argumentiert Krugman, d.h. die Lücke zwischen den Qualifikationen der gegenwärtig Arbeitsuchenden und den Qualifikationen, die die Arbeitgeber suchen, um offene Stellen zu besetzen.



US Beveridge Kurve, Graph: Murat Tasci and Jessica Ice, Cleveland Fed in: Reassessing the Beveridge Curve “Shift” Four Years Later, Sept 5, 2014

Samstag, 6. September 2014

Realrenditen und Währungen in einem deflationären Umfeld

In der folgenden sehr interessanten Abbildung werden Real-Renditen und die Reaktion (Auf- und/oder Abwertung) der entsprechenden Währungen dargestellt.

Was daraus hervorgeht, ist die Beobachtung, dass der Verlauf der Real-Renditen nicht mehr eine ausreichende und notwendige Bedingung für die Stärke oder Schwäche einer Währung liefern, wie die Autoren der Analyse von Morgan Stanley unterstreichen.

Die NZD bietet z.B. die höchste Real-Rendite. Die Währung hat aber in den vergangenen sechs Monaten um mehr als 3% an Wert verloren.

Auf der anderen Seite offerieren die USA die niedrigste Real-Rendite. Der USD ist aber kräftig gestiegen. Wie lässt diese Entwicklung erklären?




Real-Renditen im Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Interesse geleitete Angstpolitik vor Inflation

Die EZB hat am Donnerstag eine Reihe von neuen Schritten angekündigt, in dem Bemühen, um Europas Wirtschaft anzukurbeln. Ihre Epiphanie ist aber möglicherweise zu spät gekommen, kommentiert Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Deflation Caucus“) am Freitag in NYTimes.

Es ist alles andere als klar, dass die Massnahmen, die jetzt auf dem Tisch liegen, ausreichen, um die Abwärtsspirale zu unterbinden, so der am Graduierten-Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Und Bernanke zuliebe, na bitte, geht doch! Dinge sind bei weitem nicht OK. Aber wir scheinen von der Art der Falle, der Europa gegenübersieht, wegzukommen, unterstreicht Krugman weiter. Warum? Eine Antwort ist, dass die Fed vor Jahren begonnen hat, das Richtige zu tun, durch den Ankauf von Anleihen Billionen von Dollar Wert, um eine Situation wie in Europa zu vermeiden.

Man kann argumentieren, dass die Fed hätte mehr tun sollen. Aber die Fed-Beamten standen heftigen Attacken gegenüber. Experten, Politiker und Plutokraten beschuldigte sie, immer und immer wieder, den Dollar zu „entwerten“ (debasing the dollar), und warnten vor einer kräftig steigenden Inflation, die um die Ecke lauere.

Aber sie geben heute nicht zu, obwohl sie Jahr für Jahr falsch lagen, dass sie damit fehlschlugen. Oder sie haben nicht einmal den Mut, ihre Meinung zu ändern. Und die Frage, die Krugman immer wieder stellt, ist, warum. Weshalb verlangt eine mächtige Fraktion in unserem Gemeinwesen (genannt „deflation caucus“) ständig eine Politik des knappen Geldes (tight  money), auch in einer schwer angeschlagenen (depressiv) Wirtschaft mit Niedriginflation?

Die sonderbare “Arbeitslosigkeit bedeutet Urlaub machen”-These

Arbeiten die Menschen weniger, weil sie vom Staat bezahlt werden, nicht zu arbeiten? Eine grosse Anzahl von Menschen scheint zu denken, dass dem wirklich so ist. Die Idee ist v.a. auf der rechten Seite des politischen Spektrums besonders populär. Man denke an die berüchtigte Aussage von „47 Prozent“ von Mitt Romney im Jahr 2012.

Bemerkenswert ist aber, dass eine überraschend hohe Zahl von Wirtschaftswissenschaftlern und darunter auch eher linksgerichtete Experten auf die Idee zurückgreifen, wie Noah Smith in einem lesenswerten Beitrag in BloombergView schildert.

Zum Beispiel Casey Mulligan, Wirtschaftsprofessor an der University of Chicago und ein Blogger für die New York Times sagt, dass eine Reihe von Programmen, die von der Regierung gestartet wurden, um die Auswirkungen der Great Recession zu mildern, einen Anreiz für Menschen bieten, arbeitslos zu bleiben. Das ist zugleich die These des aktuellen Buches von Mulligan („The Redistribution Recession“). Die Grundidee ist, dass Sozialleistungen wie eine Art implizite hohe Steuern auf die Armen wirken.

Auch Kurt Mitman, ein Makroökonom an der Universität von Stockholm ist ein Befürworter. Er vertritt die Ansicht, dass der Schluss mit Arbeitslosenversicherung am Anfang des Jahres sowohl die Beschäftigung als auch die Erwerbsquote (labor force participation) steigern würde.

Die Arbeitslosigkeit ist zwar in den vergangenen Monaten in den USA etwas gesunken, aber die Erwerbsquote ist nicht gestiegen, was Mitmans These nicht unterstützt, erklärt Smith.

Freitag, 5. September 2014

Warum investieren Unternehmen nicht?

Fast sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise gibt es immer noch kein Licht am Ende des Tunnels im Euroraum. Was auffält, sind fehlende Investitionen. Warum investieren aber Unternehmen trotz historisch niedrigen Zinsen nicht?

Mark Dittli geht heute in einem lesenswerten Blog-Beitrag der Frage der Investitionsflaute nach und erklärt, anhand von ein paar sehenswerten Charts, dass das Verhalten der Unternehmen im kurzfristigen Anreizsystem der Topmanager liegt. Unternehmensführer schütten Dividenden aus und kaufen am Markt eigene Aktien zurück, anstatt Kapitalinvestitionen zu tätigen.

Die historisch niedrigen Zinsen bieten in Grunde genommen eine günstige Gelegenheit, grosse Investitionsprogramme zu starten. Die deutsche Regierungen kann sich z.B. für 10 Jahre zu 0,93% Geld leihen. Öffentliche Investitionen als Teil des BIP gehören in Deutschland zu den niedrigsten der ganzen Eurozone.

Ein anderer wichtiger Faktor in Europa, warum Kapitalinvestitionen fehlen, ist die dogmatische Austeritätspolitik der europäischen Liquidationisten: Die Gürtel müssen enger geschnallt werden. Die Inflation lauert um die Ecke. Der Haushalt muss ausgeglichen werden.  Südeuropa hat gesündigt und es muss gebüsst werden. Einen schlechteren Ansatz zur Lösung der Euro-Krise gibt es eigentlich nicht.



Europäische Unternehmen; Bargeld, Kreditaufnahme, Kapitalinvestitionen und Aktienrückkäufe, Graph: Mark Dittli Finanz und Wirtschaft

Donnerstag, 4. September 2014

Die EZB senkt die Zinsen - Die Austeritätspolitik bleibt bestehen

Die EZB hat heute die Zinsen gesenkt. Die Entscheidung sei nicht einstimmig gefallen, hiess es in der Pressekonferenz.

(1) Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte (refi rate) wurde um 10 Basispunkte auf 0,05% gesenkt.

Das ist der sog. Leitzins, zudem die Banken bei der EZB zeitllich befristet Zentralbankgeld gegen Sicherheit umtauschen können.

(2) Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität (lending rate) wurde um 10 Basispunkte auf 0,30% gesenkt.

Das heisst, dass die Banken, wenn sie bei der EZB kurzfristig (über Nacht) Geld ausleihen, 0,3% zahlen müssen

(3) Der Zinssatz für die Einlagefazilität (deposit rate) wurde um 10 Basispunkte auf -0,20% gesenkt.

Das heisst, dass die Banken, wenn sie Geld bei der EZB parken, statt Kredit an Unternehmen zu vergeben, einen „Strafzins“ (-0,20%) zahlen müssen.

Die gesamte Zinsstrukturkurve war im Vorfeld negativ. Was der Zusammensturz der langfristigen Forward Real-Renditen längst andeutete, wurde damit nun Realität.

Die EZB hat zugleich auch den Aufkauf von ABS-Papieren (ABSPP) und Pfandbriefen (CBPP3) angekündigt. Mario Draghi will also den Kreditvergabe-Kanal durch die Banken reparieren.


Euro Real-Rendite Laufzeitprämie (term premium), Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 3. September 2014

Renditen ausser sich

Hier ist eine sehenswerte Abbildung, die zeigt, aus welchen Komponenten sich die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit zusammensetzt.

David Beckworth zerlegt die Zusammensetzung des langfristigen Zinssatzes in drei Teile: (1) der durchschnittlich erwartete kurzfristige Real-Rendite, (2) die durchschnittliche Inflationserwartung und (3) Laufzeitprämie (term premium).




Wie sich die Rendite der US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit zusammensetzt, Graph: Bruegel Blog Review

Dienstag, 2. September 2014

Europas Problem ist Mangel an Schuldnern

Die derzeit vorherrschende Deflationsneigung in der Eurozone ist auf die fatale Fehldiagnose der EU-Behörden über die wahren Ursachen der Euro-Krise zurückzuführen.

Europas verhängnisvolle Täuschung war, dass die Euro-Krise durch verschwenderische Haushaltsführung zustande gekommen sei. Das mag auf Griechenland zustimmen. Spanien und Irland hatten aber am Vorabend der Krise einen Haushaltsüberschuss und wenig Schulden.

In der gesamten Eurozone war es der Privatsektor, der mit Fremdkapital (leverage) Anlagegüter gekauft hat, und zwar während der Spekulationsphase am Immobilienmarkt. Nachdem Platzen der Blase war der Wert der Schulden höher als der Wert der Anlagegüter, sodass die Bilanzen der privaten Haushalte „unter Wasser“ geriet.

Wenn der private Sektor spart und Schulden abbaut (deleveraging), liegt die Güternachfrage niedriger als das Güterangebot, sodass eine deflationäre Lücke entsteht.

Wenn niemand bereit ist, die vorhandenen Ersparnisse aufzunehmen (sich zu verschulden) und auszugeben (zu investieren), dann ist die Gefahr gross, dass es mit der Zeit zu einer Deflationsspirale kommt, wie in den 1930er Jahren während der Great Depression gewesen ist.

Montag, 1. September 2014

Inflationserwartungen im Euro-Raum sind nicht verankert

Spekulation schiessen über weitere geldpolitische Lockerung in der Eurozone wild ins Kraut. Mario Draghi hat mit seiner Rede in Jackson Hole offenbar hohe Erwartungen geweckt. EZB-Präsident will die Inflationsrate wieder in Richtung 2% heben. Aber wie?

Eine mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) à la USA und/oder Japan kommt nicht in Frage, wie Wolfgang Schäuble, Deutschlands Finanzminister am Wochenende unverblümt festgehalten hat.

Auch François Hollandes Erklärungen, dass die EZB mehr unternehmen müsse, um das Wachstum im Euro-Raum anzukurbeln, wurden durch Berlin im Keim erstickt.

Draghi hatte bisher die Ansicht vertreten, dass die Inflationserwartungen im Euro-Raum verankert seien. Auf dem Zentralbanktreffen in den USA hat er jedoch eingestanden, dass die Inflationserwartungen merklich gefallen sind.


Inflationserwartungen im Euro-Raum (gemessen an Inflationsswaps), Graph: ZKB in DMO