Sonntag, 19. Januar 2020

US-Schatzamt und Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss


Die Meldung der Woche war, dass Washington Peking nicht mehr der Währungsmanipulation beschuldigt. Die US-Administration hat damit die Vorwürfe gegen China zurückgenommen.

China hat durchsetzbare Verpflichtungen eingegangen, um eine kompetitive Abwertung zu vermeiden und gleichzeitig Transparenz und Rechenschaftspflicht zu fördern“, hiess es in einem kürzlich vorgelegten Bericht des US-Finanzministeriums (US-Treasury).

Präsident Donald Trump hatte China vorgeworfen, die Landeswährung Yuan abzuwerten, um damit die Exportwirtschaft zu stärken. Peking hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. 

Wenn man über die Exportwirtschaft redet, kommt man nicht darum herum, den gigantischen Leistungsbilanz-Überschuss Deutschlands zur Sprache zu bringen.

Das US-Schatzamt nimmt folglich unumwunden auch zur Exportorientierung und zu ökonomischen Ungleichgewichten, die dadurch ausgelöst werden, am Beispiel Deutschlands Stellung. 

Mit der folgenden Abbildung zeigt Washington, wie Berlin mit einem gewaltigen Überschuss im Aussenhandel, einem unterbewerteten realen EUR-Wechselkurs und einer restriktiven Lohnentwicklung zu globalen Ungleichgewichten beiträgt.


Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell und globale Ungleichgewichte, Graph: Bericht des US-Schatzamtes, Jan 13, 2020


Das US-Finanzministerium weist darauf hin, dass die anhaltenden aussenwirtschaftlichen Ungleichgewichte Deutschlands vor allem angesichts der jüngsten Anzeichen einer Wachstumsverlangsamung von Bedeutung sind: straffe Finanzpolitik (tight fiscal policy), hohe inländische Ersparnisse,  der niedrige Privatverbrauch und bescheidene Investitionen.


Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss: 7,3% des BIP per Juni 2019, Graph: Bericht des US-Schatzamtes, Jan 13, 2020


Langfristig gab es eine bedeutende Divergenz zwischen der inländischen Inflation (sprich: zu niedrig) und dem Lohnwachstum (sprich: zurückhaltend) in Deutschland und der durchschnittlichen Inflation und dem Lohnwachstum in der EU, so steht es im Bericht weiter zu lesen. Das ist übrigens genau der Punkt, auf den Heiner Flassbeck seit Jahren in seinen zahlreichen Vorträgen und Schriften stichhaltig hinweist.

Diese langfristige Divergenz hat zu einer allgemeinen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland gegenüber seinen Euroraum-Nachbarn beigetragen, hält das US-Schatzamt fest.

In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass die Fiskal- und Strukturpolitik in den wichtigsten Volkswirtschaften mit der geldpolitischen Unterstützung zusammenarbeitet, um die kurzfristigen Aktivitäten und die mittelfristigen Wachstumsaussichten zu stärken. In vielen Ländern, insbesondere in Deutschland, den Niederlanden und Korea, besteht ausreichen finanzieller Spielraum (fiscal space) für ein substanzielles Wachstum, bemerkt das US-Finanzministerium weiter.

Zur Erinnerung: Die Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept. Die Welt als Ganzes kann ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern. Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Das Rattenrennen der Nationen (rat race) ist daher schädlich.

Und nicht vergessen: Wettbewerbsfähigkeit bedeutet nicht Produktivität

Die Währungsunion (EWU) verlangt nur, dass alle EWU-Mitglieder das (von der EZB vorgegebene) Inflationsziel einhalten, nicht, dass alle die gleiche Produktivität haben. 

Alle können zusammen produktiver werden, aber alle zusammen können nicht wettbewerbsfähiger werden. 

Es bedarf also keiner realen Konvergenz im Euroraum. 

Das heisst, dass sich die Lebensstandards der Mitgliedsländer nicht unbedingt angleichen müssen, damit die EWU funktioniert. 

Es geht um die nominale Konvergenz, d.h. um die Löhne im Verhältnis zur eigenen Produktivität. Und alle Mitgliedsländer müssen die gleiche Inflationsrate, die von der EZB vorgegeben wird, anstreben; nicht tiefer, nicht höher.


Fazit: Das einseitig auf Exportgeschäft orientierte Wirtschaftsmodell ist nicht nachhaltig. Nicht nur wegen der sog. „externen Schocks“, sondern weil damit vorausgesetzt wird, dass die Handelspartner sich weiterhin verschulden (d.h. Leistungsbilanzdefizite aufweisen), um deutsche Güter und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Wir wollen „schwarze Null“, aber das dumme Ausland soll sich weiter verschulden. Das ist abwegig.




1 Kommentar:

George Dorgan hat gesagt…

Wir wollen „schwarze Null“, aber das dumme Ausland soll sich weiter verschulden.

Das ist durchaus sinnvoll, wenn die Gesellschaft auf dem Weg zur Überalterung. Dies wurde genau so von Jens Weidmann im Interview mit dem Jung und Naiv (Tilo Jung).
Das dumme Ausland sind die Länder mit relativ jungen Bevölkerungen wie die USA oder Indien.

Beispiel Japan: Massive Handelsüberschüsse in 90ern, die bis 2010 langsam gegen Null gingen.
Nun ist Japan überaltert und die Handelsbilanz ist Null.

Hohe Überschüsse: Ein absolut natürliches Phänomen, wenn in einer Gesellschaft relativ mehr Menschen zwischen 40 und 60 existieren. Diese haben immer ein höheres Einkommen und eine höhere Sparrate.
Der grösste Teil der EU (inkl. Italien) hat nun Überschüsse.
In 15-20 Jahren kommen wir in den Handelsbilanz = Leistungsbilanz = 0 Status.

Kein Grund für staatliche Intervention, um den Leuten, das mühsam ersparte Geld wieder abzunehmen!

Ein weiterer ist allgemeine Entwicklung der Volkswirtschaft in Stadien von Young Debtor Nation zu Credit Deposition Nation (wie heute die USA, Kanada oder UK). Schon in der 50iger Jahren entwickelt. Per Definition hat eine Credit Deposition Nation ein hohes Reichtum, das dieses Land durch eine negative Leistungsbilanz langsam wieder abgibt. Dazu zählt (je nach Definition) mittlerweile auch Japan.

Mehr dazu:
https://snbchf.com/fx-theory/crowther-imbalances-payments/