Sonntag, 27. Dezember 2020

Warum steigt die Inflation nicht an?

Die SNB berichtet im aktuellen Quartalsheft (4/2020 Dezember), dass die Notenbankgeldmenge per November 2020 728,5 Mrd. CHF betragen hat. Und damit 10,6 Mrd. CHF mehr als im August. 

Zum Vergleich: Im November 2008 belief sich die entsprechende Summe auf 55,6 Mrd. CHF. Die Geldbasis (base money) hat damit in 12 Jahren um das 13-fache zugelegt.

Doch die Inflation in der Schweiz weist einen negativen Wert (per November) auf Jahresbasis auf: CPI: -0,7% (Kernrate: -0,2%) und PPI: -2,7%.

Die Notenbankgeldmenge (monetary base), die aus Noten im Umlauf und Giroguthaben inländischer Banken bei der SNB besteht, hat also nicht zu einem Anstieg der Inflation geführt.

Warum?

Wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt und die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) liegen, löst der Anstieg der Notenbankgeldmenge keine Inflation aus.

Wenn die Wirtschaft auf der Nullzins-Grenze landet, verliert die (konventionelle) Geldpolitik an Zugkraft. Das ist eine Situation, wo Haushaltsdefizite kein „crowding-out“ auslösen und die fiskalischen Multiplikatoren viel höher sind als sonst.



Notenbankgeldmenge, Graph: SNB, 23 Dezember 2020 

Sonntag, 13. Dezember 2020

Unternehmen, Unternehmensanleihen und keine Investitionen

Der Marktwert des Bloomberg Barclay Global Negative Yielding Debt Index ist am Donnerstag auf $18,04 Billionen gestiegen. 

Das ist der höchste, jemals verzeichnete Stand. Das bedeutet, dass 27% der Anleihen (Rating: IG, investment grade) mit einer Rendite gehandelt werden, die unter null liegen.

Wie das Nordea-Research Team vor einer Woche unterstrichen hat, ist auch die reale Rendite von US-Unternehmensanleihen zum ersten Mal negativ geworden.

Viele festverzinsliche Sektoren haben im Jahr 2020 einen Emissionsrekord verzeichnet: Das Nettoangebot an Staatsanleihen ist um 4 Billionen USD gestiegen, während die Bruttoemissionen von Unternehmensanleihen und MBS dank rekordniedriger Zinssätze bei 2 Billionen US-Dollar bzw. 2,8 Billionen USD liegen. 

Zweifellos hat die Fed mit ihrem massiven QE-Programm eine enorme Nachfrage nach Staats- und Hypothekenanleihen ausgelöst, während die Nachfrage des privaten Sektors die Welle der Unternehmensemissionen problemlos absorbiert hat. 


Die reale Rendite von US-Unternehmensanleihen ist negativ geworden, Graph: Nordea, Dec 07, 2020

Samstag, 5. Dezember 2020

Staatsverschuldung: Viel Lärm um nichts

Im Anschluss des vorangegangenen Blog-Eintrags ist es passend, auf eine sehenswerte Abbildung, die das Nordea Research Team am Freitag zusammengestellt hat, hinzuweisen.

Die Frage, warum die Zinsen so niedrig sind, steht seit der GFC 2008-2009 (Global Financial Crisis) im Mittelpunkt der gegenwärtigen makroökonomischen Debatte. Eine heiss-geführte Debatte, die sicherlich neue Erkenntnisse geliefert und die wirtschaftspolitische Theorie à la Keynes unterstützt hat. 

Die Frage lässt sich auch andersrum stellen: Wann werden die Zinsen steigen? 

Die Antwort ist sehr einfach: wenn die Wirtschaft wieder wächst. Punkt. Das heisst, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wieder zunimmt.

Eine weitere, verblüffende Abbildung in diesem Zusammenhang wurde heute von Paul Krugman auf Twitter präsentiert.

Ein Rückblick auf die Wirtschaft der Trump-Ära zeigt, wie à la Keynes die wirtschaftspolitischen Massnahmen in der Praxis zuletzt waren.

Der Chart zeigt das konjunkturbereinigte Haushaltsdefizit (cyclically adjusted budget deficit), was als ein grobes Mass für fiskalpolitische Anreize (fiscal stimulus) gilt.


Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der nominalen Zinsen, Graph: Nordea Market, Dec 04, 2020

Dienstag, 1. Dezember 2020

Wann werden die Zinsen steigen?

Prominente Ökonomen haben in Grossbritannien neulich einen Brief an Tim Davie, dem Generaldirektor der BBC geschrieben und eingewandt, dass einige BBC-Berichte die finanziellen Sachzwänge in Bezug auf Ausgaben, denen die britische Regierung ausgesetzt ist, falsch dargestellt hätten. 

Die Beschwerde betrifft den unangemessenen Gebrauch von Analogien zwischen dem Staat und den privaten Haushalten

Die Kreditaufnahme des öffentlichen Sektors werde mit der Kreditkarte einer Privatperson verglichen, eine Kreditkarte, deren Limit völlig überzogen und ausgepumpt ist. 

Die Autoren des Briefes argumentieren, dass die Situation damit falsch dargestellt werde, und zwar mit einer Reihe von falschen Vorstellungen, die über die Makroökonomie und die öffentlichen Finanzen reproduziert würden.

Die Analogie „Kreditkarte“ ist niemals eine angemessene Metapher für die öffentlichen Finanzen, notieren die unterzeichnenden Wirtschaftsprofessoren, darunter Daniela Gabor, Stephany Griffith-Jones, Jonathan Portes, Robert Skidelsky, David Vines und Simon Wren-Lewis. 

Die Überbelastung einer Kreditkarte würde nämlich bedeuten, dass die Regierung sich einer harten Grenze ihrer Kreditaufnahme nähere. Dies ist aber nicht der Fall. 


Die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen in den USA (0,88%), Grossbritannien (0,31%) , Japan (0,02%) und Deutschland (-0,57%), Graph: FT, Nov 26, 2020 

Freitag, 27. November 2020

Corona-Krise und Staatsverschuldung: Wer bezahlt das?

Die Corona-Krise hat praktisch alle Länder der Welt vor beispiellose Herausforderungen gestellt.

Was dabei auffällt, ist, dass der öffentliche Sektor sich nach besten Kräften bemüht, den privaten Sektor zu stützen; die Bürger, Unternehmen und die Beschäftigung.

Während die Regierungen die Ausgaben erhöhen, steigt aber die Staatsverschuldung. Die Frage, die daher immer wieder aufgeworfen wird, lautet, wer das alles bezahlen soll.

Die Kosten der Massnahmen, die zur Bewältigung der Corona-Krise ergriffen werden, werden zumeist über die berühmt-berüchtigte Formel „debt-to-GDP“, Verschuldung im Verhältnis zum BIP, gemessen.

Es ist aber nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im Allgemeinen falsch, die wachsenden Haushaltsdefizite als Ursache und nicht als Ergebnis der Schwäche der Realwirtschaft zu betrachten.

Zur Erinnerung: Der Staat verordnet aufgrund der Pandemie die Schliessung der Geschäfte („lockdown“), um die Gesundheit der Bürger zu schützen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fällt aus und die Beschäftigung wird abgebaut, Menschen werden arbeitslos. Und die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, da die Einnahmen fehlen. Das alles lastet folglich auf dem Wachstum.


Die Metrikdebt-to-GDP“ ist ein Bruch, Graph: Jason Furman, Nov 19, 2020 

Mittwoch, 25. November 2020

Sparer und negative Realzinsen

Die Future-Märkte rechnen tendenziell nach wie vor mit einer weiteren Senkung des Einlagenzinssatzes durch die EZB

Eine Anhebung der Einlagen-Zinsen um 10 Basispunkte ist demnach erst in der zweiten Jahreshälfte von 2025 zu erwarten, während die Future-Kontrakte eine Zinssenkung für Anfang 2022 einrechnen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die Schlagzeilen wie z.B. „deutsche Sparer werden bei Nullzinsen enteignet“ oder „der Weg aus der Krise geht über die Enteignung der Sparer“ immer noch das Schaufenster der Medien gestalten.

Doch stimmen die Behauptungen? Was sagt die empirische Evidenz dazu? Ist die Geldpolitik der EZB tatsächlich ein grosses Problem dabei?

Viele Menschen mögen überrascht sein zu erfahren, dass negative Realzinsen kein neues Phänomen sind, sagte Isabel Schnabel am Dienstag im Rahmen eines Vortrags in Frankfurt. 

In Deutschland zum Beispiel liegt der durchschnittliche Realzins für Spar- und Sichteinlagen seit der Einführung des Euro etwa auf dem Niveau des Durchschnitts der letzten zwei Jahrzehnte, wie die folgende Abbildung eindeutig vor Augen führt.  


Negative Realzinsen sind kein neues Phänomen, Graph: Isabel Schnabel, EZB, Nov 24, 2020

Sonntag, 15. November 2020

Atlas der Weltwirtschaft

Buchbesprechung

Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker und Stefan Dudey: „Atlas der Weltwirtschaft“ – Zahlen, Fakten und Analysen zur globalisierten Ökonomie, Westend Verlag, Frankfurt, November 2020


Ein Bild sagt wirklich mehr als tausend Worte. „Atlas der Weltwirtschaft“ ist ein mit viel Abbildungen, Diagrammen und Tabellen versehenes Nachschlagewerk zum Wissensbereich Wirtschaft. 

Genau wie die in der Kartografie gebräuchliche Wortbedeutung bietet diese Meisterleistung eine Sammlung inhaltlich, national und international zusammenhängender Themen (Aussenhandel, Arbeitslosigkeit, Sparen & Investieren, Wechselkurse, Löhne, Klimawandel usw.) in Buchform.

Wirtschaft prägt die Welt, in der wir leben. 

Angesichts der Dominanz der Ökonomie im öffentlichen Leben ist es keine Überraschung, dass sich so viele Uni-Studenten dafür entscheiden, einen kleinen Teil ihrer Ausbildung dem Studium der Volkswirtschaftslehre zu widmen.

Das Wirtschaftswachstum ist heute geringer als in den 25 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Einkommen fallen und die Löhne stagnieren. Die Unterbeschäftigung ist die neue Arbeitslosigkeit. Deflation ist eine ernstzunehmende Drohung. Die Zinsen verharren auf der Stelle, nahe „zero lower bound“. 

Nach dem spektakulären Scheitern der neoliberalen Ideologie brauchen wir eine neue „economic story“.

Donnerstag, 12. November 2020

Arbeitsmarkt, Löhne und Beschäftigung

Heiner Flassbeck pflegt zu sagen, dass der Arbeitsmarkt nicht wie der Kartoffelmarkt funktioniert. Im Grunde genommen ist der Arbeitsmarkt kein Markt. Denn das Angebot und Nachfrage sind nicht voneinander unabhängig.

Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu lesen, wie die Fed St. Louis in einem jüngst veröffentlichten Research-Paper („Lump of Labor“ Fallacy) die oben zitierte Aussage ausführlich bestätigt.

In Wirklichkeit ist die Nachfrage nach Arbeitskräften nicht fixiert. Veränderungen in einer Branche können durch das Wachstum in einer anderen Branche ausgeglichen oder überschattet werden. Und wenn die Erwerbsbevölkerung wächst, steigt auch die Gesamtbeschäftigung, erklären die Autoren der Forschungsarbeit.

Die Analyse enthält zudem zwei Lektionen, die die „lump of labor“ Fallacy widerlegen, und sie erläutert anhand eines einfachen Wirtschaftsmodells, wie die Wirtschaft funktioniert, und beleuchtet, wie Technologie und Einwanderung den Lebensstandard erhöhen können. 


Wirtschaftskreislauf (The Circular Flow Model), Graph: St. Louis Fed, Research, Nov 2020 

Montag, 2. November 2020

Fiskalischer Handlungsspielraum und empirische Evidenz

Die aktuellen Daten reflektieren, dass die Prognosen der gängigen Wirtschaftsmodelle kläglich gescheitert sind.

Die Behauptung, dass die „zu lockere Geldpolitik“ die Inflationsrate massiv in die Höhe treiben würde, hat sich jeder Grundlage entbehrt. 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mainstream-Ökonomen den grössten Wert auf die Geldpolitik legen, als wirksames Mittel zur Steuerung der wirtschaftlichen Schwankungen. 

Doch die empirische Erfahrung seit GFC 2007-2008 zeigt, dass es der Geldpolitik (allein) nicht gelungen ist, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Zur Evidenz der vergangenen zehn Jahre: 

Die QE-Politik (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) der Zentralbank hat nicht zu einem Anstieg der Inflation geführt.

Aber auch eine langanhaltende Periode niedriger Zinssätze hat keine Inflation ausgelöst. 

Das bedeutet, dass es viel Raum für weitere fiskalische Anreize (fiscal policy) gibt, der Wirtschaft auf die Beine zu helfen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung abzubauen.


Die €STR-Swapsätze der EZB implizieren eine Wahrscheinlichkeit von 1/3 für eine Senkung der Einlagen-Zinsen um 10 Basispunkte im Dezember. Dennoch rechnet Nordea Research Team damit, dass eine weitere Senkung des TLTRO-Satzes wahrscheinlicher ist, Graph: Nordea Markets, Oct 30, 2020

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Spanien: Eine Frage der Verschuldung

Steve Keen hat im Jahr 2017 ein lesenswertes Buch veröffentlicht: „Can We Avoid Another Financial Crisis?“.

Die These, die der Wirtschaftsprofessor aus Australien in seinem Werk vertritt, ist, dass die Wirtschaftskrisen nicht durch Staatsverschuldung, sondern durch private Schulden verursacht werden.

Das Buch wird in Kürze auf Spanisch erscheinen.

Im Vorwort für die spanische Version seines Buches schreibt Keen nun, dass Spanien in vielerlei Hinsicht ein Lehrbuchbeispiel für die wirtschaftlichen Kräfte ist, die die globale Finanzkrise (GFC) verursacht haben. 

Der Fall Spanien ist zudem auch dafür lehrreich, wie konventionelles wirtschaftliches Denken, dramatisch verkörpert in den restriktiven Maastricht-Kriterien (*) der EU in Bezug auf die Staatsverschuldung und den Haushalt, dazu beigetragen hat, die Krise auszulösen und die Auswirkungen noch zu verschlimmern, fügt der an der Kingston University in London forschende Ökonom weiter hinzu.


Spaniens Verschuldung: Privatsektor versus Staat, Graph: Prof. Steve Keen, Oct 12, 2020 


Samstag, 17. Oktober 2020

Covid-19 Krise und IWFs Gesinnungswandel

Die COVID-19 Krise hat das Leben vieler Menschen, zahlreiche Arbeitsplätze und die Unternehmen verwüstet.

Laut IWF belaufen sich die Kosten weltweit auf schwindelerregende 12 Billionen USD. Die Regierungen ergreifen beispiellose Massnahmen, um den Schock abzufedern. 

Zudem zeigt IWF im Fiscal Monitor, dass steigende öffentliche Investitionen in den fortgeschrittenen und aufstrebenden Markwirtschaften dazu beitragen könnten, die Wirtschaftstätigkeit nach dem schärften und tiefsten globalen Wirtschaftseinbruch der Zeitgeschichte wieder anzukurbeln.

Sie könnten auch kurzfristig Millionen von Arbeitsplätzen direkt und über einen längeren Zeitraum weitere Millionen indirekt schaffen.

Eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen um 1% des BIP könnte nach Angaben des IWF das Vertrauen in den Aufschwung stärken und das BIP um 2,7%, die privaten Investitionen um 10% und die Beschäftigung um 1,2% fördern, wenn die Investitionen von hoher Qualität sind.


Die tiefen Spuren der Covid-19 Krise; der Rückgang des Wachstums zwischen 2019 und 2025 (Prognose), Graph: FT, Oct 15, 2020 

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Italiens Staatsanleihen und EZB als „lender of last resort“

Es gibt gute Nachrichten aus Italien. Der Spread der Renditen 10-jähriger Staatsanleihen (BTP) Italiens gegenüber entsprechenden deutschen Bundesanleihen ist auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2018 gesunken.

Das bedeutet, dass das Vertrauen zurückgekehrt ist.

Die Rendite-Differenz (spread) gilt im Allgemeinen als das beste Mass für das wahrgenommene politische Risiko in Italien.

Dass der Aufschlag wieder auf das Niveau von Anfang 2018 zurückgegangen ist, zeigt die Stärke des wiedererwachten Optimismus über die Zukunft der Eurozone, wie John Authers seiner Kolumne bei Bloomberg Opinion unterstreicht. 

Dahinter steckt sicherlich die nach einem Verhandlungsmarathon ausgehandelte Vereinbarung der EU, gemeinsam Anleihen zur Finanzierung der COVID-19 Hilfe aufzubringen.

Authers liefert dazu zwei bemerkenswerte Abbildungen von Jim Reid, Deutsche Bank AG. In dem einen Chart sehen wir die Entwicklung der Rendite der italienischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit.


Die Renditen der Staatsanleihen Italiens und Griechenlands mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FT, Oct 15, 2020

Samstag, 10. Oktober 2020

Verschuldung steigt, die Zinsen aber nicht – Warum?

Brendan Greely, FT-Reporter bittet Kristalina Georgieva, die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) in einem Interview ganz klar zu sein: 

Ist der Fonds bereit, Haushaltsdefizite zu tolerieren, wenn sie für die richtigen Dinge ausgegeben werden?

„Auf jeden Fall“, antwortet sie: „Ja, ja“.

Das sind völlig neue Töne aus der konservativen Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Washington. Der Fonds hatte bislang die dogmatisch geprägte Angewohnheit, jedem Land, das sich in einer Krise befindet, unmittelbar „fiscal austerity“ zu verordnen, unabhängig davon, ob der Schock angebots- oder nachfrage-seitig war.

Nun fordert die neue Chefin im kürzlich vorgelegten Jahresbericht die reichen Länder dazu auf, Schulden für „hochwertige Ausgaben“ (quality spending) * zu übernehmen.

Frau Georgieva lässt aber die Frage für den Rest der Welt offen, für die Länder, die nicht den gleichen Zugang zu den Kapitalmärkten wie die USA, Europe oder Japan haben.


Öffentliche Investitionen, Graph: IMF, Oct 05, 2020 

Die verstärkende Wirkung öffentlicher Investitionen:

In Zeiten hoher Unsicherheit steigert eine Erhöhung der Investitionen um 1% des BIP das Wachstum um 2,7%, die privaten Investitionen um 10% und die Beschäftigung nach 2 Jahren um 1,2%.


Donnerstag, 8. Oktober 2020

COVID-19: Haushaltsdefizit ist ein Ergebnis, kein Selbstzweck

Die Alarmglocken läuten: Die Verschuldung steigt an. 

Warum? Weil der öffentliche Sektor Kredit aufnimmt, um die Krise, die durch die Coronavirus Pandemie ausgelöst wurde, zu bekämpfen.

Es ist im Grunde genommen eine „monetäre Brücke“ über den Corona-Abgrund, die vom Staat gebaut wird, wie Friederike Spiecker im Blog Makroskop beschreibt. 

Doch die FAZ-Wirtschaft schert sich nicht darum, dass sie mit absoluten Zahlen zu Staatsverschuldung die Leserschaft verwirrt.

Die Ausgaben des öffentlichen stiegen im 1. Halbjahr 2020 um 8,6 % gegenüber dem 1. Halbjahr 2019 auf 797,8 Milliarden EUR, meldet Destatis.

Die Einnahmen gingen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erstmals seit 2012 zurück, und zwar um 4,8 % auf 709,4 Milliarden EUR. 

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, errechnet sich hieraus für das 1. Halbjahr 2020 ein kassenmäßiges Finanzierungsdefizit – in Abgrenzung der Finanzstatistiken – von 89,8 Milliarden Euro.




Finanzierungssalden nach Ebenen; öffentlicher Gesamthaushalt in Mrd. EUR, Graph: Destatis, Oct 07, 2020 


Donnerstag, 1. Oktober 2020

COVID-19 Stress: Yen und Carry-Trades

Einer Studie von Nordea nach ging seit 1997 ein Rückgang des S&P 500 Index um 5% in 76% der Fälle mit einer Aufwertung der japanischen Landeswährung (JPY) einher.

Und dieser Trend hält seit mehr als zwei Jahrzehnten an.

Wir können daher davon ausgehen, dass es eine inverse (90-Tage) Korrelation zwischen dem Yen und dem S&P 500 Index gibt. Fällt der Index, steigt der JPY, und umgekehrt.

Der Yen gehört zu den Währungen (wie CHF, EUR und USD) an, die in Stress-Situationen an den Finanzmärkten am meisten gefragt sind.

Doch seitdem Pandemie-Schock (Mitte März 2020) scheint die Korrelation des Yen mit den Aktien nicht mehr zu halten.

Das Ansehen des Yen rührt von Japans Auslandsvermögen her, das mit 3,5 Billionen USD die weltweit grösste internationale Investitionsposition darstellt, wie Reuters unterstreicht. 



Das spekulative Carry-Trade Geschäft mit Yen nimmt seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ab, Graph: Reuters, Sept 29, 2020


Sonntag, 27. September 2020

Europas Problem mit Inflation und Ursachen

Die Mainstream-Ökonomen, treu der Fiscal-Austerity Doktrin, warnen seit den turbulenten Zeiten der GFC, globalen Finanzkrise von 2008-2009 unumwunden vor einer ausufernden Inflation

Obwohl sie damit völlig falsch liegen, malen sie weiter den Teufel an die Wand, dass die Inflation durch die Decke schiesst. Die aktuelle Begründung: Die Staaten geben nun mit dem Ausbruch der Corona-Virus Krise von März 2020 viel Geld aus, um der Wirtschaft auf die Beine zu helfen.

Je lauter der Ruf nach Inflation wird, desto tiefer fällt aber die Inflation.

Die Eurozone ist im vergangenen Monat zum ersten Mal seit vier Jahren in die Deflation, mit einem unter den Erwartungen liegenden Wert von minus 0,2% gerutscht.

Wenn das alte Muster zwischen Lohnwachstum und Inflation bestehen bleibt, könnte die EZB Anfang 2021 eine harte Zeit vor sich haben. Es ist möglich, eine Last von Schulden zu bewältigen, aber nicht in einem gänzlich deflationären Umfeld, bemerkt das Team Nordea Research am Wochenende. Völlig richtig.


Die Eurozone in einem deflationären Umfeld, Graph: Nordea Research, Sept 25, 2020

Mittwoch, 16. September 2020

Deflation als Vermächtnis der Sparpolitik der Eurozone

Das neue Inflation-Konzept, kurz AIT (average inflation targeting), der Fed ist in aller Munde. Manche Volkswirte bezeichnen es „vage“, während andere Marktbeobachter vorerst etwas abwarten wollen, bis die Fed weitere Einzelheiten vorlegt.

Was die US-Notenbank damit anstrebt, ist klar; Inflation, und zwar mehr Inflation, höher als 2 Prozent.

Niemand aber scheint zu glauben, dass eine Rückkehr der Inflation unmittelbar bevorsteht. 

Die Inflationserwartungen, gemessen an Breakeven-Sätzen, sind zwar seit dem starken Einbruch zu Beginn der Covid-19-Krise wieder angestiegen. Aber die Fed verfehlt das eigene Ziel seit 2008. Der Zielwert wird deutlich unterboten, was im Grunde genommen auch im Euroraum der Fall ist. Die EZB unterläuft das von ihr anvisierte Inflationsziel seit mehreren Jahren.

Deutschland beispielsweise wird nach wie vor als deflationsgefährdet angesehen, wie John Authers in seiner Kolumne bei Bloomberg hervorhebt.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die deflationäre Verzerrung in der Eurozone ist ein Ergebnis der lang-anhaltenden doktrinären Sparpolitik (fiscal austerity) inklusive Lohnzurückhaltung.

Die Umsetzung von Sparmaßnahmen in geschwächten Volkswirtschaften, wenn der Privatsektor nicht willens (oder nicht in der Lage ist), die Nettoersparnisse zu reduzieren, wirkt sich unweigerlich auf das Wirtschaftswachstum aus.


Der von der Fed bevorzugte Mass für die Inflation; der PCE-Kerndeflator, Graph: John Authers, Bloomberg, Sept 15, 2020.

Sonntag, 13. September 2020

Staatsausgaben erhöhen Staatseinnahmen

Die europäische Wirtschaft leidet im Grunde genommen heute noch an den Folgen der GFC (Global Financial Crisis) von 2008-2009. 

Denn das wirtschaftliche Umfeld der Eurozone wird weiterhin durch das träge Wachstum, die unerträgliche Unterbeschäftigung und hohe Einkommensverluste gekennzeichnet. 

Die europäische Krise, die durch eine übermässige Verschuldung und wilde Spekulationen im privaten Sektor ausgelöst wurde, wurde von den EU-Behörden als Staatsschuldenkrise umgedeutet und von den Mainstream-Medien sorglos begleitet. 

Die Tatsache ist, dass die Staaten die privaten Schuldner gerettet (bail-out) haben. Auch heute sind die Staaten auf den Plan gerufen. 

Doch das Narrative, das die Staatsausgaben mit „Sozialismus“ gleichsetzt, ist so überwältigend, dass die Regierungen es vorziehen, die Wirtschaft in Form von Zuschüssen (cash grants) an Privatpersonen anzukurbeln, anstatt durch direkte Staatsausgaben.

Wenn Menschen zögern, das Geld auszugeben, helfen Steuersenkungen kaum, die Beschäftigung zu stützen. Selbst negative Zinsen können Unternehmen nicht animieren, Kredit aufzunehmen, wenn die Absatzaussichten schwach sind. 


Der US-Notenbank gelingt es seit 2008 nicht, das eigene Inflationsziel zu erfüllen, Graph: Bloomberg, Sept 13, 2020 

Donnerstag, 3. September 2020

Fed’s neue Rahmenhandlung und Arbeitsmarkt

Es ist derzeit schwer, sich der aktuellen Debatte über Fed’s neue Rahmenhandlung zu entziehen.

Schliesslich handelt es sich dabei um den Beginn einer neuen Ära der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank.

Mit dem neuen Ansatz „average inflation targeting“ (AIT) unterstreicht die Fed die Bereitschaft, zuzulassen, dass die Inflation das angepeilte Ziel von 2% einige Jahre überschiessen kann, falls die Teuerungsrate davor unterhalb des Zielwertes verlief.  

Es ist unter Ökonomen mittlerweile vorwiegend unumstritten, dass das Verfehlen des Inflationsziels ein Problem ist. Alle wissen, dass die Inflation in den letzten Jahren weitgehend unter dem 2%-Ziel lag. Und die Fed kündigt jetzt an, dass sie heftigere Inflationsphasen tolerieren will.

Mit dem neuen Ansatz bemüht sich die Fed, Fehler zu vermeiden, vor allem was die Auswirkungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt betrifft.

Zur Erinnerung: Die Fed hat die Leitzinsen zwischen 2015 (17. Dezember) und 2018 (20. Dezember) insgesamt 8x angehoben.

Die Folge der Zinserhöhungen war, dass die Erholung des Arbeitsmarktes gedrosselt wurde. Die Notenbank wollte eine Inflation unterbinden, die gar nicht existiert hat.



Fed’s Inflationsziel (rote Linie) und die tatsächliche Inflation (blaue Balken), Graph: Bloomberg, Aug 2020

Dienstag, 1. September 2020

Der begrenzte Planet

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck: Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft – Lassen sich Ökonomie und Ökologie versöhnen, Westend Verlag, Frankfurt, August 2020

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die gegenwärtige Art des Wirtschaftens so viele natürliche Ressourcen verbraucht, dass sie das Überleben der Menschheit infrage stellt.

Die fossilen Rohstoffe sind in realer Rechnung so billig (zum Vergleich: wie Anfang der 1970er Jahre), dass sie weiterhin gefördert werden. Und solange die Regierungen glauben, dadurch die wirtschaftlichen Möglichkeiten ausloten zu können, werden weiterhin Öl, Kohle und Gas aus der Erde geholt.

Es ist daher die grosse Aufgabe, eine ganz andere Wirtschaftsordnung zu entwerfen, die funktionsfähig und für die Umwelt weniger schädlich ist.

Die Welt, d.h. die Staatengemeinschaft braucht eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, um die wirtschaftliche Entwicklung und CO2-Emissionen zu entknüpfen, erklärt Heiner Flassbeck in seinem neuen Buch.

Und das bedeutet Strukturwandel.

Der Strukturwandel ist aber von der Bevölkerung nur akzeptiert, wenn er 1) nicht zu schnell verläuft, 2) wirklich gewährleistet ist und 3) die finanziellen Kosten gerecht verteilt werden.

Samstag, 29. August 2020

Was ist die niedrigste Arbeitslosenquote?

Jerome Powell, der Chef der amerikanischen Notenbank hat am Donnerstag die Neuausrichtung der US-Geldpolitik angekündigt.

Es handelt sich dabei um einen neuen Ansatz im Hinblick auf die Inflation. Genannt wird es „average inflation targeting“.

Die Fed will zulassen, dass die Inflation einige Jahre höher als 2% laufen kann, falls die Teuerungsrate davor deutlich niedriger lag. Ein Überschiessen über eine längere Zeitperiode ist daher gestattet. Der Zielwert von 2% soll im Durchschnitt angestrebt werden.

Begründung: das anhaltend schwache Wirtschaftswachstum, die träge Konsumnachfrage und die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit.

Die neue Form der Geldpolitik hat zugleich eine Signalwirkung in Richtung Politik: Vollbeschäftigung würde den Arbeitnehmern ein gutes Gefühl geben, die Ungleichheit bekämpfen und den Populismus abschrecken.

Janet Yellen und Jared Bernstein schreiben in diesem Sinne in einem Meinungsartikel bei NYTimes diese Woche, dass die Wirtschaft mehr fiskalische Ausgaben braucht, um Neueinstellungen zu unterstützen, wenn die Arbeitslosigkeit außergewöhnlich hoch und die Inflation historisch niedrig ist, wie beides jetzt der Fall ist.



Erstmalige und fortgesetzte Arbeitslosenansprüche am US-Arbeitsmarkt, Graph: BofA, Aug 2020

Sonntag, 23. August 2020

COVID-19 und „K“-Erholung

Die Mehrzahl der Ökonomen ging bis vor kurzem davon aus, dass die Erholung der Wirtschaft von der Coronavirus-Krise in „V“-Form erfolgen würde. 

Das heisst, dass einem steilen Absturz eine rasche Erholung folgen würde. 

Da die Ausbreitung der Pandemie inzwischen nicht unterbunden werden konnte und nach der Wiedereröffnung (reopening) der Geschäfte weltweit neue Virus-Infektionen verzeichnet werden, kehrt nun Ernüchterung ein.

Unterdessen ist von einer „K“-Erholung die Rede, gut für die Fachleute und schlecht für alle anderen (*). 

Zum Hintergrund: S&P 500 Index hat am Dienstag mit 3,397 Punkten einen neuen Spitzenwert erreicht. Und am folgenden Tag wurde Apple am Aktienmarkt als erstes US-Unternehmen mit mehr als 2‘000 Mrd. USD bewertet. 

Während manche Politiker mit dem Aktienmarkt als Beweis dafür werben, dass die Wirtschaft sich vom Corona-Virus erholt hat, ist es eine bittere Tatsache, dass 173‘000 Amerikaner an der Pandemie gestorben sind und die Anzahl der Arbeitslosen, die eine staatliche Unterstützung erhalten, sich auf 28 Mio. beläuft.

Das bedeutet, dass die Wirtschaft sich für Millionen von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz nicht zurückbekamen, nicht so gut anfühlt. Zudem wurde das Arbeitslosengeld gekürzt. Die im März beschlossene Zusatzleistung von 600 USD per Woche ist ausgelaufen.

Apple markiert eine Marktkapitalisierung im Wert von mehr als 2‘000 Mrd. USD als erstes US-Unternehmen in der Börsengeschichte, Graph: FT, Aug 20, 2020 

Dienstag, 18. August 2020

Fed und das durchschnittliche Inflationsziel (average inflation targeting)

Wie wir beobachtet haben, hat der FOMC, d.h. der geldpolitische Ausschuss der US-Notenbank (Fed) den geldpolitischen Kurs auf der letzten Tagung im Juli unverändert beibehalten.

Die Währungshüter betonten die Abwärtsrisiken und zogen eine künftige Lockerung in Betracht. Doch der Ausschuss schien mit der gegenwärtigen Politik zufrieden zu sein. 

Credit Suisse Analysten betonen im „Investment Daily“ am Montag die Erwartung, dass der Ausschuss nun bereit sei, bis zur September-Tagung zu einem Rahmen für eine Zielvorgabe der durchschnittlichen Inflation (average-inflation targeting) überzugehen, wie es aus dem aktuellen Sitzungsprotokoll der Fed hervorgehe.

Zudem dürfte der Ausschuss als eine weitere Option für eine geldpolitische Lockerung aktiv über die Einzelheiten der Vorwärtsausrichtung (forward guidance) und der Kontrolle der Zinskurve (yield curve control) diskutieren.

Worum aber geht es beim „average inflation targeting“?

Es ist die Vorstellung, dass die Zentralbank nicht darauf abzielt, die Inflation bei 2% (wie bisher) zu halten, sondern sie könnte stattdessen anstreben, sie bei einem Durchschnitt von 2% zu halten. 

US Inflationserwartungen gemessen an 10y UST break-even Sätzen, Graph: Morgan Stanley, Aug 17, 2020

Donnerstag, 13. August 2020

Scheinheilige Ökonomie: Unterbeschäftigung und Inflation

Wie kann man sich angesichts der hohen Unterbeschäftigung über die Inflation Sorgen machen?

Paul Donovan, UBS unterstreicht in einem aktuellen Video-Beitrag, dass ein Anstieg der Nachfrage (nach der Aufhebung der „lockdown“-Massnahmen) nicht zu höheren Preisen führen werde.

Seiner Ansicht nach sprechen hauptsächlich zwei Aspekte gegen eine steigende Inflation: 1) Es gibt viele Bereiche der Wirtschaft mit freien Kapazitäten (z.B. Dienstleistungssektor) und 2) Unternehmen werden es sich zweimal überlegen, bevor sie mit höheren Preisen die Loyalität der Kunden riskieren.

Wir können vor diesem Hintergrund festhalten, dass die europäische Wirtschaft in Grunde genommen seit dem Ausbruch der GFC von 2008-2009 stagniert und von deflationären Kräften geprägt ist.

Was wir darüber hinaus gestützt auf unsere Erfahrungen aus der GFC-Ära erfassen können, ist, dass die Notenbanken nicht mehr viel unternehmen können, um den Schaden zu begrenzen.

Denn wenn die nominalen Zinsen nahe null Prozent liegen, ist es mit der Geldpolitik allein besonders schwer, eine Erholung einzuleiten. Notenbanken haben zwar elektronisch viel Geld gedrückt und verschiedene Arten von Vermögenswerten auf dem offenen Markt gekauft. Aber die Geldpolitik hat deutlich an Zugkraft verloren.


Eine EU-Anleihe mit Fälligkeit 2032 beispielsweise wird mit einer Rendite von minus 0.11% gehandelt, Graph: FT, Aug 12, 2020

Mittwoch, 5. August 2020

COVID-19, Nachfrage und Arbeitslosigkeit

Wenn Verbraucher Geld ausgeben, kommt es Unternehmen zu Gute. Steigt der Umsatz, erhöhen Unternehmen Investitionen. Und damit entstehen neue Arbeitsplätze. 

Wenn die Löhne nicht steigen und/oder sogar gekürzt werden, passiert das Gegenteil. Es entsteht Arbeitslosigkeit.

Die Republikaner im Senat haben gerade zugelassen, dass die pauschale Erhöhung der wöchentlichen UI-Leistungen (Arbeitslosenversicherung) um 600 USD abläuft, und schlagen vor, sie (im Wesentlichen) durch eine wöchentliche Zahlung von 200 USD zu ersetzen. 

Diese Kürzung der Leistungen um 400 US-Dollar ist nicht nur grausam, sondern auch eine schreckliche wirtschaftliche Situation. Diese Vorteile unterstützen eine enorme Menge an Ausgaben von Menschen, die sonst drastisch sparen müssten, unterstreicht Heidi Shierholz von Economic Policy Institute (EPI) in einem aktuellen Blog-Eintrag.

Die Ausgaben, die durch die 400 Dollar ermöglicht werden, die der Senat kürzen will, unterstützen 3,4 Millionen Arbeitsplätze. Wenn Sie die 400 Dollar kürzen, kürzen Sie diese Jobs, fügt Frau Shierholz von EPI hinzu.

Heiner Flassbeck schreibt dazu in seinem Blog Makroskop, dass die US-Unternehmen sogar die Löhne kürzen, weil die Arbeitslosigkeit hoch ist. 

Das hat fatale Folgen, da die US-Wirtschaft auf Konsum angewiesen ist wie kein anderes Land auf der Welt. Die Lohnkürzungen sind der direkte Weg in die Deflation und in eine kaum noch zu beherrschende Krise, betont der ehemalige Chef-Volkswirt von UNCTAD mit Nachdruck.


Arbeitslosigkeit ohne Arbeitslosengeld führt zu starken Ausgaben-Rückgängen, Graph: JPMorgan, July 28, 2020

Samstag, 1. August 2020

The Economics of Belonging


Buchbesprechung:

Martin Sandbu: The Economics of Belonging – A Radical Plan to Win Back the Left Behind and Achieve Prosperity for All, Princeton University Press, June 2020. 


Martin Sandbu argumentiert, dass es nicht die Globalisierung ist, die für zu viele der Probleme zurückgebliebener Gruppen verantwortlich ist, sondern der technologische Wandel und die wirtschaftlichen Veränderungen. 

Handel und Migration bestenfalls erklären nur einen kleinen Teil des Verschwindens guter Arbeitsplätze und der zunehmenden Ungleichheit.

Die Veränderung der Marktwirtschaft in den vergangenen 40 Jahren ist seiner Ansicht nach auf wirtschaftliche Transformationen und politisches Versagen zurückzuführen.

Marktmechanismen, die gute Arbeitsplätze und Wohlstand für einige, aber schlechte Arbeitsplätze und Prekarität für zurückgebliebene Gruppen schaffen, führen ohne Zweifel dazu, dass der Sozialvertrag im Westen untergraben wird.

Wir müssen uns nun der Macht des Staates zuwenden, der diesen Mechanismen am offensichtlichsten hätte entgegenwirken können, z.B. mit einem revidierten Steuersystem, um beispielsweise Steuerumgehung via Steuerparadies zu unterbinden.

Donnerstag, 23. Juli 2020

„Sparschock“ und die akkommodierende Geldpolitik


Angesichts des wirtschaftlichen Schocks durch das Coronavirus sehen sich Unternehmen, Verbraucher und Investoren veranlasst, Bargeld zu horten, wie fast nie zuvor.

Und Experten gehen davon aus, wie Bloomberg berichtet, dass der Spardrang auf Dauer bestehen bleibt. 

Das dürfte erstens zu einer starken Nachfrage nach den sichersten festverzinslichen Produkten führen. Der hauptsächliche Nutzniesser wäre die US-Notenbank, die sich derzeit tatkräftig bemüht, das Zinsniveau zu drücken.

Eine weitere Begünstigte ist sicherlich die US-Administration, die das Angebot an Staatsanleihen erhöht, um Konjunkturmassnahmen zu finanzieren.


Die Sparquote (23,2%) der privaten Haushalte in den USA in Prozentzahl des verfügbaren persönlichen Einkommens, Graph: Bloomberg, July 23, 2020

Sonntag, 12. Juli 2020

US-Dollar und ein multipolares Währungs- und Wirtschaftssystem


Seit Donald Trump US-Präsident wurde, fällt es auf, dass die US-Administration keine Gelegenheit auslässt, Organisationen wie die EU, die UNO, die NATO und die WTO bösartig anzugreifen.

Trump hat bereits mehrmals gedroht, die USA sowohl aus der NATO als auch aus der WTO herauszuziehen. Seine Behauptung: Die USA werden beschissen. 

US-Aussenminister Pompeo hat neulich vorgeschlagen, dass die chinesische Sozial-Media-Anwendungen in den USA verboten werden, darunter Tik Tok, wie Paul Donovan von UBS am Dienstag notiert hat.

Paola Subacchi beschreibt es vor diesem Hintergrund so, dass die Vereinigten Staaten sich nicht nur in einen "großartigen Isolationismus" zurückziehen, sondern jetzt auch zu Anti-Multilateralismus, Ad-hoc-Bilateralismus und einem "deals-driven"-Ansatz in der Weltwirtschaftsordnung tendieren.

Am vergangenen Dienstag wurde der UNO-Generalsekretär offiziell informiert, dass die USA die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verlassen. Trump hat WHO schwere Versäumnisse in der Corona-Pandemie vorgeworfen und bereits im April die Beiträge eingefroren.

Einige Top-Berater von Präsident Trump wollen nun, dass die USA die Koppelung (USD-peg) des Hongkong-Dollar an den USD untergraben, da die Administration Überlegungen anstellt, um China für die jüngsten Schritte zur Abschaffung der politischen Freiheiten der ehemaligen britischen Kolonie zu bestrafen. 


Hong Kong Dollar risk reversals, Graph: Bloomberg Quint, July 08, 2020

Freitag, 10. Juli 2020

Interview: Paola Subacchi, Queen Mary University of London


Paola Subacchi is Professor of International Economics at the University of London’s Queen Mary Global Policy Institute


How did the belief in the primacy of national interest over multilateral cooperation develop since the end of Bretton Woods despite a deeply interconnected global economy? What are the main reasons for the rising of economic nationalism we have seen recently on both sides of the Atlantic (e.g. “Brexit” and “America First” approach)?

The resurgence of economic nationalism and the belief that national interests should take precedent over multilateral cooperation can ultimately be traced back to unfettered capital flows, or – as I call it – free money. 

Under the Bretton Woods arrangements capital controls ensured that the scope for beggar-thy-neighbour policies was limited, but this came to an end when the United States unilaterally unravelled the system in 1971. 

The blind belief in the market’s ability to self-adjust meant that the ‘non-system’ of floating exchange rates and unfettered capital flows became the default. 

What followed was a devastating string of financial and economic crises – such as Britain and Italy’s Black Wednesday (1992), Mexico’s Tequila crisis (1994), the Asian financial crisis (1997) and of course the global financial crisis (2008) – that have ravaged both developing and developed countries. 

Mittwoch, 8. Juli 2020

Krise, Staatsanleihen und Vertrauen


Das beispiellose Ausmass und der Umfang der geldpolitischen Massnahmen der Fed haben inzwischen die US-Treasury Bonds zu ihrer stärksten Performance in den vergangenen Jahren verholfen.

Wer zu Beginn des Jahres in US-Staatsanleihen investiert hat, kann sich über einen Ertrag von 8,55% freuen.

Die US-Notenbank kauft zur Abfederung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise Wertpapiere am offenen Markt und erklärt sie damit für „risikofrei“.

Investoren kaufen Staatsanleihen, weil sie sicher, liquide und erstklassig sind.

Angesichts der negativen Realzinsen, die gegenwärtig weltweit in vielen Industrieländern vorherrschen, ist die Wertentwicklung der Staatspapiere jedoch beträchtlich 


Die Performance der US-Treasury Bonds seit Jahresbeginn, Graph: Morgan Stanley, July 06, 2020

Dienstag, 7. Juli 2020

Eine ungewöhnliche Krise und die Macht des Staates


Es ist ein offenes Geheimnis, dass das keine gewöhnliche Krise ist. 

Die GFC von 2008-2009 war ein Nachfrage-Schock. Die Corona-Virus Krise von 2020 ist ein Angebot-Schock. Eine Krise, die der Realwirtschaft entsprungen ist und dann auf die Finanzmärkte übergegriffen hat.

Es handelt sich dabei um ein abruptes Ausschalten („lockdown“) der Volkswirtschaften, angeordnet durch die Behörden, gefolgt von einem relativ abrupten Wiedereinschalten („reopening“).

Und wir haben zwei Arten von Arbeitsplatzverlusten gesehen, wie Bloomberg berichtet. Zum einen durch das Corona-Virus und zum anderen durch die wirtschaftliche Notlage. 

Die erste Kategorie betrifft Menschen, die wegen der Nähe zum Kunden ihre Stelle vorübergehend haben verlassen müssen: Restaurants, Fitness Center, Friseur-Laden usw. Die zweite Kategorie hingegen erfasst den Verlust von Arbeitsplätzen aufgrund der wirtschaftlichen Schrumpfung. 


Das weltweite reale BIP-Wachstum, Graph: JPMorgan Asset Management, July 01, 2020

Sonntag, 5. Juli 2020

The Cost of Free Money


Buchbesprechung

Paola Subacchi: The Cost of Free Money – How Unfettered Capital Threatens Our Economic Future, Yale University Press, August 2020


Die Welt ist vom Zusammenbruch bedroht. Bisher waren alle Augen auf den Handel gerichtet. Aber die Kernfrage betrifft das frei fließende Kapital.

Denn damit steht eine Reihe von Finanz- und Wirtschaftskrisen in Verbindung, die die politischen Systeme belastet und die globale Wirtschaftsordnung zermürbt hat. 

Es ist sicherlich nicht abzustreiten, dass das Kapital in jeder Phase der wirtschaftlichen Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist. 

Doch viele Länder haben Schwierigkeiten, aufgrund ihrer immanenten Fragilität, ihre Volkswirtschaften zu justieren, um mit uneingeschränkten Kapitalbewegungen (freiem Geld) fertig zu werden, wenn sich ihre relative Position auf den internationalen Märkten ändert. 

Im Fokus des Buches steht vor diesem Hintergrund der uneingeschränkte Kapitalverkehr und die damit verbundene finanzielle Instabilität, die für die verzerrte Allokation der Ressourcen und damit auch der ungleichen Einkommensverteilung zwischen Arbeit und Kapital verantwortlich ist. 

Was ist die Lösung? 

Freitag, 3. Juli 2020

Coronavirus-Pandemie und Haushaltsdefizite


Das ist eine bemerkenswerte Abbildung, die JPMorgan Asset Management neulich präsentiert hat.

Wir sehen, dass die Verschuldung des öffentlichen Sektors im Vergleich zum BIP ansteigt, während die Verschuldung des privaten Sektors fällt.

Der Grund ist bekannt: Rettungsprogramme der Regierungen in der Corona-Krise. Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, weil ein Virus die gesamte Wirtschaft infiziert hat.

Der Staat erhöht daher seine Ausgaben, während der Privatsektor dazu neigt, etwas mehr auf die hohe Kante zu legen. 

Der Anstieg des Haushaltsdefizits reflektiert m.a.W. die Schwäche der Realwirtschaft: Es mangelt an Nachfrage. Man denke an die „lockdown“ Massnahmen, die von Behörden ergriffen wurden.


Schulden-Quoten in der US-Wirtschaft im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP), Graph: JPMorgan Asset Management, Juli 01, 2020

Mittwoch, 1. Juli 2020

Animal Spirits: Aktienmärkte und Wirtschaft


Der US-Aktienmarkt hat gerade das beste Quartal seit über 21 Jahren verbucht. Die US-Wirtschaft hingegen markiert das schlechteste Quartal aller Zeiten.

Das Bekenntnis der US-Notenbank zu niedrigen Zinssätzen bedeutet sicherlich ein starker Schub für Aktien. 

Aber auch der Fiskal Stimulus zur Ankurbelung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage schürt Hoffnungen, dass nach dem heftigen Umsatzbruch infolge der Coronavirus Pandemie demnächst durchaus möglich ist, bald das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Paul Donovan von UBS ruft in Erinnerung, dass börsennotierte Unternehmen einen relativ geringen Teil der Volkswirtschaft ausmachen und das Virus im Allgemeinen kleinen Unternehmen mehr schadet als börsenkotierten Unternehmen.


Aktien-Performance im 2. Quartal 2020, Graph: Bloomberg TV, July 01, 2020 

Samstag, 27. Juni 2020

Österreich begibt eine zweite 100-jährige Staatsanleihe


Die Republik Österreich hat am Mittwoch eine neue 100-jährige Staatsanleihe mit einem Kupon von 0,85% begeben. Österreich hat damit 2 Mrd. EUR am Kapitalmarkt aufgenommen. Die Anleihe war mehrfach überzeichnet.

Wie die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur mitteilt, ergab sich dabei eine Emissionsrendite von 0,88%.

Österreich hatte im September 2017 als erstes Land in der Eurozone eine 100-jährige Anleihe begeben und für Schlagzeilen gesorgt. Der Zinskupon lag damals bei 2,1%. Die erste Jahrhundertanleihe, die sich seitdem fast verdoppelt hat, hat für die Anleger eine Rendite von 85% gebracht. 

Zur Erinnerung: Die Inflation in Österreich lag im Jahr 2019 bei 1,5%.

Wer kauft aber eine Anleihe mit einer Laufzeit von 100 Jahren?

Investoren, die auf der Suche nach sicheren Vermögenswerten mit positiven Renditen sind. 

Auch Spekulanten, die um steigende Kurse wetten, da die Zinsen laut Zentralbanken in den Industrieländern voraussichtlich bis Ende 2022 nahe null Prozent bleiben werden.


Die erste 100-jährige Staatsanleihe von Österreich, Graph: Bloomberg, June 26, 2020


Sonntag, 21. Juni 2020

COVID-19: Eine neue Subkultur und „Retail Bros“


Zentralbanker lassen nicht nach, um den durch die COVID-19 Krise verursachten globalen Abschwung rasch und energisch anzugehen. 

Und sie werden dabei nicht nur gescholten, wegen des grosszügigen „Eingreifens in das Marktgeschehen“, sondern in manchen Kreisen sogar als Superhelden gefeiert.

Die aussergewöhnlichen Aktionen der Zentralbanken zur Stützung der Finanzstabilität haben unter „retail traders“ ohne Zweifel eine intensive Stimmung ausgelöst, keine üppige Börsengewinne verpassen zu wollen.

Solange die Musik spielt, soll man mittanzen.

Die Online-Handelsplattformen spielten dabei eine sagenhafte Rolle, dadurch dass sie einen erleichterten Zugang zum Markt anboten, und für die Entstehung einer neuen Welle von Subkulturen für private Aktienhändler sorgten: die sog. „Retail Bros“.

Es handelt sich dabei um junge sport-begeisterte Menschen, die nun aufgrund von „lockdown“-Massnahmen zu Hause hocken müssen und nicht ins Fitnessstudio gehen oder Sportwetten abschliessen können, weil ja alle Sportereignisse wegen der Pandemie untersagt worden sind, und sich deswegen total langweilen.

Die Sport-Kumpel, die jetzt zum Tageshändler geworden sind, folgen zwei Regeln. Regel eins ist, dass die „Aktien nur steigen“. Und Regel zwei: „Wenn du Zweifel hast, ob du kaufen oder verkaufen sollst, lies die Regel eins“.


In diesem Jahr wurden bei Online-Brokern eine Welle neuer Tradings-Konten eröffnet, Graph: Barron’s, June 12, 2020

Samstag, 13. Juni 2020

Interview: Prof. Michael Pettis, Peking University


Michael Pettis is a Professor of Finance at Guanghua Schools of Management at Peking University in Beijing


What do the large-scale public investments and the reestablishment of state mean for the credibility of the neoliberal agenda of the eurozone given the ongoing underemployment and the rise of the anti-system parties everywhere in Europe?

I think there has been growing criticism for many years of a global economic system that has led inexorably to rising income inequality, growing trade and capital imbalances, and soaring debt, and, as Matt Klein and I explain in our book ("Trade Wars are Class Wars"), these are all related aspects of the same system: we cannot address one without addressing the other two. 

Because the Covid-19 pandemic has accelerated these existing trends, I think it is more obvious than ever that we need to address all three, and this almost certainly requires a greater role for the state in reversing the policies that led to such high rates of income inequality as well as in managing the unfettered capital flows that allow countries that repress wages to pass the costs on to trading partners.

Donnerstag, 11. Juni 2020

Trade Wars are Class Wars


Buchbesprechung: 

Michael Pettis and Matthew C. Klein: Trade Wars are Class Wars, Yale University Press, June 2020



Länder mit grossen Überschüssen im Aussenhandel haben die Überschüsse nur, weil sie nicht alles verbrauchen, was sie herstellen. Und das macht sie zugleich anfällig für einen Rückgang des internationalen Handels.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, wahrzunehmen, dass fast jeder auf der Welt durch das globale Handels- und Finanzsystem verbunden ist. 

Wann immer wir etwas kaufen, zur Arbeit gehen oder sparen, wirken sich unsere Handlungen auf Milliarden von Menschen aus, die Tausende von Kilometern entfernt sind, genau wie die Menschen auf der anderen Seite der Welt uns jeden Tag unwissentlich mit ihren weltlichen Entscheidungen beeinflussen.

Michael Pettis und Matthew C. Klein erläutern in diesem Buch diese wirtschaftlichen Verknüpfungen, die viele Vorteile haben, aber auch Probleme von einer Gesellschaft auf eine andere übertragen können.

Menschen in einem Land sind häufig für unerschwingliche Wohnräume, Schuldenkrisen, Arbeitsplatzverluste und Umweltverschmutzung in anderen Ländern verantwortlich, schildern die Autoren:

Samstag, 6. Juni 2020

Fiskalpolitik rettet Menschenleben


Es ist zwar der Schnee von gestern. Aber die Behauptung, dass die Zinsen „künstlich“ niedrig sind, taucht in den Mainstream-Medien ab und zu wieder auf.

Das ist eine Zombie-Idee: Die Zinsen sind nicht künstlich niedrig

Die alte Leier, dass die Zinsen künstlich niedrig gehalten werden, und damit die Sparer und konservative Investoren bestrafen, ist bei allem Respekt ein Unsinn.

Die niedrigen Zinsen sind ein Ergebnis der GFC von 2008-2009, nicht die Ursache. Tatsache ist, dass die Staatsverschuldung erst nach dem Ausbruch der GFC und der Rezession, die dadurch ausgelöst wurde, gestiegen ist, und zwar infolge der Rettung der Banken durch die öffentliche Hand.

Es war die fiskalische Austeritätspolitik, die die Regierungen zum kompromisslosen Sparen gezwungen hat, koste es, was es wolle. 

Und das Ergebnis spricht Bände: Lohnzurückhaltung, Unterbeschäftigung, höhere Armut, schlechtere Infrastruktur und ein niedrigerer Lebensstandard. 

Der kombinierte Effekt: niedrigere Zinssätze.


US Haushaltsdefizit, Graph: Morgan Stanley, June 02, 2020

Samstag, 30. Mai 2020

Interview: Jonathan Hopkin, London School of Economics

Jonathan Hopkin, Associate Professor of Comparative Politics, Department of Government, LSE


In your new book, you underline that political parties (“cartel parties”) were no longer competing over different models of economics. But why has social democratic position voluntarily tended to adopt a similar position?

That’s a great question! I’m not sure I can really pin down the decisive factor. One standard view is that the constraints of open capital markets have enhanced the ‘blackmail power’ of investors and have disciplined social democratic parties into accepting orthodox economic policies, for fear of not being able to govern.

The bitter experience of Mitterrand’s early presidency in France in the 1980s had a chastening effect on social democratic parties across Europe, convincing many that there was ‘no alternative’ but to sign up to low inflation and tight fiscal policy.

But many have argued that there was an ideological shift in centre-left elites which led them to believe these pro-market policies were correct in their own right, perhaps best reflected in Tony Giddens’ ‘Third Way’ politics.

Dienstag, 26. Mai 2020

Die Unterwerfung des Staates unter private Finanzmacht


Die St. Galler Kantonalbank (SGKB) kritisiert die Massnahmen, die die Zentralbanken rund um die Welt ergreifen, um die fatalen Kosten der COVID19-Krise abzufedern.

„Die Zentralbanken weiten ihr Mandat immer weiter aus und zementieren damit ihre Retterrolle“, heisst es im Daily Fokus am Montag.

„Die langfristigen Auswirkungen der Corona-Rettungspakete haben eines gemeinsam: sie setzen falsche Anreize und schränken die wirtschaftliche Effizienz ein“, so das vernichtende Fazit des Kommentars.

Bei allem Respekt: Das ist Liquidationismus nach Mellon-Art, was heute die offizielle Doktrin der G.O.P, der republikanischen Partei in den USA widerspiegelt.

„Liquidiere Arbeit, liquidiere Aktien, liquidiere Bauern und liquidiere Immobilien“. Laut Herbert Hoover war dies der Rat, den er von Andrew Mellon, seinem Finanzminister (von März 1921 bis Febr 1932) erhielt, als Amerika in den 1930er Jahren in eine Depression stürzte.

Mellon soll weitergesagt haben, dass er damit die Fäulnis aus dem System entfernen wolle. „Die Menschen werden härter arbeiten und ein moralisches Leben führen. Die Werte werden angepasst und geschäftstüchtige Leute werden die Wracks von weniger kompetenten Leuten abholen“.


Nur jeder zehnte Fondsmanager erwartet eine V-förmige Erholung der US-Wirtschaft. Die meisten Anleger lehnen eine optimistische Prognose ab und teilen den vorsichtigen Ansatz des Fed Vorsitzenden Powell, Graph: FT, May 25, 2020