(nur für Streber)
Mit
dem Abschluss der US-Präsidentschaftswahl werden die üblichen Stimmen wieder laut,
dass (unsichtbare) Bond Vigilantes
sich demnächst anschicken würden, die USA anzugreifen.
Ed Yardeni hat den Begriff in den 1980er Jahren geprägt. Er beschreibt damit
diejenigen Investoren, die die US-Staatsanleihen, ohne mit der Wimper zu
zucken, abstossen würden, wenn sie das Vertrauen in die Geld- und Fiskalpolitik
verlören. Die Preise von US-Treasury Bonds würden folglich regelrecht abstürzen
und die Renditen würden durch die Decke schiessen.
Heute
kann man mit Fug und Recht sagen, dass Bond Vigilantes Verfechter von
Austeritätspolitik sind. Das heisst, dass die Staatsausgaben drastisch gesenkt
werden müssen, auch im Angesicht der hohen Arbeitslosigkeit, um Bond Vigilantes
zu beruhigen. Die Defizit-Falken (deficit
hawks), die von der Doktrin „expansionary
austerity“ besessen sind, behaupten
mittlerweile seit mehr als vier Jahren, dass die Finanzierungskosten der
öffentlichen Hand massiv steigen würden, wenn der Staat die Ausgaben sofort
nicht senken würde.
Doch
fallen die Zinsen, anstatt zu steigen und Bond Vigilantes bleiben unsichtbar.
Wie ist es zu erklären? Die Antwort lautet Liquiditätsfalle. Wenn die
Nominalzinsen auf der Null-Grenze (zero
lower bound) liegen und damit die Geldpolitik an Wirksamkeit verliert,
kommt es in einer Volkswirtschaft, die in Depression steckt, nicht zu Crowding-out.
Darüber
hat Paul Krugman in seinem Blog mehrmals geschrieben und überzeugend erläutert, warum Austerian Doctrine gescheitert ist. Nun liefert der an der University of Princeton lehrende
Wirtschaftsprofessor ein einfaches analytisches IS-LM-Modell (Mundell-Fleming) dazu.
IS-Kurve
und Taylor-Regel in einer offenen Volkswirtschaft, Graph: Prof. Paul Krugman in: The Simple Analytics of Invisible Bond Vigilantes, Nov
2012
Werden
die USA, wie die Austerians behaupten, in jedem Augenblick zu Griechenland?
Nachdem internationale Investoren das Vertrauen in griechische Staatspapiere
verloren haben, sind die Zinssätze in Griechenland kräftig gestiegen, und zwar
mit negativen Folgen für dir griechische Wirtschaft. Aber Griechenland hat (1) nicht
seine eigene Landeswährung, sondern den Euro und es hat (2) keine eigenständige
Geldpolitik. Die USA hingegen schon.
Wie
würde also ein Angriff von unsichtbaren Bond Vigilantes auf ein Land wie die
USA oder Grossbritannien aussehen? Bisher hat es niemand gewagt, die Frage mit einem
analytischen Modell zu beantworten. Es gibt einen Grund: Es ist ziemlich
schwer, ein Modell zu bilden, wo Bond Vigilantes wesentlich negative
Auswirkungen auf ein Land entfalten, welches über einen schwankenden
Wechselkurs verfügt.
In
einem IS-LM-Modell (angelehnt an Mundell-Fleming) in einer offenen Volkswirtschaft
hat ein Angriff von Bond Vigilantes sehr unterschiedliche Auswirkungen auf ein
Land mit einem festen Wechselkurs (oder einer gemeinsamen Währung, wie dem
Euro) und auf ein land mit einem schwankenden Wechselkurs. Im letzt genannten
Fall ist der Verlust an Vertrauen expansiv, erklärt Krugman.
Die
Nachfrage nach im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen sieht wie
folgt aus:
(1) y= -α i + β e
y= BIP und i= Zinssatz
e= log des Wechselkurses (ausgedrückt
im Preis des ausländischen Landes), d.h. ein Anstieg bedeutet Abwertung, was
expansiv wirkt, weil die Ausfuhren dadurch angekurbelt werden.
Warum
geht Krugman nicht vom realen Wechselkurs aus? Es kommt zwar auf die Inflation und
Inflationserwartungen an, aber sie spielen in diesem Beispiel keine grosse
Rolle, sodass man sie der Einfachheit halber vernachlässigen kann.
Angenommen,
wir haben einen festen Wechselkurs. Dann ist e festgelegt und i ist
durch die Bereitschaft von internationalen Investoren bestimmt, ob sie inländische
Staatspapiere halten oder nicht. Wenn i*
die Verzinsung der ausländischen Staatspapiere repräsentiert, die als sicher
gelten, wie z.B. German Bunds, dann sieht der inländische Zinssatz wie folgt
aus:
(2) i = I* + ρ
Wobei
ρ Risikoprämium ist.
Ein
Angriff von Bond Vigilantes bedeutet in der Tat eine schlechte Sache. Die Zinssätze
würden sich, wie der Pfeil zeigt, nach oben bewegen, was zu einer Schrumpfung der
Wirtschaftsleistung führen würde.
Amerika
hat aber seine eigene Währung und einen flexiblen Wechselkurs. Wie würde es in
diesem Fall aussehen? Was würde sich verändern?
Der
Zinssatz wird durch die Fed bestimmt. Dargelegt als Taylor-Regel sieht die Gleichung dann wie folgt aus:
(3) i = Гy
Es
gibt zugleich über Grenzen hinweg noch die Möglichkeit einer Zinsarbitrage,
d.h. einer erwarteten Rendite-Arbitrage:
(4) i = i* + δ (ẽ - e) + ρ
Der
zweite Terminus auf der rechten Seite der Gleichung vertritt die erwartete
Abwertung. Der Wechselkurs kann dann als eine Funktion des Zinssatzes im Inland
und der Risikoprämie ausgedrückt werden:
Setzt
man diese Gleichung (e) nun in der ersten Gleichung (1) ein, dann ergibt sich
die IS-Kurve in einer offenen
Volkswirtschaft.
Der
Zinssatz nimmt auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage über zwei Wege Einfluss:
(I) durch die Erhöhung der Binnennachfrage und (II) durch die Abwertung der
Währung, was die Netto-Ausfuhren fördert.
IS-Kurve, Graph: Prof. Paul Krugman in: The Simple Analytics of Invisible Bond
Vigilantes, Nov 2012
Was
geschieht jetzt, wenn es zu einem Vertrauensverlust kommt? Steigt die
Risikoprämie an? Die Antwort lautet, dass die Währung sich abwertet, bei einem
gegebenen Zinssatz im Inland, was die Nachfrage erhöht, und die IS-Kurve nach
rechts oben verschiebt. Das heisst, dass die Auswirkung auf die Wirtschaft expansiv ist.
Man
denke daran: Die Fed setzt die Zinsen fest. Der Verlust des Vertrauens in
US-Staatsanleihen würde nicht einen Anstieg der Zinsen auslösen, sondern zu
einem Fall des US-Dollar führen. Das heisst im Endeffekt, dass die Abwertung
des US-Dollars eine gute Sache wäre, weil es die Konkurrenzfähigkeit der
US-Wirtschaft steigern würde.
Fazit: Die Ängste der Defizit-Falken sind
nicht begründet und empirisch nicht belegbar.
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