Die EZB hat über ihre geldpolitische Strategie nachgedacht und nach der Überprüfung mitgeteilt, dass sie ihr Inflationsziel ändert, um sich in Sachen Inflation mehr Spielraum zu verschaffen. Künftig will die EZB eine jährliche Inflation von 2% anstreben.
Die Fortsetzung der lockeren Geldpolitik gestützt durch Anleihekäufe (PEPP + APP) als Teil der anhaltenden QE-Politik, um weiterhin auf die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve Einfluss zu nehmen, hat jedoch die Kritiker, wie z.B. Bundesbankpräsident Jens Weidmann sofort auf den Plan gerufen.
Die Kontrahenten der QE-Politik befürchten, dass die Inflation ausser Kontrolle geraten wird, während der EZB-Rat die Massnahmen mit der Unterstützung seines Preisstabilitätsmandats begründet.
Eurodollar Futures: Händler haben ihre Erwartungen hinsichtlich des Umfangs der Zinserhöhungen der Fed in den kommenden Jahren drastisch zurückgeschraubt, Graph: FT, July 27, 2021
Die Behauptung, dass die QE-Politik Inflation auslöst, ist ohne Zweifel auf den Monetarismus zurückzuführen. Die Verlautbarung, die den Kern der monetaristischen Doktrin bildet, ist heute völlig irrelevant, zumal es nach der GFC (Global Financial Crisis) 2008 eine Menge QE gab, ohne dass ein signifikanter Anstieg der Inflation zu verzeichnen gewesen wäre.
US Inflation Breakeven Satz mit 10 Jahren Laufzeit ist niedriger als der Breakeven Satz mit 5 Jahren Laufzeit. Das bedeutet, dass die Märkte den jüngsten Anstieg der Inflation als “transitory” betrachten, Graph: Bloomberg TV, July 27, 2021
Zur Erinnerung: Die Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbanken ist seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr der Fall. Das Argument, dass die QE-Politik Inflation verursacht, ist daher längst hinfällig.
Auch das Argument, dass QE gefährlich sei, da sie die Unabhängigkeit der Zentralbanken beeinträchtigt, ist nicht stichhaltig. Die Vorstellung, dass die Regierungen die Zentralbanken unter Druck setzen könnten, auch nach der Erholung der Wirtschaft die QE-Politik fortzufahren, ist zu verwerfen, da wir seit der GFC nichts Derartiges gesehen haben.
Zudem ist es vor diesem Hintergrund wichtig, nochmals kurz in Erinnerung zu rufen, was genau die QE-Politik bedeutet.
Inflationserwartungen in den USA, gemessen von Breakeven Sätzen mit 10 Jahren Laufzeit; alle drehen wegen der Inflation durch, nur die Finanzmärkte nicht; die 10-jährigen Breakeven-Sätze haben sich seit einem Monat kaum bewegt, selbst nach dem heißesten Preisdruck (+5,4%) seit mehr als einem Jahrzehnt, Graph: Bloomberg, July 28, 2021
Simon Wren-Lewis nimmt dazu in einem lesenswerten Blog-Eintrag ausführlich Stellung.
Wir sprechen von QE (quantitative easing; d.h. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik), wenn eine Zentralbank einer Bank Staatsanleihen (der eigenen Regierung) abkauft, und den entsprechenden Betrag dem Konto der Bank (bei der Zentralbank) gutschreibt.
Das Geld wird nicht physisch geschaffen, sondern elektronisch übertragen. Und man nennt es „Reserven“ (der Geschäftsbanken bei der Zentralbank).
Die Zentralbanken führen QE durch, wenn die Wirtschaft in eine schwere Rezession gerät und die nominalen Zinsen auf der Null-Linie liegen. Das heisst, dass die QE-Politik dann zum Einsatz kommt, wenn die Zentralbank die (kurzfristigen) Zinsen nicht weiter senken kann.
Der Gedanke dahinter ist, dass, wenn die Zentralbank Staatsanleihen kauft, weniger Anleihen für den privaten Sektor zur Verfügung stehen, sodass private Investoren bereit sind, einen etwas niedrigeren Zinssatz für Staatsanleihen zu akzeptieren. Und das wiederum drückt auf die längerfristigen Zinssätze und kurbelt auf diese Weise die Wirtschaft an.
Es ist dabei anzunehmen, dass QE eine begrenzte Wirkung bei der Stimulierung der Wirtschaft entfaltet. Das Problem ist aber, dass QE als Alternative zum Fiscal Stimulus und nicht als dessen Ergänzung betrachtet wird, wie Prof. Wren-Lewis hervorhebt.
Für diese Verwirrung gibt es einen guten Grund. In der Zeit nach der GFC haben viele Regierungen es versäumt, Fiscal Stimulus zu liefern, weil sie die Ansicht vertraten, dass die Geldpolitik allein die Aufgabe erledigen könnte.
Die schwer angeschlagene Situation der Wirtschaft, die lang angehalten hat, hat jedoch gezeigt, dass QE nicht an die Stelle von Fiscal Stimulus treten konnte. Das Problem war das Fehlen von fiskalischen Anreizen, nicht QE selbst.
US real-Rendite von TIPS, inflationsindexierten Staatsanleihen, Graph: FT, July 28, 2021
Der häufigste Einwand gegen QE lautet ferner, dass es die Ungleichheit verschärft.
Wie bereits erläutert, besteht ein Ziel von QE darin, die langfristigen Zinssätze leicht zu senken. Ein Rückgang der langfristigen Zinssätze führt tendenziell zu einem Anstieg der Preise von Vermögenswerten, wozu auch der Marktwert bestehender Staatsschulden, Aktienkurse und Immobilienpreise gehören.
Da diese Vermögenswerte eher von den Wohlhabenden als von den Armen gehalten werden, erhöht QE tendenziell das Vermögen der Wohlhabenden und vergrößert so die Vermögensungleichheit.
Inflationserwartungen in der Eurozone: Umfrage-Ergebnisse unter professionellen Prognostikern, 2 Jahre und 5 Jahre voraus, Graph: Social Europe, July 26, 2021
QE ist jedoch nicht der wichtigste Einfluss auf die langfristigen Zinssätze. Die langfristigen Zinssätze ändern sich vor allem deshalb, weil sich die Erwartungen hinsichtlich der künftigen kurzfristigen Zinssätze ändern.
Der beste Weg, um die Ungleichheit in einer Rezession zu verringern, ist daher die Verabschiedung eines umfangreichen fiskalischen Stimulus, wie Wren-Lewis als Fazit festhält.
Dadurch steigt die Nachfrage und die Inflation nimmt tendenziell zu. Infolgedessen werden die Zentralbanken die kurzfristigen Zinssätze anheben, was wiederum zu einem Anstieg der langfristigen Zinssätze und zu niedrigeren Vermögenspreisen führt. Wenn Sie über die Ungleichheit der Vermögen besorgt sind, ist der Mangel an fiskalischen Impulsen das eigentliche Problem, nicht QE.
PS:
PEPP: Pandemic Emergency Purchase Programme, Pandemie-Notfallankaufprogramm
APP: Asset Purchase Programme, Programm zum Ankauf von Vermögenswerten
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