Samstag, 5. Oktober 2024

Atlas of Finance

Book Review - Buchbesprechung

Atlas of FinanceMapping the Global Story of Money – by Dariusz Wojcik – illustrated by James Cheshire and Oliver Uberti, Yale University Press, Sept 2024, UK.


«Atlas of Finance» ist ein außergewöhnliches und visuell beeindruckendes Wirtschaftsbuch, das von erfahrenen Wirtschaftswissenschaftlern und kompetenten Akademikern verfasst wurde. 

Es erforscht meisterhaft ein breites Spektrum von Themen, von der Geschichte und Geografie bis zu Vermögenswerten, Märkten, Investoren, Technologie, Blasen und Krisen, Gesellschaft und Umwelt usw.

Von der Entstehung des Geldes in der Antike bis zur heutigen vernetzten Landschaft des Hochfrequenzhandels und der Kryptowährungen hat sich die Geschichte des Finanzwesens immer auf einer internationalen Bühne abgespielt.

Ein Paradoxon liegt in der Natur des Finanzwesens selbst. Geld ist abstrakt, austauschbar und zunehmend digital, es kann in einem Augenblick und ohne große Reibung den Besitzer wechseln. Gleichzeitig hinterlässt Geld sperrige, greifbare und dauerhafte Fußabdrücke.

Aufgrund ihrer paradoxen Natur betrachten die meisten Menschen Geld und Finanzen als geheimnisvoll, als etwas, das man Experten und Technokraten, Ökonomen und Bankern überlassen sollte. Eine solche Haltung ist nicht nur wenig hilfreich, sondern auch gefährlich.

Die lebendigen Farbbilder, detaillierten Karten und aktuellen Diagramme machen komplexe Finanzkonzepte sowohl für Experten als auch für Nicht-Experten zugänglich. 

Gedruckt auf hochwertigem Papier, ist es nicht nur informativ, sondern auch angenehm zu lesen. 

Dienstag, 1. Oktober 2024

Grundlagen einer relevanten Ökonomik

Buchbesprechung

Heiner Flassbeck: Grundlagen einer relevanten Ökonomik, Westend Verlag, September 2024, Frankfurt am Main.

Mit „Grundlagen einer relevanten Ökonomik“ hat Heiner Flassbeck, der geschätzte Wirtschaftswissenschaftler nicht weniger als eine wissenschaftliche Meisterleistung abgeliefert und damit neue Maßstäbe in der Wirtschaftswissenschaft gesetzt. 

Dieses Werk ist ein Zeugnis seines profunden Intellekts und seiner jahrzehntelangen Erfahrung, die er zu einer maßgeblichen Untersuchung der wirtschaftlichen Relevanz in einer sich rasch verändernden globalen Landschaft zusammengefügt hat.

Das Buch ist sowohl klar als auch tiefgründig geschrieben und dient als Meisterklasse in der Art, theoretische Strenge mit praktischer Anwendbarkeit zu verbinden, was es nicht nur akademisch bedeutsam, sondern auch für politische Entscheidungsträger und Praktiker gleichermaßen relevant macht.

Sein akademischer Weg, der mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Saarbrücken begann und 1987 mit der Promotion an der Freien Universität Berlin endete, spiegelt sein unermüdliches Engagement für Spitzenleistungen wider. 

Dieses intellektuelle Fundament wurde durch seine herausragende Karriere weiter gestärkt, unter anderem durch seine Ernennung zum Staatssekretär im deutschen Bundesfinanzministerium im Jahr 1998, eine Position, die es ihm ermöglichte, die nationale Finanzpolitik auf höchster Ebene zu gestalten.

Samstag, 28. September 2024

Unexpected Revolutionaries

Buchbesprechung

Manuela Moschella: Unexpected Revolutionaries – How Central Banks Made and Unmade Economics Orthodoxy, Cornell University Press, 2024.



Das vorliegende neue Buch unternimmt den Versuch, Licht auf die Frage zu werfen, was die tiefgreifenden Entscheidungen zur Transformation des Zentralbankwesens in den vergangenen 15 Jahren beeinflusst hat. 

Die besonderen Eigenschaften, welche die Zentralbanken in den Industrieländern kennzeichnen, sind allgemein bekannt: «Ruf» und «Glaubwürdigkeit». 

Weitere Stichworte sind «Konservativität» und «politische Neutralität», wobei Konservativität sich auf die Bedeutung, die die Zentralbanker einer niedrigen Inflation im Verhältnis zu anderen makroökonomischen Zielen beimessen, bezieht. Und politische Neutralität betrifft den Vorrang des Grundsatzes „Wissenschaft vor Diskretion“.

Die herkömmliche Sichtweise vor diesem Hintergrund betrachtet Zentralbanken als unabhängige und Expert-orientierte Institutionen, die langweilig und vorhersehbar sind.

Das eng gefasste Mandat, das auf Preisstabilität ausgerichtet ist, und eine strikte Trennung der Zuständigkeiten zwischen Geld- und Fiskalpolitik voraussetzt, trug (bislang) dazu bei, eine orthodoxe Denkweise über Zentralbanken in den einzelnen Ländern zu pflegen, ohne auf Widerstand zu stossen.

Die Erfahrung der Inflationsbekämpfung in den 1970er und 1980er Jahren war nämlich für die Wirtschaftstheorie und -politik so entscheidend, dass sie allgemein als das bestimmende makroökonomische Ereignis der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt.

Sonntag, 22. September 2024

The Return of Inflation

Book Review - Buchbesprechung

Paul Mattick: The Return of Inflation – Money and Capital in the 21st Century, Reaktion Books, October 2023.

Paul Mattick: Die Rückkehr der Inflation – Geld und Kapital im 21. Jahrhundert, Dietz Berlin, April 2024.

Mit der Entscheidung vom Mittwoch, die Zinsen um 0,50% zu senken (auf ein Zielband von 4,75% bis 5,0%), hat die Fed die Zinswende eingeleitet. Somit beginnt für die US-Notenbank ein neues Kapitel, die Anfang 2022 mit der Anhebung der Kreditkosten begonnen hatte, um einen Pandemie-bedingten Preisanstieg einzudämmen. 

Die (vorübergehende) Inflation, angefacht durch Unterbrechungen der globalen Versorgungskette und eine Nachfragewelle verschlossener Verbraucher, kletterte auf den höchsten Stand seit 1981.

Zur Erinnerung: Die amerikanische Zentralbank hat die Zinssätze 11x erhöht und ihren Leitzins («Fed Funds Rate») im Juli 2023 auf ein Zwei-Dekaden-Hoch gebracht.

Die Inflation-Falken hatten im Vorfeld den Teufel an die Wand gemalt. Die «Rückkehr der Inflation». Und der Sündenbock war schnell vorgeschoben: Die expansive Fiskalpolitik.

Seitdem hat sich die Inflation deutlich abgekühlt, von 9% zurück auf 2,5% und nähert sich damit dem 2%-Ziel der Fed. Und obwohl sich der Arbeitsmarkt abgeschwächt hat, gibt es keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass sich die US-Wirtschaft in einer Rezession befindet oder an der Schwelle zu einer solchen steht. 

Eine Frage, die zudem abschliessend nicht genau beantwortet werden kann, ist, inwiefern der rasche Rückgang der Inflation mit der straffen Geldpolitik der Zentralbanken zu tun hat.

Denn der «go big-go early» Ansatz der US-Administration, die zu einer «sanften Landung» der Wirtschaft mit höherer Produktivität und mehr Arbeitsplätzen geführt hat, darf fairerweise nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Beispielsweise hatte die deutsche Regierung im November 2023 Steuererleichterungen in Höhe von €28Mrd. angekündigt, um das von Problemen geplagte herstellende Gewerbe von hohen Energie-Kosten zu schützen.

Eine zentrale These dieses Buches vor diesem Hintergrund ist, dass weder die Zentralbanken noch die prominenten Ökonomen es verstehen, wie die Wirtschaft heute funktioniert. Mit anderen Worten geht es um «das Versagen der ökonomischen Theorie», was aus Sicht des Autors keine Überraschung ist. Die Wirtschaftstheorie ist namentlich in Bezug auf das Wesen des Geldes realitätsfremd.

Denn Inflation ist nicht ein monetäres Phänomen, sondern resultiert aus der Funktionsweise des Systems von Warenproduktion und Tausch insgesamt.

Sonntag, 1. September 2024

Supercharge Me

Buchbesprechung

Eric Lonergan and Corinne Sawers: Supercharge Me – Net Zero Faster, agenda publishing, Febr 2022, Newcastle upon Tyne.


Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Fokus auf ökologische Investitionen die Finanzmärkte erfasst hat, insbesondere in Europa. Es vollziehen sich gewaltige Veränderungen.

Es gibt Anzeichen dafür, dass sich Umweltfaktoren auf Aktienkurse und Anleiherenditen auswirken, was Unternehmen motiviert, das individuelle Verhalten zu ändern. CEOs und Vorstände sind ohne Zweifel besessen von dem Aktienkurs des eigenen Unternehmens, nicht zuletzt, weil ihre persönlichen Finanzen davon beeinflusst werden.

Das Umdenken in den letzten zwei Jahren hat sich rasant vollzogen. Der Trend spiegelt den Wandel in der Unternehmenskultur vollständig wider.

Und dafür gibt es drei Gründe. Die sozialen Normen ändern sich, es wurden regulatorische Änderungen eingeführt, und Aktien, die als umweltfreundlich wahrgenommen werden, entwickeln sich besser als der Markt. 

ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und ist in der Finanzwelt zum Schlagwort für Investitionen mit Gewissen geworden. 

Es ist dennoch verblüffend, im Nachhinein erneut Revue passieren zu lassen, wie sich vor dem Hintergrund der erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Form des sog. «lockdowns» während der Pandemie ein Kulturwandel in Sachen «Klima-Wandel» entwickelt hat. 

Die meisten großen Finanzunternehmen und Banken haben sich beispielsweise im Jahr 2022 verpflichtet, ihre „finanzierten Emissionen“ («financed emissions») bis 2050 auf null zu senken.

Samstag, 31. August 2024

Aufstieg und Fall der Inflation

Geldpolitik und Pandemie-bedingte wirtschaftliche Verwerfungen


Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank (Fed) hat während seiner Rede auf der Zentralbank-Konferenz in Jackson Hole im Bundesstaat Wyoming hervorgehoben, dass die Inflationsrate seit ihrem Höchststand im Jahr 2022 stark zurückgegangen ist.

Er hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die Teuerungsrate auf dem Weg ist, das Ziel der Fed von 2% zu erreichen, und zwar ohne Massenarbeitslosigkeit auszulösen.

Zur Erinnerung: Larry Summers, der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, der von 1999 bis 2001 als 71. Finanzminister der Vereinigten Staaten und von 2009 bis 2010 als Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats tätig war, sagte, dass wir massive Arbeitslosigkeit brauchen, um die Inflation zu besiegen.


Störungen in den globalen Lieferketten haben sich wieder normalisiert, Graph: New York Fed, Aug 31, 2024.


Montag, 19. August 2024

EZB und Toxic Monetary Austerity

Daten-Abhängigkeit: Ein "Groundhog Day" Scenario


Wie bizarr! Gerade wenn eine Zinssenkung absolut notwendig ist, belehrt uns die EZB über Vorzüge von Zinserhöhungen.

In einem aktuellen Blog-Beitrag vom 15. August 2024 erläutert die EZB, dass die Zentralbanken die Zinssätze anheben, wenn sie die Nachfrage in der Wirtschaft dämpfen wollen, was letztlich dazu beitrage, die Inflation in Schach zu halten.

Eine Binsenwahrheit.

Bemerkenswert ist, dass die Wirtschaft im Euro-Raum seit einer langen Zeit stagniert, was zweifelsohne auf eine Nachfrage-Schwäche hindeutet. Und dazu kommt, dass der vorübergehende Preisanstieg (bedingt durch die COVID19 Pandemie) sich in der Zwischenzeit zurückgebildet hat.


Der neutrale Realzins (*) setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einem globalen neutralen Realzins (für den die US-Zinsen häufig als Richtwert verwendet werden) und einer länderspezifischen Risikoprämie, Graph: Goldman Sachs, Aug 15, 2024.