Freitag, 18. April 2008

Neue Wirtschaftspolitik

Buchbesprechung*:

Richard A. Werner: Neue Wirtschaftspolitik. Was Europa aus Japans Fehlern lernen kann. Verlag Vahlen, 2007.


Die epische Finanzkrise dürfte noch lange im Fokus des Marktgeschehens bleiben. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer ist sich einig, dass der Boden noch nicht gefunden wurde. Alles dreht sich aber zugleich darum, wie die im vergangenen Sommer geplatzte Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt überhaupt entstehen konnte. Trägt die Fed die Verantwortung dafür, weil sie die Zinsen zu lange, zu niedrig gehalten hat? Sind die Aufsichtsbehörden schuld daran, da sie das Schatten-Bankensystem gewähren liessen? Oder sind es falsche Annahmen und Missdeutungen in bezug das Funktionieren von Finanzinnovationen?

In der öffentlichen Debatte, wie die Krise des Finanzsystems auf die Realwirtschaft übergreifen kann, wird öfters auch an Japans bittere Erfahrungen in der nahen Vergangenheit erinnert. Japan hatte bekanntlich in den 80er Jahren einen Wirtschaftsboom erlebt. Danach rutschte das Land in den 90er Jahren wegen eines Übermasses an spekulativen Krediten in eine tiefe Rezession. Die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt leidet heute noch darunter. Richard A. Werner zeigt in diesem anspruchsvollen Buch auf, wie die kreditfinanzierte hohe Nachfrage in Japan ein Asset Bubble erzeugt hat. Ausgangspunkt seiner einleuchtenden Erläuterungen ist, dass das vorherrschende Paradigma den Zenith seiner Macht erreicht hat. Gemeint ist die kanonische Ökonomie. Viele Phänomene der wirtschaftlichen Entwicklung Japans können mit traditionellen Konzepten nicht nachvollgezogen werden. Die neoklassische Makroökonomie kann nämlich vielerlei empirische Tatbestände nicht erklären, schreibt Werner. Deshalb werden „unbequeme empirische Befunde zu „Anomalien“ und „Rätseln“ herabgespielt. Auch George Soros vertritt in seinem neuen Buch „The New Paradigm for Financial Markets“ dieselbe Ansicht. Die zum Zutreffen der neoklassischen Modelle notwendigen Annahmen (vollständige Information, vollständige Märkte, vollkommener Wettbewerb usw.) sind nach Werners Meinung nichts weniger als eine monströse Entstellung der Wirklichkeit. Im Falle unvollkommener Information erfolgt keine Markträumung. Tatsache ist, dass unser optimistischer Glaube, dass Märkte, wenn nur alleine gelassen, alle Probleme lösen werden („Marktfundamentalismus“), sich keineswegs bewahrheitet hat. „Rationierte Märkte werden nicht von Preisen bestimmt, sondern von Mengen“, meint der Autor. Die EZB ist in den Augen Werners wegen ihrer „diskriminierenden Kreditpolitik“ für das schwache Wachstum in der EU verantwortlich. Nach der Einleitung, wo es um die Entwicklungsphasen der japanischen Wirtschaftsleistung geht, befasst sich der Autor im zweiten Teil mit den „Grenzen des traditionellen Paradigmas“. Hier werden v.a. das „Rätsel“ der wirkungslosen Fiskalpolitik und der Zinspolitik erläutert. Im dritten Teil legt Werner dem Leser den Neuen Ansatz nahe und präsentiert die Lösung der Rätsel. Im vierten und letzten Teil geht Werner auf die Ziele und die praktischen Instrumente der makroökonomischen Wirtschaftspolitik ein. Sein Buch verstehe sich als ein weiterer Schritt in den Bemühungen, die Fundamente einer neuen Makroökonomie auszubauen. Dieses wissenschaftliche, urteilssichere Werk ist sicherlich eine ernstzunehmende Herausforderung für die herrschende Lehre. Das Buch wird bestimmt viel von sich reden machen. Unbedingt lesen. Professor Dr. Richard A. Werner ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankwissenschaften an der Uni von Southampton in England. Zuvor lebte der gebürtige Deutsche mehr als 12 Jahre in Asien, wo er u.a. an der Bank von Japan, dem japanischen Finanzministerium, der Japan Development Bank tätig war. Er spricht fliessend Japanisch und hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst.

Cezmi Dispinar
*erschienen in der Ausgabe 194 vom 18. April 2008

1 Kommentar:

Kai Ruhsert hat gesagt…

Volle Zustimmung! Siehe auch www.nachdenkseiten.de/?p=3662